Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

gend. Aber warum machen Sie daraus eine geheime Kommandosache?

Eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte ist dringend nötig. Das zeigen die Missstände in der Nutztierhaltung auf der einen Seite, das zeigt aber auch die Debatte in Schleswig-Holstein über das Schlachten eines Kaninchens. Wir haben das Maß in der einen wie in der anderen Richtung verloren. Wir brauchen eine tiergerechte Haltung. Dazu brauchen wir eine öffentliche Debatte und keine geheimen Zirkel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr McAllister, ich freue mich auch über Ihre Aussagen z. B. vor dem Niedersächsischen Landkreistag zu den tierschutzwidrigen Zuständen. Sie haben recht: Schnäbel kürzen, Zehen- und Schwanzamputationen sind tierschutzwidrig. Aber es reicht nicht, das in die Mikrofone zu sagen. Sie sind der oberste Dienstherr, und Sie sind auch Jurist. Sie wissen doch, dass alle Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichtet sind, tierschutzwidrige Zustände zu beheben, wenn sie denn erkannt sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Da dürfen Sie nicht den reinen Lobbyinteressen nachgeben und sich ausbremsen lassen.

Sie müssen jetzt handeln, Sie müssen die entsprechenden Erlasse auf den Weg bringen, und zwar keine Siebenjahrespläne, sondern Sie müssen jetzt im Interesse der Tiere, im Interesse der Menschen, im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher handeln, und zwar sofort.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt der Kollegin König von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Mittwoch letzter Woche machte die Nachricht „Strafrabatt für Tierquäler - Staatsanwaltschaft Stade eröffnet kein Verfahren gegen das Cuxhavener Unternehmen Lohmann“ Schlagzeile und damit ganz klar Politik unglaubwürdig.

Die außergerichtliche Einigung, die zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Unternehmen Loh

mann getroffen wurde, zeigt auf: Die Kreisveterinäre des Landkreises Cuxhaven haben zu lange weggeschaut; denn bis zum September 2010 sind dort zur Optimierung des Zuchtprozesses Kämme abgeschnitten und Zehen amputiert worden. Und noch immer steht die Klärung der Vergasungspraxis bei männlichen Küken aus. Ziel muss es sein, die Vergasung von Eintagsküken zu verbieten. Und da, Herr Minister Lindemann, sind Sie gefragt. Sie müssen handeln.

Ich zitiere dazu auch Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes:

„An Tieren darf nicht herumgeschnitten werden, und sie sind auch kein Abfall. Wir brauchen dringend klare und eindeutige gesetzliche Regelungen, die jegliche Manipulation an Tieren unterbinden.“

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Herr Apel weist auch auf die Probleme der zunehmend auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Zucht und Haltung hin.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Unter tierquälerischen Maßnahmen konnten mit der Kükenzucht bei der Firma Lohmann sehr gute Gewinne erzielt werden - so gut, dass der Unternehmer Lohmann jetzt eben mal einen Betrag in Millionenhöhe zahlt und damit Straffreiheit für die Geschäftsführer erkauft. Freikaufen - und das muss hier einmal ganz deutlich gesagt werden - hat seit Altbundeskanzler Kohl Methode bekommen in unserem Staat.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Na, na!)

Aber damit wird das eindeutige Strafurteil und dessen Wirkung vereitelt. Der Vorfall geriet in eine Grauzone und motiviert Nachahmungstäter bzw. hier Nachahmungsbetriebe, Produktionsverfahren zu betreiben, ohne auf Tierschutz zu achten. Hauptsache, die Gewinnspanne ist gut, und für den Fall des Bekanntwerdens wird vorsichtshalber schon einmal eine Rücklage gebildet. - So nicht! Hier muss eine Wende eintreten.

Meine Damen und Herren, ich habe an dem besagten Mittwoch an einer Diskussionsveranstaltung in einer Gesamtschule teilgenommen. Es ging darum, junge Menschen zu motivieren, sich in Politik einzumischen. Ich habe mir ganz bewusst an diesem Tag, als die Schlagzeile in der Zeitung

erschien, die Frage gestellt: Wie wollen wir Menschen motivieren, gerade junge Menschen, sich aktiv in Politik einzubringen und an die Wahlurne zu gehen? Wie wollen wir Politik wieder glaubwürdig gestalten, wenn sogar der niedersächsische Agrarminister Lindemann, der jahrelange Berufserfahrung auf Landes- und Bundesebene hat und bei der Amtseinführung erklärte, sich für den Tierschutz einzusetzen, dann in der realen Welt der Agrarindustrie bei der Verfolgung von Tierquälereien scheitert?

Der sogenannte 38-Punkte-Plan aus dem Ministerium und der versprochene Einsatz für Tierschutz werden ganz sicher auch in den Reihen von CDU und FDP Diskussionen auslösen. Deshalb, lieber Kollege Meyer, kann ich mich Ihrer Fragestellung „Scheitert Lindemanns Tierschutzplan an Agrarlobby und CDU?“ anschließen. Denn wenn es Minister Lindemann mit seinen Aktivitäten ernst meint, wird das Schwierigkeiten in den eigenen Reihen bereiten. Und auch dann, wenn sich die Landesregierung durchgesetzt hat, wenn Richtlinien erarbeitet wurden und wenn Erlasse an Behörden herausgegangen sind, droht jeglicher Plan wie eine Seifenblase zu zerplatzen, wenn sich dieser moderne Ablasshandel fortsetzt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Leider!)

Dem muss etwas entgegengesetzt werden. Deshalb, Herr Lindemann: 81 Tage Amtszeit und 81 Tage Ankündigungen sind genug! Es liegen umfangreiche Studien über den Platzbedarf von Nutztieren vor. Die Anforderungen an Zucht-, Fütterungs- und Haltungsbedingungen müssen endlich ernst genommen werden. Wir erwarten Eindeutigkeit und vor allem ein Nachgehen bei dem ersten Hinweis auf Verfehlungen. Denn das Landesministerium wusste seit 2008 von diesen Vergehen an Tieren, und - wir haben es eben gehört - es haben sich auch Menschen aus dem Ministerium diese Vorfälle 2009 angesehen. Nicht hingucken - und das muss hier mit aller Deutlichkeit gesagt werden - bedeutet mitmachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Agrarminister ist gefordert, diesem Handeln ein Ende zu machen. Nehmen Sie Ihre Arbeit auf, und handeln Sie!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Langspecht von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Einlassung, Herr Meyer, hier heute Morgen ist genauso wie die Überschrift Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde im Grunde genommen eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mit der Formulierung der Aktuellen Stunde wollen Sie bewusst und gezielt den Eindruck erwecken, dass die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Fall Lohmann vom ML oder von anderer Seite beeinflusst werden. Sie arbeiten mit Unterstellungen und Verdächtigungen. Sie sollten sich schämen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich muss Sie auch fragen: Was fällt Ihnen eigentlich ein, hier von „Strafrabatt“ zu sprechen? - Fest steht lediglich, dass der für heute angesetzte Verhandlungstermin in diesem Strafverfahren abgesetzt worden ist. Selbst wenn es zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO kommen sollte - die Staatsanwaltschaft hat ja noch gar nicht entschieden -, dann ist das eine Entscheidung, für die allein die Staatsanwaltschaft verantwortlich ist. Das haben wir im Rahmen des Gewaltenteilungsprinzips ja wohl auch zu respektieren. Ich frage mich schon, was für ein Verhältnis zum Rechtsstaat Sie haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Hier eine Verantwortlichkeit des ML zu konstruieren, ist einfach absurd und infam. Das macht deutlich: Ihnen geht es nur um Klamauk und Stimmungsmache.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD - Glocke des Präsidenten)

Herr Meyer, der Minister hat in der Dringlichen Anfrage im Februar-Plenum den Sachverhalt der Vorgänge bei der Firma Lohmann präzise und umfassend dargestellt.

(Zustimmung bei der CDU)

In der Tat ist der Vorgang mit Blick auf den Zeitablauf nicht so zügig abgearbeitet worden, wie man

sich das hätte vorstellen können. Das hat der Minister hier auch ganz klar erklärt.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: „Nicht so zügig“ - das ist aber ein Euphemismus sondergleichen!)

Er hat weiter gesagt, dass es über einen längeren Zeitraum eine ganz heftige Auseinandersetzung mit dem zuständigen Veterinäramt beim Landkreis Cuxhaven gegeben habe, weil man sich dort auf eine wissenschaftliche Auffassung der niederländischen Universität Wageningen berufen hat.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die Niederländer sind nämlich im Gegensatz zu uns der Auffassung, dass die Amputationen gerechtfertigt sind. Und Sie wissen genau, dass das ML selbst keine Handhabe hat, um auf Lohmann unmittelbar Einfluss zu nehmen bzw. Weisungen zu erteilen. Das kann in unserem System schlichtweg nur der Landkreis. Das haben wir Ihnen schon ein paar Mal erklärt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Ingrid Klopp [CDU]: Das haben die noch nicht verstanden! - Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Haben Sie schon mal was von Fachaufsicht ge- hört?)

Im Übrigen ist das Amputationsverbot vom ML zu keiner Zeit infrage gestellt worden. Auch das ist völlig klar.

Jetzt zum Tierschutzplan. Herr Meyer, ich weiß nicht, wie Sie in der Überschrift der Aktuellen Stunde allen Ernstes in diesem Zusammenhang von einem „Scheitern“ sprechen können. Ich weiß wirklich nicht, ob Sie das alles so richtig mitkriegen, was bislang angelaufen ist.

(Zustimmung bei der CDU)