Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Die Gespräche waren nicht erfolgreich und müssen weitergehen!)

- Lesen Sie das noch einmal nach; dann werden Sie feststellen, dass der eine oder andere Vorredner dies so zum Ausdruck gebracht hat.

Die Gespräche wurden geführt, und die Gespräche wurden in den letzten Wochen und Monaten auch intensiviert. Die Gespräche, die geführt worden sind, hat der Kollege Töpfer schon dargestellt. Gleichwohl ist es schwierig, in den Konzern hineinreden bzw. Entscheidungen erzwingen zu wollen.

Man kann immer schön fordern, dass die Landesregierung den Druck erhöhen muss. Zu einem solch erhöhten Druck gehört aber auch eine Einigkeit hier im Parlament. Nicht umsonst hat der Konzern so aufgeschreckt auf unseren einmütigen

Beschluss reagiert. Wir alle wissen aber, dass es schwierig ist, den Druck mit Worten zu erhöhen.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Deswegen ist zu fragen: Wie kann eine entsprechende aktive Industriepolitik aussehen?

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Aus meiner Sicht müsste die Landesregierung hier auf Kommunikation und darauf setzen, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Herr Försterling, wachen Sie doch auf!)

Darüber hinaus müssen Standorte dadurch gesichert werden, dass auf Technologietransfer oder auch auf Innovationsförderung gesetzt wird. Außerdem müssen Hilfen dort, wo wir entsprechende Möglichkeiten haben, gegeben werden.

Ich habe aber schon in der letzten Debatte gesagt, dass eine Konzernleitung auch bereit sein muss, diese Hilfen in Anspruch zu nehmen.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Wenn nicht, was ist dann Ihr nächster Schritt?)

Es scheint aber schwierig zu sein, dies in Paris durchzusetzen.

Dann kommt die klassische Rhetorik der Linken, die sagen: Jetzt muss die nächste Eskalationsstufe einer aktiven Industriepolitik greifen. Am besten wäre es, man würde das Ganze verstaatlichen bzw. sich in den Standort Salzgitter einkaufen.

Die Frage ist: Ist das der richtige Weg? - Selbst wenn es der richtige Weg wäre, dann wäre es äußerst unklug, das vorher im Plenum zu sagen und damit den Preis zu erhöhen. In Paris reibt man sich doch die Hände, wenn man heute schon weiß, dass Sie bereit sind, das Ganze irgendwann um jeden Preis zu verstaatlichen.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Bei Ihrer Rede weiß ich, warum Sie bei 3 % liegen!)

Wenn Sie von Salzgitter 40 km weiter in Richtung Osten gehen, dann sehen Sie, wohin verstaatlichte Industriepolitik führt.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Neh- men Sie doch das Beispiel VW! Das liegt nicht im Osten!)

- Das funktioniert anscheinend immer wieder.

(Glocke des Präsidenten)

Dann sagen Sie: Wir müssen die Aufträge, die das Land über die LNVG vergibt, dahin gehend beeinflussen, dass alles in den Standort Salzgitter fließt. Herr Will hat eben ausgeführt, dass die Auslastung des Werkes gegeben ist. Trotz Vollauslastung schreibt es aber keine schwarzen Zahlen.

Herr Försterling, letzter Satz bitte!

Das heißt, es gibt dort entsprechende Probleme.

Was bedeutet es aber, wenn wir das Vergaberecht beeinflussen, indem wir sagen: „Es darf nur noch in Salzgitter gebaut werden“?

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das hat keiner gesagt, Herr Försterling!)

Sagen Sie das mal den Beschäftigten!

Herr Försterling, das können Sie jetzt nicht mehr ausführen. Bitte kommen Sie zum Schluss!

Sagen Sie das den Beschäftigten von Siemens und Bombardier! Meine sehr geehrten Damen und Herren, Solidarität hört nicht an der Landesgrenze auf. Auch den Beschäftigten gegenüber sind Sie verpflichtet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Er- zählen Sie uns nichts von Solidarität, Herr Försterling!)

Meine Damen und Herren, für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Bode.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr interessant, welches Verständnis die Fraktion DIE LINKE von einer aktiven Industriepolitik hat. Die Thesen von Herrn Sohn zur Industriepolitik - deren Misserfolg histo

risch belegt ist - führen zu allem anderen als zu Wohlstand. Die Forderung, die eben von Frau Weisser-Roelle kam, läuft auf Verstaatlichung, auf Aufkauf von Alstom hinaus.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: 25 %! - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Herr Bode!)

- In Deutschland sagen Sie „verstaatlichen“, da es sich um einen französischen Konzern handelt, heißt es „aufkaufen“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir fehlt ein wenig der Glaube daran, dass Frau WeisserRoelle oder ich - das gilt auch für mich - besser Züge bauen und verkaufen könnten als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Alstom in Salzgitter.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb gehen wir hier anders vor. Wir praktizieren aktive Industriepolitik. Wir setzen den Beschluss der letzten Landtagssitzung um, der einstimmig getroffen worden ist.

Wir handeln aber nicht erst seit heute. Wir sind schon seit Monaten mit der Konzernleitung, mit der Werksleitung, mit den Arbeitnehmervertretern, mit den Gewerkschaften im Gespräch und überlegen, wie wir aus dieser Situation gemeinsam am geschicktesten, am besten herauskommen. Die Kunst der aktiven Industriepolitik ist es, die Gesprächspartner auf allen Ebenen zusammenzubringen, damit sie gemeinsam miteinander reden und versuchen, Konzepte zu entwickeln und voranzubringen. Das ist der Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft.

Deshalb bin ich schon sehr erstaunt, wenn ich Herrn Will heute höre. Ja, wir hatten in der letzten Landtagssitzung einen einstimmigen Beschluss dieses Hohen Hauses. Wir haben uns im Wirtschaftsministerium mit der IG Metall und mit Vertretern des Betriebsrates getroffen und gemeinsam gesagt: Wir müssen uns jetzt bündeln. Wir müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln. Wer setzt zu welchem Zeitpunkt welche Maßnahme um? Wer kann dem anderen mit Informationen, mit Zusagen andere Verhandlungsmöglichkeiten bieten? - Am Ende haben wir alle gesagt - IG Metall, Betriebsrat, Wirtschaftsministerium, Vertreter der Staatskanzlei -: Das ist der ideale Weg, um die Situation zu bewegen, zu verändern, zu verbessern. Niemandem fiel etwas ein, was darüber hinaus noch hätte getan werden können.

Nach den heutigen Einlassungen von SPD, Linken und Grünen werde ich also Herrn Meine von der IG Metall und auch den Vertretern des Betriebsrates sagen müssen, dass Sie mit der Strategie, die wir gemeinsam erarbeitet haben, nicht zufrieden, nicht einverstanden sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Widerspruch von Gerd Ludwig Will [SPD])

Wir werden natürlich überlegen, wie wir darauf reagieren. Ich glaube nach wie vor, dass das, was wir gemeinsam erarbeitet haben, der richtige Weg ist: Wir müssen in der Tat die Möglichkeit eines Restrukturierungsbeirates ins Auge fassen und auch rechtzeitig verankern. Wir müssen die Gesprächsgruppen, die Arbeitsgruppen, die auf Aufsichtsratsebene im Unternehmen angesiedelt sind, unterstützen, damit die Landesregierung, auch wenn sie nicht dabei sein kann, trotzdem die Möglichkeit hat, zu sagen, was sie zu tun bereit ist, um das Ganze weiter voranzutreiben. Wir müssen versuchen, den Konzern zum Gespräch zu bringen, damit nicht ganze Bereiche wie beispielsweise der Rohbau nach Polen verlagert werden.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Herr Bode, das haben wir heute schon gehört! Das ist doch der alte Stand!)

Man muss bereit und offen sein, hierüber mit den Unternehmensvertretern, mit den Arbeitnehmervertretern zu sprechen. Man muss bereit sein, die Restrukturierung auf der Grundlage der Vorschläge des Betriebsrates umzusetzen. Das ist der Punkt. Wir müssen überlegen, wie wir gemeinsam Forschung, Entwicklung und Technologietransfer an diesem Standort voranbringen, und wir müssen auch die Kunden von Alstom bündeln. Es geht doch nicht nur um die LNVG, nicht nur um das Land Niedersachsen. In Deutschland haben noch ganz andere Kunden ein Interesse daran, dass Alstom hier in hoher Qualität weiter produziert, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Über allem steht die Tatsache, dass das Werk rentabel werden muss und nicht weiter Millionenverluste schreiben darf. Das liegt nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern an der Gesamtkonstruktion, wie der Konzern tatsächlich geführt wird.

Deshalb noch ein Hinweis zu der Verstaatlichungs-, der Beteiligungsforderung der Linken: Wenn wir den französischen Konzern Alstom kaufen sollen, dann würde mich interessieren, wie

Hartmut Möllring das bezahlen soll. Das ist für das Land doch gar nicht leistbar.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie sol- len sich beteiligen, Herr Bode!)

- Wenn Sie sagen, wir sollten uns am Werk Salzgitter, an dem wir ein großes Interesse haben, beteiligen und es herauskaufen, dann antworte ich Ihnen: Das ist gar nicht erforderlich. Wenn Alstom bereit wäre, sich vom Standort Salzgitter zu trennen, damit er auf eigenen Beinen stehen könnte, dann gäbe es genügend Investoren dafür.