Es gibt, meine Damen und Herren, noch eine ganze Reihe weiterer offener Fragen: Warum z. B. soll die Absichtserklärung bzw. der Hinweis darauf, dass wir möglicherweise 600 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen, das Ergebnis retten, wenn die Berücksichtigung der Umwandlung der stillen Einlagen nach wie vor unklar ist? - Außerdem haben Sie selbst den Stichtag 31.12. angeführt. Was gilt denn jetzt eigentlich? Wie sollen 600 Millionen Euro zusätzlich für einen fiktiven Test erforderlich werden, wenn man weiß - und
das ist mehrfach dargestellt worden -, dass die NORD/LB heute genauso dasteht wie nach dem Stresstest? - Materiell gibt es doch überhaupt keinen Unterschied in der Kapitalausstattung.
Auch die Frage, was eigentlich ein Durchfallen durch diesen Stresstest oder eine Nichtteilnahme an diesem Stresstest bedeutet, ist nicht geklärt. Wir kennen doch die Finanzmärkte, meine Damen und Herren. Die reagieren sehr frühzeitig. Sie preisen ein, bevor überhaupt jemand von uns etwas gemerkt hat. Herr Dunkel hat sehr stolz darauf hingewiesen, dass die ganze Diskussion - selbst die hektische Diskussion der letzten Tage - überhaupt keine Reaktionen auf den Finanzmärkten in Bezug auf die Konditionen für die NORD/LB ausgelöst hat. Warum soll das denn nicht so bleiben?
Der wichtigste Punkt ist aus meiner Sicht: Was machen eigentlich die Sparkassen? Wie kann es eigentlich sein, dass sie sich nicht zu Wort melden, dass sie in dieser Situation offensichtlich überhaupt keine Rolle spielen? Hat sich da jemand als Weißer Ritter aufgedrängt? Möchte Herr Möllring in diesem Fall gerne der große Bankenretter werden und sich im Grunde genommen von der Opposition noch die Leiter halten lassen, damit er von seinem hohen Ross vielleicht auch wieder runter kommt? - Das kann es doch nicht sein.
Völlig offen ist nach wie vor auch die Strategie, die das Land überhaupt in Bezug auf die NORD/LB verfolgt. Wir haben mehrfach nachgefragt, wie sich die Unterschiede in den Strategien der Sparkassen und des Landes eigentlich auflösen, die jeweils etwas Entgegengesetztes wollen. Ich glaube, es ist Ausfluss dieses Dissenses, dass wir heute in diese Situation geraten sind.
Alle diese Fragen müssen beantwortet werden. Was erwarten Sie denn sonst von uns, Herr Möllring? Sollen wir aufgrund Ihrer zwanzigminütigen Erklärung plötzlich alle mit dem Kopf nicken? - Das wäre sicherlich nicht seriös. Eine solche Schnellbankenrettung ist doch alles andere als das, was wir uns wünschen können.
Wir brauchen weitere Beratungen. Wir wollen mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat reden; wir wollen beide Eigentümer, den Landesrechnungshof und auch die Bundesaufsicht noch einmal hören. Mir wäre es am liebsten, wenn Sie auch noch jemanden aus London von der EBA holen würden, aber ich sehe ein, dass das vielleicht so kurzfristig etwas schwierig ist. Aber ohne eine solche weitere Aufklärung kriegen Sie von uns kein Kopfnicken für diese Aktion.
(Beifall bei den GRÜNEN - Heinz Rol- fes [CDU]: Totale Verantwortungslo- sigkeit ist das! Fachlicher Unsinn! - Weitere Zurufe von der CDU)
- Vielleicht gelingt es ja, die Gespräche in den Fraktionen etwas zu reduzieren, damit dieses wichtige Thema auch weiter die entsprechende Aufmerksamkeit findet. - Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben die Ausführungen des Finanzministers gehört und müssen uns jetzt alle gemeinsam die Frage stellen: Können wir es uns leisten, die NORD/LB in dieser Phase nicht zu unterstützen?
Luftfahrt, Landwirtschaft, erneuerbare Energien, maritime Wirtschaft und vor allem der Mittelstand - das sind die Erfolgspfeiler gerade der niedersächsischen Wirtschaft. Genau das sind auch die Schwerpunkte der Norddeutschen Landesbank. Egal ob mit oder ohne Landesbeteiligung - die NORD/LB ist ein zentraler Bestandteil der niedersächsischen Wirtschaft.
Die NORD/LB, meine Damen und Herren, arbeitet erfolgreich. Sie hat im vergangenen Jahr einen Gewinn von 263 Millionen Euro erwirtschaftet. Dennoch finden wir uns jetzt in einer extrem ungewöhnlichen Situation wieder. Die NORD/LB hat sich nicht an den Risikoexzessen der Krise beteiligt. Sie hat keine staatlichen Rettungspakete benötigt, und sie genießt bei Ratingagenturen und Kapitalgebern hohes Ansehen. Trotz allem muss sie jetzt fürchten, den erweiterten Stresstest der neuen europäischen Bankenaufsicht nicht zu bestehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist geradezu absurd, dass etwa die Hypo Real Estate, die Bayern LB oder die WestLB beim Stresstest jetzt besser dastehen. Diese Banken haben jahrelang in hoch riskanten Geschäften spekuliert und mussten dann vom Steuerzahler, von uns allen, gerettet werden. Nur die NORD/LB und die Hessische Landesbank sind ohne diese Hilfen durch die Krise gekommen. Ich nenne das Beispiel der Bayern LB: Es mussten 10 Milliarden Euro Steuergelder in diese marode Bank fließen, um sie am Ende zu retten.
Die NORD/LB hingegen erwirtschaftet nach wie vor operative Gewinne. Sie ist erfolgreich am Markt unterwegs. Trotzdem muss sie sich Sorgen wegen des Stresstests machen. Ich sage deshalb sehr deutlich: Dass andere besser dastehen, die staatliche Hilfen in Anspruch genommen haben, meine Damen und Herren, zeigt eben auch, zu welchen Verwerfungen solche Bankenrettungspakete am Ende führen können.
Grundsätzlich - das will ich für die FDP-Fraktion deutlich sagen - halten wir den europäischen Stresstest für ordnungspolitisch richtig. Er ist anspruchsvoll - sogar so anspruchsvoll, dass er über geltendes deutsches Recht hinausgeht. Die hohen finanzpolitischen Standards, die wir zu Recht alle gemeinsam bei Griechenland und Portugal anlegen, müssen natürlich auch für uns selber gelten. Dennoch, meine Damen und Herren, bemängeln wir, dass bei der EBA Äpfel gleichermaßen mit Birnen verglichen werden. Warum stille Einlagen des Bundes bei der Commerzbank anerkannt werden, die des Landes Niedersachsen bei der NORD/LB aber nicht, kann wirklich niemandem erklärt werden.
Dennoch müssen wir jetzt handeln, weil es eben auch - das will ich unterstreichen - um den Mittelstand bei uns in Niedersachsen geht. Wenn das Land in dieser Situation nicht einspringt, würden Kreditlinien vieler Mittelständer in Gefahr geraten. Niedersächsische Existenzen stehen an dieser Stelle auf dem Spiel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen für verlässliche Politik in Niedersachsen. Deswegen übernehmen wir hier Verantwortung.
Wir haben geradezu die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass Landesvermögen nicht entwertet wird. Das kennt jeder Autobesitzer: Wenn beim Auto der Kühler kaputt ist, verschrottet man eben nicht das ganze Auto. Man investiert stattdessen in die Reparatur. Wenn wir jetzt nicht handeln, meine Damen und Herren, reden wir nicht mehr nur über 600 Millionen Euro. Es geht um den Werterhalt von einem viel größeren Landesvermögen. Es geht hier aber nicht ausschließlich um Landesvermögen, sondern - wie ich vorhin gesagt habe - um unseren Mittelstand und damit auch um das Rückgrat der niedersächsischen Wirtschaft. Deshalb erwarten wir - das will ich unterstreichen; und Herr Kollege Klein, ich bin da durchaus bei Ihnen -, dass sich alle Anteilseigner engagieren. Deshalb halte ich es für notwendig, dass auch die Sparkassen zu ihrer Verantwortung in der NORD/LB stehen. Auch sie müssten sich an der Eigenkapitalerhöhung stärker als bisher beteiligen.
Deshalb erwarte ich auch, dass die bremische Landesregierung, dass das Land Bremen Verantwortung übernimmt und seine stillen Einlagen umwandelt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will aber auch sagen: Wir sollten uns jetzt nicht scheuen, auch grundsätzlicher nachzudenken. Welche Aufgaben sollen Landesbanken in Zukunft in Deutschland wahrnehmen? Kann es sinnvoll sein, die Finanzierung des Mittelstandes und die Refinanzierung der Sparkassen zu trennen? Welche Rolle kann und soll die NORD/LB dabei einnehmen? - Wir müssen uns auch auf Bundesebene aktiv in eine Aufgabenkritik der Landesbanken einbringen, meine Damen und Herren. Die stillen Einlagen - das haben wir mittlerweile gelernt - sind eine deutsche Besonderheit, eine hybride Form von Eigenkapital. Wir sollten auch überlegen, ob dieser Sonderweg langfristig tragfähig sein kann. Aus gutem Grund werden sie unter Basel III nicht mehr berücksichtigt. Über die Übergangszeit hat der Finanzminister bereits gesprochen.
Die NORD/LB leistet wichtige Beiträge bei der Schiffsfinanzierung oder etwa bei den erneuerbaren Energien. Ich glaube, es ist notwendiger denn je, diese Diskussionen zu führen. Gleichwohl werden wir uns damit beschäftigen müssen, wie sich die Geschäftsmodelle der Landesbanken, auch das Geschäftsmodell der NORD/LB, sinnvoll weiterentwickeln lassen. Diese ernste Situation wird
automatisch zu der Frage führen, ob die Überführung in ein Geschäftsbankenmodell nicht doch die bessere Alternative sein kann, meine Damen und Herren.
Ich will für meine Fraktion unterstreichen: Keinem von uns fällt es leicht, diese Entscheidung - - -
Herr Kollege, ich darf einmal kurz unterbrechen. In den hinteren Reihen der SPD-Fraktion findet ein sehr intensiver Gedankenaustausch statt. Vielleicht kann das etwas reduziert werden.
Meine Damen und Herren! Keinem von uns fällt es leicht, diese Entscheidung heute zu treffen. Umso wichtiger ist es, dass wir ein klares Ausstiegsszenario festschreiben. Wir alle hier wollen die Beteiligung des Landes an der NORD/LB so schnell wie möglich wieder zurückführen. Unser Ziel ist es, die Anteile an der NORD/LB dauerhaft - das will ich unterstreichen - zu reduzieren. Denn klar ist auch: Das, was wir jetzt hinzukaufen, muss wieder verkauft werden. Das Geld, das wir jetzt ausgeben, ist gut investiert. Die Anteile können sogar mit einem Gewinn für die Steuerzahler wieder verkauft werden. Die Regierungen in Schweden und den USA haben uns das vorgemacht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die NORD/LB ist ein wichtiger Finanzierer - das habe ich gesagt - von Industrien, die für unser Land von großer Bedeutung sind. Noch entscheidender ist, dass sie für den niedersächsischen Mittelstand ein wichtiger Kreditgeber ist. Aus diesem Grund und weil das Land Niedersachsen als wichtigster Anteilseigner Verantwortung für das Landesvermögen in der NORD/LB trägt und wir schon im eigenen Interesse dieses Vermögen nicht gefährden sollten, sind die am heutigen Tage vom Finanzminister vorgestellten Maßnahmen die richtigen.
Ich sage aber auch, meine Damen und Herren: Die NORD/LB ist keine Förderbank. Sie verhält sich am Markt wie eine Geschäftsbank. Ob deshalb der Staat an dieser Bank überhaupt beteiligt sein soll
Richtig ist: Wir müssen jetzt handeln. Wir entscheiden uns heute für das kleinere von zwei Übeln. Wenn die Heizung nun einmal kaputt ist, meine Damen und Herren, dann reißt man das Haus nicht ab, sondern man repariert zunächst einmal die Heizung.
(Hans-Henning Adler [LINKE]: Was haben Sie da gerade geredet? Das ist ja unglaublich! - Andrea Schröder- Ehlers [SPD]: Sind Sie sich einig da vorn?)
Meine Damen und Herren, es geht um den Werterhalt von Landesvermögen. Genau das ist die Verantwortung, der wir uns am heutigen Tage stellen müssen.