Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU - Stefan Schostok [SPD]: Das ist ein bisschen wenig!)

Jetzt erteile ich Herrn Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Reparaturkolonne Dürr sage ich gleich noch etwas. Ich möchte zunächst etwas zu Herrn Thümler sagen.

Herr Thümler, der Verweis auf Steinbrück ist natürlich richtig. Aber wir beide wissen, die Leitlinien der Politik bestimmt nach der Verfassung der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin. Die kam aus Ihrem Stall, wenn ich mich richtig entsinne.

(Zuruf: Was meinen Sie mit „Stall“?)

Das Zweite allerdings, was Sie gesagt haben - ein anderer Aspekt -, fand ich völlig richtig. Sie haben das natürlich etwas höflicher ausgedrückt. Aber das, was wir heute vor allem erleben - Herr Klein, das ist in der Tat, glaube ich, nicht künstlich dramatisiert -, ist, dass sich gegenwärtig durch alle Ebenen unserer parlamentarischen Demokratie die Entmündigung dieser Ebenen durchfräst. Das ist der eigentliche Skandal und das eigentliche Drama des heutigen Tages.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Denn - darauf ist hingewiesen worden - wir sollen jetzt über Nacht als Kreditermächtigung 600 Millionen Euro mobilisieren. Dieser Vorgang ist ein Skandal für sich.

Die Rede von Herrn Möllring war ja teilweise bewundernswert. Fast ein Hauch von Antikapitalismus umwehte diesen Minister.

(Heiterkeit bei der LINKEN - Beifall bei der SPD)

Aber, Herr Möllring, Sie haben eine Sache so ein bisschen ähnlich elegant wie die Vaterschaftsfrage von Frau Merkel umschifft, nämlich die Frage, wes Kind eigentlich die EBA ist. Das war am 24. November 2010, einen Monat vor Weihnachten, Europäisches Parlament. Dort haben leider nicht wir die Mehrheit. Sie allein auch nicht. Die Mehrheit im Europäischen Parlament haben die EVP, also die Christlich-Konservativen, und die Liberalen. Dieser EBA haben Sie dort zugestimmt. Wir haben das nicht gemacht.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ach, sieh mal an!)

Da kann man sich jetzt natürlich schlecht hinstellen und sagen: Das ist ja ein furchtbares Kind, das uns völlig malträtiert, so eine Art Frankenstein, der uns jetzt würgt. Aber Sie, Herr Möllring, haben den Frankenstein mitgebaut. Das darf hier nicht verschwiegen werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Frau Geuter hat natürlich völlig recht. Sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen: „Über Nacht kamen die E-Mails, und wir sind hilflos“, das verschleiert natürlich ein bisschen, dass Sie ein Jahr lang gesagt haben: „Bei der NORD/LB ist alles in Ordnung. Da kann gar nichts passieren.“ - Das ist offensichtlich so nicht.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Es ist auch alles in Ordnung!)

Ich möchte vor allen Dingen auf Herrn Klein eingehen. Herr Klein, ich glaube - Sie können mir Arroganz vorwerfen; das ist mir Pumpe -, dass Sie den Kern des Problems nicht begriffen haben.

(Oh! bei der SPD)

Denn Sie haben in Ihrem Beitrag überwiegend alle Banken und alle Finanzdienstleister über einen

Kamm geschoren. Das ist aber nicht der Kern des Problems. Der Kern des Problems ist vielmehr aus unserer Sicht - in aller Demut -, dass dieses ein weiterer Akt in einem schon seit ungefähr 20 Jahren laufenden größeren Drama ist.

Das größere Drama heißt: Die Privatbanken in Deutschland wollen das Sparkassen- und Genossenschaftswesen in Deutschland an den Rand drängen und möglichst eliminieren. Das ist das, was seit 20 Jahren läuft.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wissen: Das funktioniert auf der Marktebene nicht. Da sind sie nämlich schlicht und ergreifend schlechter. Aber sie wollen das machen, weil die Margen in diesem Geschäft bei den Privatbanken in England und in Frankreich viel höher sind als in Deutschland. Also müssen sie die Sparkassen, die dieses Geschäft zusammen mit den Genossenschaftsbanken machen, die mit geringen Margen operieren, weil sie nämlich nicht profitorientiert sind, weil sie nur ein Schnapsglas über der schwarzen Null produzieren müssen, wegdrängen.

Damit kommen sie auf dem Markt nicht voran. Sie kommen auf der deutschen Ebene nicht voran, weil es kein deutsches Parlament geben wird, das ihnen helfen wird, die Sparkassen platt zu machen. Deshalb spielen sie über Bande, nämlich auf europäischer Ebene, und organisieren mithilfe ihrer Kumpane, Herr Möllring, auf europäischer Ebene gesetzliche, scheingesetzliche, übergesetzliche und administrative Zwangsmittel, um die Sparkassen kleinzumalmen. Dieser Stresstest ist ein Element. Er zielt, wie Herr Möllring richtig gesagt hat, auf die Landesbanken und über die Landesbanken, weil sie für das Gesamtsystem der Sparkassen wichtig sind, auf die dahinter stehenden Sparkassen. Das ist der Kern dessen, was hier abläuft, Herr Klein.

(Beifall bei der LINKEN)

Dagegen werden wir, die Linken, uns mit allem, was wir haben, wehren. Ich bin Herrn Dürr für seinen Beitrag sehr dankbar, weil er deutlich macht, wo der Gegner der Sparkassen steht. Der Gegner der Sparkassen steht bei der FDP. Das sind die Lobbyisten der Großbanken und die entschiedenen Gegner unserer heimischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN und bei der SPD - Zuruf von der FDP: Un- sinn ist das!)

Das, was Herr Möllring hier ausgeführt hat, hat etwas deutlich gemacht, und zwar deutlich wie selten in diesem Parlament, nämlich dass unsere parlamentarische Demokratie im Moment von einer Diktatur der Finanzhaie bedroht wird. Diese Diktatur der Finanzhaie

(Heiner Schönecke [CDU]: Wir sind hier im Landtag!)

spielt sich über solche Instrumente ab, die dazu führen, dass diese Institutionen sagen: Pass mal auf, liebes Parlament, viel Zeit zur Beratung haben wir nicht mehr. Wir brauchen eben mal 600 Millionen von euch.

Dann soll dieses Parlament entscheiden: Wir sind dafür. - Mehrere haben das gesagt: Das beraten wir in aller Ruhe im Haushaltsausschuss. Dann entscheiden wir in den Fraktionen, ob wir heute Abend, heute Nacht oder morgen weiter beraten. Ich bin dafür, dass sich dieses Parlament von E-Mails in seiner Zeitplanung nicht so unter Druck setzen lässt, dass es sagt: Hopp oder top. Ich weiß zwar nicht, worüber ich abstimme, aber die 600 Millionen schieben wir mal rüber. - Dafür sind wir entschieden nicht. Die Würde dieses Parlaments muss auch in dieser Frage verteidigt werden, auch wenn es uns vielleicht eine Nachtschicht kostet.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Das, was hier läuft, ist ja ein Spiel. Deshalb noch einmal an Herr Klein: Die Forderung, dass jetzt auch die Sparkassen ranmüssen, ist doch Teil dieses Spiels. Die sagen: Pass auf! Die Kernkapitalquote muss erhöht werden. Wir erkennen im Gegensatz zu dem, was die Commerzbank bekommen hat, bei den öffentlichen Sparkassen die dauerhaften Perpetuals nicht als Kernkapital an.

Das ist der Kern dieser Stresstest-Manipulation. Ich finde, es ist eine Stresstest-Manipulation. Dann sagen diese smarten Leute in London - ich bin dafür, dass wir jemanden von denen einfliegen; die Flieger gehen wirklich stündlich; einer von den 40 wird ja wohl Zeit für uns haben, wenn sie 600 Millionen haben wollen -, weil sie das Spiel beherrschen, Herr Klein, Folgendes: Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder die Sparkassen zocken rüber - beim Doppelkopf heißt das: da sehen wir Blut -,

(Heiterkeit)

oder aber das Land schiebt das Geld zur Sicherung des Kernkapitals rüber.

Dann, Herr Möllring, ist der nächste Zug in diesem Spiel doch klar wie Kloßbrühe! Nachdem wir unsere Anteile auf 60 % aufgestockt haben, wird der nächste Zug eine Klage wegen Verstoßes gegen europäisches Wettbewerbsrecht sein, weil die NORD/LB dann dermaßen Staatsbank geworden ist, dass sie gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstößt. Das wird der nächste Zug dieser Gruppe sein. Das ist doch für jeden hier im Hause klar wie Kloßbrühe. Deshalb ist es eine Illusion zu glauben - was sich bei den Reden von Herrn Thümler und Herrn Dürr ein bisschen angedeutet hat -, dass wir das jetzt machen müssten, und dann sei es ja gut und dann würden wir uns davon wieder erholen. Das ist doch alles Unsinn. Da ist gar nichts gut.

(Jens Nacke [CDU]: Soll ich Ihnen mal sagen, was alles Unsinn ist, Herr Dr. Sohn?)

Es ist vielmehr völlig klar, dass danach der nächste Zug kommt und überhaupt noch nicht Ruhe ist. Diese Finanzhaie werden mithilfe der FDP erst dann Ruhe geben, wenn die letzte kleine Sparkasse in Niedersachsen plattgeschrabbelt ist. Das ist Ihr Ziel. Ihr Ziel ist nicht die Landesbank. Ihr Ziel sind die kleinen Sparkassen vor Ort, in unseren Städten und Dörfern. Die wollen sie um jeden Preis kaputtmachen. Das, was wir heute erleben, ist ein Teil dieses Manövers.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD - Lachen bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: Das ist Blödsinn!)

Wir müssen uns meines Erachtens um der Würde dieses Parlaments und der Würde der Niedersachsen und um der finanziellen Stabilität in unseren Städten und Dörfern willen gegen diese Versuche, unsere Sparkassen kaputtzumachen, mit allem, was wir haben, wehren.

(Jens Nacke [CDU]: Sie sind ja ein Ver- schwörungstheoretiker, Herr Dr. Sohn! Das wusste ich ja gar nicht!)

Insofern stehen wir fest auf der Seite der NORD/LB. Ob wir auf der Seite dieser Landesregierung und deren Maßnahmen stehen, überlegen wir uns über Mittag und notfalls auch über Nacht in aller Ruhe.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt Herrn Kollegen Wenzel das Wort. Die Restredezeit für die Fraktion beträgt drei Minuten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, es würde dem Thema gut tun, wenn man darüber nicht nur drei oder zehn Minuten spräche. Heute steht eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme für das Land Niedersachsen um 600 Millionen Euro zur Diskussion. Das ist neben der Umwandlung der stillen Einlagen der Vorschlag des Finanzministers. Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass der Haushaltsausschuss in der Mittagspause zusammenkommt. Wir legen Wert darauf, dass auch die Personen, die wir benannt haben, dort befragt werden können.

Die NORD/LB hat in der Krise bisher keine staatlichen Hilfen benötigt; das ist positiv herauszustellen. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklung bei der Sachsen LB, der Bayerischen Landesbank, der HSH Nordbank oder auch bei der WestLB eine wichtige Feststellung. Die Sparkassen sind neben dem Land ein zentraler Anker und Eigentümer der NORD/LB. Deshalb werden wir alle Versuche abwehren, die den Sparkassensektor und den öffentlich-rechtlichen Bankensektor grundsätzlich infrage stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gleichwohl hat es auch hier Fehlentwicklungen gegeben, die gravierend sind und die man benennen muss. Sie wiegen umso schwerer, als damit der ganze Sektor in Misskredit gebracht wurde. Umso wichtiger ist jetzt eine seriöse und solide Arbeit bei der Norddeutschen Landesbank, meine Damen und Herren. Ein Anstieg der Refinanzierungskosten der Bank muss in jedem Fall vermieden werden. Aber vor dem Hintergrund der Stellungnahme des Finanzministers bleiben einige wichtige Fragen offen, die zu klären sind, bevor der Landtag entscheidet. Sie haben auch hier im Plenum auf die Fragen meines Kollegen Hans-Jürgen Klein bisher nicht reagiert und geantwortet. Haben alle Fehler gemacht, nur Herr Möllring nicht? - Das spricht gegen jede Lebenserfahrung, meine Damen und Herren.