Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Wer?)

Frau König, überlegen Sie einmal: Warum sind Sie heute bei 3 % oder weniger? Warum fliegen Sie hochkant aus den Parlamenten? - Klientelpolitik, Privatisierung, Entsolidarisierung! Bei dieser Politik sind 3 % noch fürstlich. Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir waren über das Rüffert-Urteil gar nicht glücklich. Aber wir haben uns der Sache gestellt, und wir haben nach Lösungsansätzen gesucht, wie wir schnellstmöglich wieder zu Regelungen kommen, die einerseits unsere Zielsetzungen für einen fairen Wettbewerb berücksichtigen und andererseits

mit den europäischen Rechtsnormen im Einklang stehen.

Auch andere Bundesländer haben sich an die Arbeit gemacht, z. B. Rheinland-Pfalz, Bremen, Berlin. Überall dort, wo Sie nichts zu melden haben, sind gute gesetzliche Regelungen entstanden, die mit europäischen Leitsätzen im Einklang stehen.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen darf nicht abgekoppelt werden. Wir wollen nicht Schlusslicht sein. Ganz im Gegenteil, wir wollen Vorreiter für Chancengleichheit im Wettbewerb sein. Darum beraten wir heute dieses Gesetz.

Wir freuen uns, Ihnen heute mit unserem Gesetzentwurf eine EU-rechtskonforme Lösung anzubieten, die fachkundige, leistungsstarke und gesetzestreue Unternehmen begünstigt. Denn das war ja das Ziel dieses Gesetzes.

Meine Damen und Herren, wir haben in das Gesetz auch die Vergaben im ÖPNV und im SPNV aufgenommen. Dazu sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass ca. 60 bis 70 % der Kosten ausschließlich auf Personalkosten entfallen. Daraus dürfen Sie schlussfolgern, dass der Wettbewerb und die Preisfindung bisher maßgeblich über die Personalkosten stattgefunden haben. Das bedeutet im Klartext folgende Formel: Wer Tarife eingehalten hat, hatte das Nachsehen, und wer den Mondscheintarif - also nicht korrekt - gezahlt hat, war klar im Vorteil und bekam den Auftrag. Genau das wollen wir zukünftig ändern. Das muss aufhören.

(Beifall bei der SPD)

Sie, meine Damen und Herren von der NochRegierungskoalition, haben die Einbeziehung dieser Bereiche in der Vergangenheit immer strikt abgelehnt und sie sogar aus dem alten Gesetz herausgestrichen. Dafür gibt es aber gar keinen vernünftigen Grund. Denn Lohndumping findet längst nicht mehr nur im Baugewerbe statt, sondern immer häufiger auch in anderen Branchen. Darum sind Vergaben von Dienstleistungen ebenso von Bedeutung. Denn auch hier gilt es, den Tarifvertrag mit einer anständigen Gewerkschaft und vor allem mit einem repräsentativen Tarif einzuhalten.

Wir haben im Landesvergabegesetz ein Mindestentgelt in Höhe von 8,50 Euro je Stunde festgeschrieben, welches bereits bei der Angebotsabgabe durch den Auftragnehmer schriftlich zu bestätigen ist. Wir haben da eine untere Schwelle einge

zogen, die jährlich überprüft wird und auch angeglichen werden kann.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Wer bietet mehr?)

Auch die Bestimmungen des Entsendegesetzes werden in der jeweils gültigen Fassung vom Gesetz erfasst. Somit sind auch die tariflichen Mindestlöhne der betroffenen Branchen erfasst. Auch das war uns wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort „Mittelstandsförderung“ sagt Ihnen vielleicht nicht so viel. Aktuell kann man überall nachlesen: Wirtschaftsförderung findet bei Ihnen nach Gutdünken statt - oder nach ganz anderen Kriterien; das werden wir herausfinden. - Aber uns ist die Mittelstandsförderung wichtig. Darum wollen wir kleine und mittelständische Unternehmen bei der Vergabe von Leistungen ausdrücklich berücksichtigt wissen.

Ebenso lassen wir Umweltaspekte nicht außer Acht. Umweltfreundliche Technologien sind im Schienenpersonennahverkehr ebenso erwünscht wie die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen.

Bei Generalunternehmen, die Subunternehmen beauftragen, bleibt es bezüglich der Durchgriffshaftung bei Verstößen so, wie es bereits im bisherigen Gesetz geregelt war: Der Generalunternehmer haftet für alle Nachunternehmer. - Diesen Grundsatz wollen wir beibehalten; denn er ist gut und praktisch.

Meine Damen und Herren, wir wollen keinen Unterbietungswettbewerb in Europa zulassen. Darum sind wir an dieser Stelle knallhart. Wir stehen ausdrücklich zur Dienstleistungsfreiheit. Aber wer den gemeinsamen Markt erhalten will, der muss auch für faire Spielregeln am Markt eintreten. Sonst wird man unglaubwürdig, und dann fliegt man raus wie die FDP.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, eine sehr wichtige Änderung haben wir mit dem sogenannten Schwellenwert vorgenommen, indem wir ihn von bisher 30 000 Euro auf nunmehr 10 000 Euro abgesenkt haben - - -

Herr Kollege Schminke, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hoppenbrock?

Im Moment nicht. - - - weil sich ein Großteil der Vergaben deutlich unterhalb von 30 000 Euro bewegte und weil wir kein Verständnis dafür aufbringen, einen Großteil der Vergaben außerhalb aller Spielregeln durchzuführen.

Meine Damen und Herren, das Vergabegesetz bringt Ordnung und Sicherheit in den Wettbewerb. Das Gesetz sichert Einkommen in der Arbeitnehmerschaft. Durch höhere Steuereinnahmen und durch Einsparung von Transferleistungen in geschätzter Höhe von 7 Milliarden Euro profitiert auch der Staat, wenn wir das umsetzen. Das Gesetz bedeutet eine deutliche Verbesserung. Wir Sozialdemokraten legen damit bereits heute die Grundlage für 2013.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Leider vergebens!)

Denn dann sind wir dran, Herr Hoppenbrock. Dann regieren wir dieses Land, und alles wird gut.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Träum weiter!)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Frau Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion wirbt faktisch seit ihrem Einzug in den 16. Niedersächsischen Landtag konsequent für eine Novellierung des Landesvergabegesetzes.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gültige Landesvergabegesetz trägt eindeutig eine schwarz-gelbe Handschrift. Es wird den ökonomischen und sozialpolitischen Notwendigkeiten, aber auch den ökologischen Erfordernissen überhaupt nicht gerecht. Das Gesetz bleibt auf Bauaufträge beschränkt und lässt Aufträge über Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs auf Straße und Schiene in unzulässiger Weise außen vor.

Die Linksfraktion setzte und setzt sich daher vehement dafür ein, dass öffentliche Auftraggeber zwischen Nordsee und Harz Aufträge nur an Unternehmen vergeben dürfen, die - ich zähle es auf - ihren Beschäftigten einen gesetzlich veran

kerten Mindestlohn zahlen, sich tariftreu verhalten, sich der Heranbildung von Berufsnachwuchs verpflichtet fühlen, sich an sozialen und Umweltschutzstandards ausrichten und Kinderarbeit nach den verbindlichen Normen der Internationalen Arbeitsorganisation ausdrücklich ausschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unter den Geltungsbereich des novellierten Landesvergabegesetzes sollen nach unserem Ermessen Unternehmen und Nachunternehmen ab einem geschätzten Auftragswert von 10 000 Euro fallen.

Ganz in diesem Sinne hatten wir gleich zu Beginn der Wahlperiode, im April 2008, einen Gesetzentwurf zur Verankerung eines gesetzlichen Mindestlohns in den Landtag eingebracht. Eine weitere Novelle zum Landesvergabegesetz hat die Linksfraktion im Juni 2010, also vor knapp einem Jahr, vorgelegt. In diesen Gesetzentwurf war vor allem die zwischenzeitlich erfolgte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gründlich eingearbeitet worden. Unseren beiden Anträgen wurde aber weder von den Regierungsfraktionen noch von den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt.

Nun hat die SPD-Fraktion heute eine eigene Novelle zum Landesvergabegesetz eingebracht. Diese Novelle unterstützen wir. Aber diese Unterstützung, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt auch auf der Hand. Alle von mir genannten Grunderfordernisse - von der Tariftreue über soziale und ökologische Standards bis hin zur Verankerung eines Mindestlohns - sind im SPDGesetzentwurf - genau, wie wir es schon vor einem Jahr vorgeschlagen haben - berücksichtigt worden.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Abgeschrieben!)

Das Paradoxe dabei ist aber, dass sich die SPDFraktion zu unserem im Grunde - ich sagte es gerade - wortgleichen Entwurf in der Abstimmung am 9. November 2010 enthalten hat, jetzt aber, sieben Monate danach, einen ebensolchen Gesetzentwurf einbringt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollege Schminke hatte damals für die SPD-Fraktion erklärt, dass die Zielsetzungen unserer Gesetzesvorlage in weiten Teilen unterstützenswert sei

en. Danach sagte Kollege Schminke wörtlich aber auch dieses - ich zitiere -:

„Jedoch bestehen Sie darauf, die Forderungen nach einem Mindestlohn im Vergabegesetz zu verankern. Und genau an dieser Stelle müssen wir Ihnen aus rein rechtlichen Gründen, die Gefolgschaft verweigern, meine Damen und Herren von der Linken. Sie missachten die Warnungen aller Rechtsexperten.“

(Ronald Schminke [SPD]: Das war auch richtig! So, wie Sie es formuliert hatten, war es nicht möglich!)

Laut gebrüllt, Kollege Schminke, genau wie heute!

Natürlich hatten wir im vorigen Jahr die rechtliche Situation gründlich prüfen lassen und viele Rechtsgutachten ausgewertet. Das Fazit unserer Prüfung schon damals: Der Festlegung einer Mindestlohnverpflichtung für Unternehmen im Landesvergabegesetz stehen keine europäischen Hindernisse entgegen. - Wir haben es prüfen lassen, Rechtsgutachten haben das belegt. Das Niedersächsische Landesvergabegesetz soll daher zwingend einen gesetzlichen Mindestlohn erhalten - damals unsere Forderung und wird auch unsere Forderung bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das soll - der Kollege Schminke hat es eben gesagt - unter den Bedingungen der ab 1. Mai wirkenden Arbeitnehmerfreizügigkeit gelten. Damit wollen wir Hunger- und Dumpinglöhnen gerade bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen den Garaus machen.

(Beifall bei der LINKEN)