Abschiebungen in das Kosovo sind angesichts des dort herrschenden patriarchalischen Systems insbesondere für Frauen - hier im besonderen Kontext des schlechten Gesundheitszustandes von Frau Ernst und Frau Saiti - unzumutbar, gefährlich und laufen auf menschliche Katastrophen hinaus.
Genau so hat es der Menschenrechtskommissar der Europäischen Kommission, Thomas Hammarberg, sehr eindeutig bestätigt. Da die beiden Frauen weder in Serbien noch im Kosovo allein überleben können, würde der Sohn ihnen in seinem völlig verständlichen Gefühl des Respekts und der Würdigung seiner Mutter und Großmutter im Falle einer Abschiebung folgen. Ihn würde dabei das gleiche prekäre Schicksal aus absehbarem Elend und Perspektivlosigkeit treffen.
All diese Zusammenhänge und Gründe wurden in einem Antrag an die Härtefallkommission des Landes Niedersachsen dargestellt. Zur Antragstellung wurden die Unterstützerinnen durch Vertreter des Landkreises Rotenburg nach Rücksprache mit dem Innenministerium in Hannover ausdrücklich ermutigt. Das allerdings, was wir seitdem in den vergangenen Monaten erleben mussten, ist eine unsägliche Auseinandersetzung um einen klassischen Härtefall, der einer formaljuristischen Betrachtung zum Opfer fällt. Denn es handelt sich um einen Fall, der inhaltlich dem Prüfauftrag der Härtefallkommission genau entspricht.
Genau für diese Fälle gibt es die Härtefallkommission. Die individuellen Gründe sind umfassend dargelegt worden. Eine Behandlung dort ist nicht möglich, weil der Landkreis Rotenburg bereits einen Abschiebetermin festgelegt habe, der durch
das Kirchenasyl lediglich vereitelt werde. Die seinerzeit geplante Abschiebung sei vonseiten des Landkreises lediglich storniert, nicht aber aufgehoben worden. Tatsächlich haben wir es mit einem Abschiebetermin zu tun, den es gar nicht gibt.
Mit dieser grundlegenden Frage, ob ein bereits feststehender Abschiebetermin, eine Abschiebung, die de facto nicht stattgefunden hat und für die es gegenwärtig keinen neuen Termin gibt, einen Hinderungsgrund für eine Befassung der Härtefallkommission darstellt,
habe ich mich bereits im August letzten Jahres an den GBD gewandt. Er hat unsere Auffassung bestätigt.
Demnach wäre die Härtefalleingabe von der Kommission anzunehmen. Doch das Innenministerium verfertigte daraufhin ein Gegengutachten - - -
- - - und stellte wiederum auf die Vereitelung der Abschiebung durch das Kirchenasyl ab. - Ich komme zum Schluss.
Ich lege an dieser Stelle großen Wert auf die Feststellung, dass das Kirchenasyl in Rotenburg keine Vereitelung staatlichen Handelns ist.
Frau Kollegin Twesten, Ihre Redezeit ist schon überschritten. Jetzt habe ich Ihnen das Mikrofon abgestellt. - Zur selben Petition spricht jetzt Frau Kollegin Leuschner von der SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau Twesten, hat den Sachverhalt und die Lage der beiden Damen, Frau Saiti und ihrer Tochter Frau Ernst, sehr ausführlich geschildert. Das sind wirklich zwei sehr tragische Einzelschicksale. Die beiden Frauen sind in einer nicht sehr guten gesundheitlichen Verfassung. Sie befinden sich seit Monaten im Kirchenasyl. Der Sohn bzw. der Enkelsohn hat eine Aufenthaltsgenehmigung. Er würde, wenn sie abgeschoben würden, mitgehen, um seine Mutter und seine Großmutter zu unterstützen. Der Sohn bzw. Enkel ist hier sehr gut integriert.
Die SPD-Fraktion hat in den vergangenen Monaten sehr viele Anstrengungen unternommen, um die Härtefallkommissionsverordnung gerade an dem von Frau Twesten beschriebenen Punkt zu verändern. Das ist uns leider nicht gelungen. Das ist, denke ich, ein Skandal.
Sie haben auf den Bericht des EU-Kommissars Hammarberg hingewiesen. Mittlerweile gibt es eine neuere Stellungnahme von 2010, in der von der EU-Kommission auf die Situation der Roma im Kosovo hingewiesen wird. Klar ist, dass sie in der Regel arbeitslos sind. Das hat nichts mit ihren geringen Qualifikationen zu tun, sondern sie kriegen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, weil im Kosovo nach wie vor eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Sie werden als ethnische Minderheit einem hohen Druck ausgesetzt, der zu Diskriminierung und Übergriffen führt, obwohl sich das Kosovo aufgrund der Verfassung zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hat. Das trifft aber in der Regel in der Praxis nicht zu. Das ist sehr bedauerlich.
Ich hatte die Möglichkeit, mit Herrn Innenminister Schünemann 2005 für drei Tage im Kosovo zu sein. Diese Reise hat mich sehr beeindruckt. Sicherlich hat sich vieles verbessert. Aber ich glaube, dass die Situation der Roma im Kosovo nach wie vor sehr prekär ist. Wir müssen die Situation ernst nehmen. Deswegen sind wir für „Berücksichtigung“.
Danke schön, Frau Kollegin Leuschner. - Ebenfalls zu dieser Petition spricht Frau Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE. Bitte!
Danke, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Ich unterstreiche das, was die beiden Vorrednerinnen gesagt haben, und möchte es ergänzen.
Herr Schünemann hat in diesem Fall, glaube ich, mit Humanität nicht wirklich etwas am Hut. Er hat mit dem Erlass vom 5. Mai 2011 kraft seiner Autorität darauf hingewiesen, dass Menschen in den Kosovo ruhig abgeschoben werden können und sollen. Wenn es sein muss, können Flüchtlinge auch in ihnen komplett unbekannte Länder wie Serbien abgeschoben werden. Das zeigt auch ein neuerlicher Fall, der ähnlich wie der Fall der beiden Frauen gelagert ist.
Es handelt sich um einen jungen Mann, der seit 20 Jahren in Delmenhorst lebt, behindert ist und seine ganze Familie dort hat. Er soll konkret am 31. Mai 2011 nach Serbien abgeschoben werden, obwohl er von dort gar nicht herkommt.
Meine Damen und Herren, in all diesen Fällen wird deutlich, dass die Ausländerbehörden offensichtlich angehalten werden, Beweise zu sammeln, um belegen zu können, dass Flüchtlinge offenbar nicht integriert sind.
Menschenrechtsorganisationen haben mit zahlreichen Beweisen belegt, dass eine Abschiebung in den Kosovo Elend und Verfolgung bedeutet. Das haben meine Vorrednerinnen bereits betont, und das kann ich an dieser Stelle ganz besonders unterstreichen.
Herr Dinkla sieht das anders. Er hat eine Reise für die Abgeordneten in den Kosovo empfohlen, um einmal zu gucken, was dort eigentlich los ist.
Ich empfehle, keine einzige Abschiebung mehr dorthin vorzunehmen, bevor diese Reise nicht stattgefunden hat und wir als Abgeordnete beurteilen können, was dort eigentlich los ist.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann natürlich einige Dinge menschlich nachvollziehen. Aber wenn wir uns auf das Parkett begeben, nicht mehr nach Recht und Gesetz zu entscheiden, dann gehen wir in Richtung Willkür.
Nach dem Gesetz gibt es bei Kriseninterventionen den Abschiebestopp als ein wichtiges Instrument. Aber in diesem Fall, bei der Republik Kosovo - ich habe mich gestern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch einmal erkundigt -, handelt es sich um einen anerkannten Staat.
Die Republik Kosovo ist dabei, eine multiethnische Gesellschaft aufzubauen, und hat schon viele Erfolge gerade in dieser Richtung errungen. Das wurde mir gestern noch einmal deutlich gemacht. Deshalb kann ich das nicht nachvollziehen, was meine Vorrednerinnen hier vorgetragen haben.
Es gibt mittlerweile viele Dinge: Wir haben seit 2006 eine Bleiberechtsregelung und die gesetzliche Altfallregelung. In diesem Fall konnte das aber nicht zur Anwendung kommen, weil eben wesentliche Voraussetzungen gefehlt haben. Das muss man klar erkennen. Die Betroffenen wissen seit Jahren, dass sie zur Ausreise verpflichtet sind.
Deshalb kann ich nur die Ausschussempfehlung noch einmal bekannt geben. Ich denke - ich habe es schon gesagt -, wir müssen uns auch in diesem Fall nach Recht und Gesetz bewegen. Sonst wäre es willkürliches Handeln. Die Empfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport lautet, auf „Sach- und Rechtslage“ zu entscheiden. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Das ist geltendes Recht.
(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das besagt auch nichts! Härtefallregelungen entspre- chen doch auch Recht und Gesetz! - Zuruf von den GRÜNEN)
Herzlichen Dank. - Frau Kollegin Polat, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Redezeit schon überschritten.