Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Weiterhin ist es illusorisch, zu glauben - das war auch nie unsere Position -, dass man beim Internetspiel völlig ohne Werbung auskommen kann. Natürlich wird dort in veränderter Form geworben,

natürlich unter Hinweis auf die Risiken der Spielsucht. Natürlich wird auch jetzt schon Geld für die Spielsuchtprävention bereitgestellt. Natürlich wollen wir, dass die Dinge im Bereich der Spielotheken und des Automatenspiels mit in den Blick genommen werden.

Die Frage aber ist, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann. Aber nicht mit Ihrer Position, mit der Sie isoliert dastehen, sondern Sie erreichen so etwas nur, wenn Sie für Ihre Ziele auch Verbündete finden. Wenn Sie das in Deutschland nicht einigermaßen einheitlich über einen Staatsvertrag regeln, dann werden die Menschen dort spielen, wo es höhere Ausschüttungsquoten gibt. Dann werden die Menschen dort spielen, wo sie sich vom Spiel mehr versprechen, wodurch das Risiko erhöht wird, aber nicht dort, wo man das Spiel kanalisiert.

Das müssen Sie sich merken; denn sonst kommen Sie in dieser Frage nicht zu einem Ergebnis. Dazu brauche ich an den Ausschussberatungen nicht teilgenommen zu haben, sondern man weiß auch so, wie die Diskussion läuft, wenn man sich mit diesem Sachverhalt beschäftigt. Sie scheinen in der ganzen Ausschussberatung gar nichts dazugelernt zu haben. Sonst würden Sie solch eine Position heute nicht vertreten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich erteile Herrn Dürr für die FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nicht geneigt, von historischen Stunden im Parlament zu reden, aber ich muss fairerweise sagen: Das, was der Kollege Adler hier vorgetragen, war in fast allen Punkten nichts als die Wahrheit. Das war völlig richtig. Das war 100-prozentig. Das lag genau auf unserer Linie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der FDP und bei den LINKEN)

Ich will an dieser Stelle auch das, was Herr Limburg und Herr Briese hier gesagt haben, anhand Ihres Antrages, den Sie in den Ausschussberatungen ja nicht geändert haben, noch einmal unterstreichen.

Der Kollege Briese hat gerade hier gestanden und davon gesprochen - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen -, dass das Internet eine neue Kommunikationsplattform ist. Herr Kollege Briese, das Internet gibt es inzwischen seit fast zwei Jahrzehnten. Ich weiß nicht, wo die Grünen in den letzten zwei Jahrzehnten gewesen sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Es wird aber noch besser: Wir haben den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2873, über den das Hohe Haus heute entscheiden soll. Es geht um das Thema Glücksspielstaatsvertrag. Es geht aber eigentlich um das Thema Internet. Das Wort „Internet“ taucht in dem ganzen Antrag jedoch nicht ein einziges Mal auf. Das beweist geradezu, dass die Grünen mittlerweile mehr als realitätsfern sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will Ihnen Folgendes sagen: Es gibt Parteifreunde von Ihnen, die viel weiter als Sie sind. Die Landesregierung in Bremen beispielsweise, die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und dem Saarland - dort regieren die Grünen ja auch mit - haben dem derzeitigen Entwurf, über den man vortrefflich streiten kann in Bezug auf das, was die Ministerpräsidenten auf den Weg gebracht haben - keine Frage -, immerhin zugestimmt. Sie aber kritisieren das hier. Auch der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper - ich habe mit ihm gemeinsam Anhörungen gemacht -, ist in der Hinsicht voll auf unserer Linie. Insofern ist das mehr als realitätsfern. Das, was Sie hier heute dem Hohen Hause präsentieren, ist geradezu realitätsverweigernd!

Fakt ist, dass wir zurzeit einen europarechts- und eigentlich auch verfassungswidrigen Zustand haben. Der Europäische Gerichtshof hat am 8. September 2010 eindeutig gesagt: Das Monopol, wie es im alten Glücksspielstaatsvertrag geregelt ist, kann so nicht mehr gerechtfertigt werden.

Das Lottomonopol - das haben hier alle Rednerinnen und Redner unterstrichen - wollen wir alle gemeinsam erhalten. Das Lottomonopol - auch das müssen die Kritiker begreifen - kann aber nur sinnvoll erhalten werden, wenn man sich für eine Marktöffnung entscheidet. Wer die Realität nicht anerkennt, ist schlicht und einfach von gestern!

(Beifall bei der FDP)

Wir haben in den vergangenen Jahren - auch das können Sie nicht negieren - allein in Niedersachsen über 100 Millionen Euro an Lottoeinnahmen verloren. Das sind Gelder, die nicht mehr dem Breitensport in Niedersachsen zur Verfügung stehen. Ich füge hinzu: Das sind auch Gelder, die der Wohlfahrtspflege und den Sozialverbänden in Niedersachsen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Ich möchte inhaltlich noch auf einen zweiten Punkt eingehen, bei dem mich die Grünen, ehrlich gesagt, mehr als überraschen. Ich hatte mal das eigentümliche Gefühl, dass die Grünen auch so etwas wie Bürgerrechte in ihrer Programmatik hatten. Das Thema Netzsperren, was automatisch mit einem Totalverbot einhergeht,

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

spielt weder in Ihren Reden noch in diesem Entschließungsantrag irgendeine Rolle. Fakt ist - das können wir mit dem heutigen Tage feststellen -: Die Bürgerrechtspartei Grüne hat sich endgültig erledigt, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von den GRÜNEN)

Ich möchte zum Schluss nur sagen: Mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz liegt etwas auf dem Tisch, worüber man sehr wohl diskutieren soll und auch diskutieren muss. Das liegt zurzeit auch in Brüssel. Die Mitglieder der Kommission sind derzeit dabei, ein Notifizierungsverfahren für diesen neuen Glücksspielstaatsvertrag durchzuführen. Wir müssen das abwarten und uns das Ergebnis genau angucken. Unter Umständen muss gegebenenfalls nachgesteuert werden.

Es fällt einem Liberalen schon fast schwer, es zu sagen, aber ich möchte es dennoch unterstreichen:

Die derzeitige vollkommen unregulierte Situation im Glücksspielmarkt ist eigentlich eine komplette Liberalisierung. Denn niemand regelt irgendetwas, es wird nichts besteuert, und niemand achtet auf den Spielerschutz.

Das, wofür Liberale hier eintreten - und zu meiner Überraschung auch die Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei -, ist, endlich eine Regulierung des Marktes hinzubekommen: Wir wollen eine vernünftige Besteuerung des Marktes, wir wollen den Schwarz- und Graumarkt eindämmen zum Wohle der Einnahmen für den Wohlfahrtsbereich, zum Wohle der Einnahmen für den Breitensport und vor

allen Dingen für den Spielerschutz in Niedersachsen und in Deutschland.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Jüttner von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Adler, ich finde den Antrag der Grünen nicht in allen Punkten gelungen, aber das Problem ist nicht der Antrag der Grünen, sondern das, was morgen und in den nächsten Wochen für den Staatsvertrag beschlossen werden soll. Das wird für Niedersachsen und für Deutschland vernichtend sein. - Das war die erste Vorbemerkung.

(Beifall bei der SPD)

Die zweite Vorbemerkung lautet: Der Ministerpräsident ist entschuldigt. Das wissen wir. Der zuständige Innenminister hat seinen Regierungsplatz verlassen. Wissen Sie warum? - Er kann diese Debatte, vor allem die Position der FDP, nicht aushalten. Das ist die Situation.

(Beifall bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: So ist es! - Björn Thümler [CDU]: Er hat hier die ganze Zeit ge- sessen!)

- Ja, er ist weggegangen. Ich glaube, er ist hinausgegangen, während Sie geredet haben, weil er weiß, dass es falsch ist, was die FDP da bringt.

Meine Damen und Herren, was ist denn der Ausgangspunkt? - Wir haben hier in der letzten Wahlperiode auf Druck der FDP einen Mehrheitsbeschluss erlebt, die Spielbanken in Niedersachsen zu privatisieren. Die Begründung war: Wir wollen mehr Geld aus dem Bereich für den Landeshaushalt bekommen. Deshalb hat man die Braut angehübscht und die Abgaben für den privaten Betreiber gesenkt. - Was war das Ergebnis dieser Veranstaltung, Herr Dürr? - Ein dramatischer Einbruch bei den Einnahmen des Landes durch die Spielbanken.

(Christian Dürr [FDP]: Aufgrund des Staatsvertrages!)

Das sind die Konsequenzen von Privatisierungspolitik der FDP!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Dilemma des Jahres 2011 ist, dass diese FDP leider immer noch in mehreren Landesregierungen vertreten ist. Herr Hilbers hat natürlich recht: Staatsverträge setzen voraus, dass man sich verständigt. Auch der noch so kleinste Partner hat Gelegenheit, hier Druck auszuüben. Und das hat die FDP in Niedersachsen und andernorts gemacht. Die FDP in Deutschland zwingt der Volkspartei CDU einen Staatsvertrag auf, der rechtswidrig ist und der dazu führen wird - das ist meine Prognose -, dass in wenigen Jahren das Lottomonopol erledigt sein wird. Herr Schünemann teilt meine Einschätzung. Das haben wir hier von ihm gehört.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn es ist vollkommen klar: Wer die Spielsucht bekämpfen will, gleichzeitig aber an anderen Stellen die Öffnung organisiert, macht das Ding nicht gerichtsfest. Das ist eindeutig, meine Damen und Herren.

Herr Dürr, die Vorstellung, bei dem, was in dem Staatsvertrag steht, also unter den Konstellationen würden die kommen, tritt doch gar nicht ein. Warum sollte der, der Abgabensätze von 0,3 % in Malta zahlt, über 16 % in Deutschland bezahlen? - Sie wissen wie ich, dass aufgrund der europäischen Rechtsetzung und des Prinzips der Freizügigkeit keines der Unternehmen verpflichtet werden kann, sich in Deutschland anzusiedeln.

(Johanne Modder [SPD]: So ist es!)

Im Übrigen: Das Entscheidende in dem Staatsvertrag ist auch, dass Live-Wetten verboten werden sollen. Für alle diese privaten Anbieter ist es überhaupt nicht mehr lukrativ, wenn sie nicht gleichzeitig in Live-Wetten engagiert sind; denn vor allem da holen sie ihre Renditen rein.

Deshalb sage ich Ihnen: Das, was dort jetzt zusammengepackt wird, ist der Einstieg in den Ausstieg aus dem Lottomonopol. Dann haben Sie am Ende erreicht, was Sie wollten, nämlich eine umfassende Verbeugung vor der Spielindustrie, der Automatenwirtschaft und der Glücksspielindustrie. Das ist das Ziel, das Sie wollen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch wir wollen, dass Spielsucht bekämpft wird. Wir wollen, dass das kanalisiert wird. Das geht aber nur, wenn man am Lottomonopol festhält und in den anderen Bereichen die dafür vorliegenden Entwürfe für einen Staatsvertrag realisiert.

Auch mir tut es leid, dass es dem Profisport gelungen ist, den Breitensport für sich zu vereinnahmen. Die Einzigen, die in Deutschland davon profitieren werden, sind in der Tat die Profi-Ligen. Die werden dann den Zugriff auf die Werbung haben. Und der Breitensport, der von den 255 Millionen Euro lebt, die - ich glaube, Herr Hilbers, so viel sind es im Moment - jährlich in Niedersachsen reinkommen, wird bei der Veranstaltung leer ausgehen. Dann wird der Sport hier stehen und sagen: Aber Sie wollten doch gewährleisten, dass das Geld weiter fließt! - Ich sehe schon - Sie werden das Problem ab 2013 wahrscheinlich nicht mehr haben -, wie eine Regierungsmehrheit vor diesen Sportverbänden steht und irgendetwas regeln muss, damit Wohlfahrt, Sport und Kultur noch eine Chance in Niedersachsen haben. Es ist hoch fahrlässig, was Sie hier tun.

Sie wissen auch: Die Experimentierklausel steht auf wackligen Beinen im Hinblick auf das EU-Wettbewerbsrecht und auch auf andere Stellen. Sie haben doch auch mit denen gesprochen, die diese Verhandlungen führen und genau wissen, wie wacklig das alles ist. Wenn der Druck der FDP nicht so stark gewesen wäre, wäre dieses Thema schon lange ganz elegant geregelt worden, und zwar zugunsten der Kanalisierung des Spieltriebs, aber auch zugunsten des Landeshaushaltes mit weitreichenden positiven Konsequenzen in viele Bereiche hinein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)