Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

Weitere Wünsche für Zusatzfragen liegen mir nicht vor.

Ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich komme jetzt zu Frage 2:

Lehrerausbildung

Sie wird vom Kollegen Försterling von der FDPFraktion gestellt. Ich erteile Ihnen das Wort.

(Unruhe)

- Herr Kollege, warten Sie noch einen Augenblick! - Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um den zukünftigen pädagogischen Herausforderungen des Schulalltags gerecht zu werden, wird das Grund- und Hauptschul- sowie Realschullehramt reformiert. Insbesondere die Rolle der Fachdidaktik und die Praxis für den Beruf der Lehrerinnen und Lehrer werden hierdurch stärker berücksichtigt. Es ist essenziell, in die verschiedenen Lehramtsausbildungen Praxisphasen ins Studium zu integrieren, sodass die Selbstreflexion der Studierenden hinsichtlich der Eignung für das Lehramt frühzeitig unterstützt wird und sie einen umfassenden Einblick in das Berufsfeld erhalten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Nach welchen Maßgaben reformiert die Landesregierung die Ausbildung für angehende Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und Hauptschulen sowie an Realschulen?

2. Wie wird durch die aktuelle Änderung des Masterstudiums sichergestellt, dass die Lehramtsstudierenden einen umfassenden und realistischen Blick auf den Beruf des Lehrers erhalten?

3. Wie stellt die Landesregierung die bundesweite Anerkennung der Abschlüsse sicher?

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Wanka. Bitte schön!

(Unruhe)

- Ich will nicht ausschließen, dass einige an dem Thema kein Interesse haben. Aber wenn Sie das auch noch dadurch untermauern, dass Sie hier ständig Gespräche führen, dann sollten Sie den Plenarsaal verlassen und die Gespräche draußen führen, sodass diejenigen, die am Thema interessiert sind, die Möglichkeit haben, in Ruhe zuzuhören. - Frau Ministerin, bitte!

Danke. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Försterling, mit der Entschließung in der Drs. 16/1810 vom Oktober 2009 hat der Niedersächsische Landtag die Landesregierung gebeten, unter Einbindung des Verbundes der lehrerbildenden niedersächsischen Hochschulen einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Ausbildung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen sowie das Lehramt an Realschulen zu verändern ist, sodass a) ein Masterabschluss nach einem insgesamt fünfjährigen Studium erworben wird und b) der Vorbereitungsdienst verkürzt werden kann. Außerdem hat der Niedersächsische Landtag in dieser Entschließung darum gebeten, dass Praxisphasen derart ins Studium integriert werden, dass sie die Selbstreflexion der Studierenden hinsichtlich ihrer Eignung für das Lehramt frühzeitig unterstützen, einen umfassenden und realistischen Blick auf das Berufsfeld Schule erlauben und die theoretischmethodischen Kompetenzen befruchten.

Der Verbund der lehrerbildenden niedersächsischen Hochschulen unter Mitwirkung des Kultusministeriums und des Wissenschaftsministeriums hat zur Erarbeitung des oben genannten Vorschlags im Dezember 2009 eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe bestand aus sechs Vertreterinnen und Vertretern der für die Lehrämter an Grund- und Hauptschulen bzw. Realschulen ausbildenden Hochschulen, also Braunschweig, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück, Vechta, sowie sechs Vertreterinnen und Vertretern der zweiten Ausbildungsphase, die vom Kultusministerium benannt wurden.

Im Sommer 2010 hat die Arbeitsgruppe einen Konzeptvorschlag für viersemestrige Masterstudiengänge für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen und das Lehramt an Realschulen vorgelegt. Im Verbundprojekt wurde der Konzeptvorschlag analysiert und bewertet. Das Ergebnis dieser Diskussion wurde in einer Stellungnahme zusammengefasst und im November 2010 an das Kultusministerium und das MWK übersandt.

Die Landesregierung hat aus den Kernelementen des Konzeptes und der Stellungnahme einen Vorschlag zur Veränderung der Ausbildung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen sowie das Lehramt an Realschulen im Sinne der Landtagsentschließung abgeleitet, der dem Niedersächsischen Landtag in Kürze zugeleitet wird.

Herr Försterling, das vorausgeschickt, sage ich zu Ihren drei Fragen:

Zu 1: Die KMK hat mit dem sogenannten Quedlinburger Beschluss - das war schon 2005 - und den darauf Bezug nehmenden Folgebeschlüssen die Rahmenbedingungen für die Ausbildung von Lehrkräften in den Strukturen der Bachelor- und Masterstudiengänge ausformuliert. Zugleich wurde als Übergangsregelung für die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse vereinbart, dass die damals bereits eingerichteten Studiengänge bis 2010 - d. h. für das Masterstudium bis 2013 - an diese Beschlüsse anzupassen sind.

Für Niedersachsen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, das bislang insgesamt vierjährige Studium für die Lehrämter an Grund- und Hauptschulen sowie an Realschulen zu reformieren. Damit die niedersächsischen lehramtsbezogenen Masterstudiengänge in Übereinstimmung mit den KMKVereinbarungen überhaupt akkreditiert werden können, müssen im Bachelor- und Masterstudium zusammen insgesamt mindestens 300 Leistungspunkte erworben werden.

Die lehramtsorientierten Masterstudiengänge sind für die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte das Bindeglied zwischen dem Bachelor - dem wissenschaftlich orientierten polyvalenten Zwei-FachBachelorstudiengang - und dem auf die Ausübung des Lehrerberufs ausgerichteten Vorbereitungsdienst. Sie sind somit der Teil des Studiums, in dem der Berufsfeldbezug im engeren Sinne hergestellt wird. Es wurde in der Vergangenheit häufig beklagt, dass die zukünftigen Lehrkräfte für den Übergang aus dem Studium in den Vorbereitungsdienst nicht ausreichend vorbereitet werden. Um diese Verbindungsfunktion erfüllen zu können, ist jetzt in den Masterstudiengängen eine Verzahnung von forschungsgeleiteten Ausbildungselementen mit Ausbildungselementen zur Entwicklung grundlegender Handlungskompetenz als Lehrkraft notwendig. Diese Verzahnung erfordert die Kooperation von einerseits den Wissenschaftlern und andererseits den Ausbildern des Vorbereitungsdienstes.

Zur Anpassung an die KMK-Vereinbarungen und zur stärkeren Verzahnung mit der Schulpraxis werden jetzt neue viersemestrige Masterstudiengänge entwickelt. Mit diesen neuen viersemestrigen Masterstudiengängen werden zentrale Ziele umgesetzt, die in der Debatte um eine Professionalisierung der Lehrerausbildung seit Jahren gefordert werden:

Erstens. Die Studierenden sollen in einer langen, zusammenhängenden Praxisphase in der Schule - ca. fünf Monate - die Möglichkeit erhalten, die Komplexität ihres zukünftigen Berufsfeldes zu erfahren. Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei die Situation eigenen Unterrichtens sowie umfangreiche Hospitationen. Auf diesem Weg werden die Studierenden betreut, und zwar gemeinsam von Kolleginnen und Kollegen der Universität, des Studienseminars und der Praktikumsschule am Lernort Schule.

Zweitens. Eine stärkere wissenschaftsfundierte Entwicklung der Studierenden ist ein weiteres Ziel der Neustrukturierung des Masterstudiengangs. Das Konzept des forschenden Lernens verknüpft das praktische Wissen mit selbstständiger wissenschaftlicher Arbeitsweise und macht die vertieften wissenschaftlichen Kompetenzen für die Praxis fruchtbar. Die Studierenden können Forschungsprojekte entwickeln, die unmittelbar an Praxis anknüpfen, im weiteren Verlauf des Masterstudiums kontinuierlich weiterverfolgt werden und schließlich in eine Masterarbeit münden können.

Drittens. Für die Zukunft der Lehrerbildung an den Universitäten ist es außerordentlich wichtig, geeigneten Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit einer akademischen Karriere zu bieten, um dem eklatanten Mangel an fachdidaktisch hoch qualifiziertem Nachwuchs für die zukünftige Lehramtsausbildung, der jetzt schon bei Berufungen deutlich wird, entgegenzuwirken. Daher ist ein Ziel des zweijährigen Masterstudiengangs, die grundsätzliche Promotionsfähigkeit der Masterabsolventen zu sichern.

Zu 2: Herr Försterling, während der gesamten Ausbildung ist zur Eignungsabklärung die ständige Reflexion der eigenen Berufsmotivation und Rollenwahrnehmung durch die Studierenden erforderlich. Dieses soll durch die Praxisphase, ein sogenanntes Portfolio sowie ein spezifisches Programm an Beratungs- und Unterstützungsleistungen erfolgen. Unter „Portfolio“ ist dabei die phasenübergreifende strukturierte Sammlung von Dokumenten und persönlichen Arbeiten zu verstehen, die Lernwege und Lernerfolg dokumentieren. Hinsichtlich dieser Eignungsabklärung hat die Landesregierung dem Niedersächsischen Landtag im April 2010 bereits berichtet und ihm vier Monate später die hierzu vorliegende wissenschaftliche Expertise zugeleitet. Die Erkenntnisse finden jetzt Eingang in das neue Ausbildungsmodell.

Zu 3: Die Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz hinsichtlich der Anforderungen an die Bachelor- und Masterstudiengänge gelten für alle Länder gleichermaßen. Für die Absolventinnen und Absolventen führt diese neue Struktur nicht zu Problemen bei der Zulassung zum Vorbereitungsdienst, weil die Länder in der KMK die gegenseitige Anerkennung von Masterabschlüssen in Studiengängen, mit denen die Bildungsvoraussetzungen für ein Lehramt vermittelt werden, vereinbart haben.

Dieser Prozess wird fortlaufend beobachtet. Aktuell ist ein Mitarbeiter des niedersächsischen Ministeriums Mitglied einer Arbeitsgruppe der Amtschefkommission „Qualitätssicherung in Hochschulen“, die sich insbesondere mit der gestuften Studienstruktur in der Lehrerbildung befasst und dabei insbesondere die strukturelle Entwicklung der Lehrerbildung und eben auch die wechselseitige Anerkennung im Blick behält und auch praktisch immer überprüft.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Wulf von der SPD-Fraktion stellt die erste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, warum sich diese Veränderung in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung ausschließlich auf die Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen bezieht und warum sich diese Veränderung nicht auf die Lehrämter des höheren Dienstes, also im Bereich der Gymnasien und der berufsbildenden Schulen, bezieht. Denn es wäre sicherlich notwendig, eine Angleichung aller Lehrämter vorzunehmen. Ist es so, wie ich vermute, dass geglaubt wird, dass es für angehende Gymnasiallehrer nicht für nötig gehalten wird, mehr Praxisphasen in der ersten Ausbildung zu absolvieren?

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, bitte!

Ihre Vermutung ist falsch. Davon gehen wir aus. - Der Handlungsdruck - bei den Lehramtsstudiengängen haben wir 300 Leistungspunkte - war genau bei den beschriebenen Lehramtsstudiengängen für Hauptschule, Realschule und Grundschule. Es wird auch Auswirkungen haben. Die Beobachtung, wie sich das für die qualitative Weiterentwicklung der Studiengänge für die Gymnasien bemerkbar macht, ist auf jeden Fall angedacht, nicht aber im gleichen Zuge. Da im Bereich der Gymnasiallehrer gerade eine Veränderung, nämlich die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes, stattgefunden hat, ist es nicht sinnvoll, das jetzt sofort mit einer zweiten größeren Veränderung zu vermischen. Wir wollen vielmehr erst einmal Erfahrungen bezüglich der genannten Lehramtsstudiengänge sammeln. Qualitative Weiterentwicklung ist auf jeden Fall bei allen Lehramtsstudiengängen notwendig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Korter stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die ausbildenden Schulen in Zukunft eine ganze Reihe von Lehramtsstudenten im Masterstudiengang zur Betreuung und Unterstützung im Praxissemester bekommen werden, was ich sehr begrüße, wenngleich ich es für zu spät halte, frage ich die Landesregierung: In welchem Umfang werden die ausbildenden Schulen mit besonderen Stunden unterstützt, damit sie diese zusätzliche Ausbildungsleistung erbringen können?

Herr Minister Dr. Althusmann!

Herr Präsident! Wir investieren mit diesem neuen Lehramtsmodell intensiv in die Verbesserung der Qualität der Lehramtsausbildung. Dieses kostet auch etwas. Unter anderem ist vorgesehen, den angehenden Lehrkräften Mentoren an die Seite zu stellen, d. h. sie werden durch erfahrene Kräfte aus der Praxis begleitet. Dafür wird es entsprechende Anrechnungsstunden geben. Dieses Mentorenprogramm wird rund 1,2 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten nach sich ziehen.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass von 2013 bis 2015 erhebliche zusätzliche Mittel notwendig werden, um u. a. diese Ausbildungsleistungen entsprechend darzustellen. Insgesamt ist es aber ein sich selbst tragendes System. Denn nach unseren vorsichtigen Schätzungen wird sich das ganze System durch die zurückgehenden Schülerzahlen und auch durch die im Ausbildungsbereich zurückgehenden Zahlen bis 2019 selbst finanzieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf den Praxisbezug in der Gymnasiallehrerausbildung zu sprechen. Vor dem Hintergrund, dass es vor 30 Jahren in der Ausbildung der Gymnasiallehrer tatsächlich ein Problem war - daran kann ich mich noch gut erinnern -, dass man nach einem rein wissenschaftlichen Studium plötzlich vor der Klasse ausprobieren musste, ob man auch Lehrer sein kann, frage ich die Landesregierung, wie sie begründet, dass der Praxisbezug für die Gymnasiallehrerausbildung mit dem Hinweis nicht in die Reform aufgenommen wird, es erst einmal für die anderen auszuprobieren, obwohl in der Anhörung sehr deutlich geworden ist, dass tatsächlich früher etwas passieren muss. Ich glaube, da muss man nichts mehr ausprobieren.

Daran anschließend die zweite Frage: Ist es nicht insgesamt zu spät, einen Praxisbezug in die erste Ausbildungsphase einzubauen, also erst nach drei Jahren, d. h. nach dem Abschluss des Bachelorstudiums?

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Ein bisschen Grundlage wäre nicht schlecht!)

Wir sind uns einig, dass es zwei Fragen waren. - Ja. - Frau Ministerin, bitte!

Der Praxisbezug wird ja nicht nach der ersten Phase, nach dem Bachelor, eingeführt. Wir haben mit dem zweijährigen Masterstudiengang die Möglichkeit einer längeren Praxisphase, also nicht erst

im Vorbereitungsdienst. Im normalen Bachelorstudiengang sind ebenfalls Praxiselemente, nämlich verschiedene Praktika, enthalten. Auch die bisherigen Praktika im Masterstudiengang bleiben erhalten.