Protokoll der Sitzung vom 28.06.2011

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür fanden wir leider keine Mehrheit im Ausschuss. Schade! Trotzdem bedeutet der Rundfunkänderungsstaatsvertrag, den wir heute beschließen, einen von uns sehr lange geforderten Paradigmenwechsel; denn angesichts immer neuer technischer Medien musste es eine sinnvolle Alternative zu einer Gebühr geben, die sich jeweils mit einzelnen Gerätetypen beschäftigt und der jeweils technischen Entwicklung immer hinterhergehechelt ist.

Dieser neue Beitrag finanziert den öffentlichrechtlichen Rundfunk sozusagen als Wert an sich. Das ist richtig; denn er ist ein unentbehrlicher Bestandteil der Medien- und Kulturlandschaft, und um seinem verfassungsrechtlichen Auftrag gerecht zu werden, muss er über eine ausreichende finanzielle Ausstattung verfügen. Deswegen ist eine Gebührenfinanzierung unverzichtbar.

Die Gebühren an sich sollen nicht steigen. Frau Behrens hat es schon gesagt. Wir hoffen, dass sie ausreichen werden. Die Gutachten zeigen auch in diese Richtung. Unternehmen und Behörden werden entsprechend ihrer Größe belastet und tragen im bisherigen Umfang zum Aufkommen bei. Dabei fallen 90 % aller Unternehmen in die untersten beiden Beitragsstufen und werden nur einen sehr geringen Beitrag leisten.

Das gesamte Verfahren wird einfacher. Ich hoffe auch, dass wir künftig in diesem Zusammenhang weniger Petitionen zu bearbeiten haben werden. In der Vergangenheit war das immer sehr unbefriedigend. Ich hoffe, dass sich die GEZ in Zukunft zurückhalten wird, dass die angekündigte Aufstockung um mehrere Hundert Mitarbeiter tatsächlich nur die Umstellungsphase betrifft und dass wir danach den Apparat etwas abspecken können.

Wir wollen, dass der Finanzbedarf - und das ist auch gut so - weiterhin durch die KEF festgesetzt wird. An dieser Stelle hat Politik nichts zu suchen. Ich hoffe sehr, dass mit der Umstellung die Akzeptanz der Beitragsfinanzierung steigen wird. Sie sichert die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den wir sehr, sehr dringend brauchen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als Nächste hat sich für die Fraktion DIE LINKE Frau Flauger zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss in diesem Hause nicht wiederholen, für wie wichtig die Linke den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber wir haben uns nach reiflicher Überlegung entschieden, gegen den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu stimmen. Wir wenden uns damit nicht grundsätzlich gegen das Prinzip der haushaltsbezogenen Gebührenerhebung, aber der Gesetzentwurf weist doch eine Reihe erheblicher Mängel auf. Ich möchte einige davon ansprechen.

Ein Ziel war es, das teils unsägliche Vorgehen der GEZ durch neue Regelungen einzufangen. Mit dem Entwurf ist das in unseren Augen leider nicht gelungen.

Wir haben erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Dazu möchte ich zwei Punkte nennen.

Erstens. Der Rundfunkänderungsstaatsvertrag sieht vor, dass personenbezogene Daten bei öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen erhoben werden können, dann gespeichert und genutzt werden können, und zwar ohne Kenntnis der Betroffenen. Ich frage Sie, wie es mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar sein soll, wenn ich nicht einmal weiß, welche Daten die entsprechende GEZ-Stelle über mich speichert. Dann kann ich auch kein Auskunftsersuchen sinnvoll stellen. Das passt einfach nicht zusammen.

Zweitens. Es steht zu befürchten, dass für die Rundfunkbefreiung von mit Sozialbescheiden versehenen Menschen tatsächlich z. B. der vollständige Hartz-IV-Bescheid vorgelegt werden muss, mit allen enthaltenen Daten, persönlichen Daten, die für die Gebührenbefreiung überhaupt nicht relevant sind. Das ist eine Frage des Datenschutzes. Da werden Daten offengelegt, die die Menschen für diesen Tatbestand nicht offenlegen müssen. Leider ist überhaupt nicht gesichert, dass dafür eine Drittbescheinigung ausreichen wird. Bisher sieht der Gesetzentwurf einfach den Bescheid vor und das heißt: den vollständigen Bescheid.

Der Austausch der Daten zwischen Landesrundfunkanstalten und die Erhebung von Daten durch alle möglichen Stellen wird mit vielen Verstößen

gegen das Meldegesetz begründet. Aber ich will Ihnen sagen: Wenn die Einwohnermeldedaten so schlecht sind und nichts taugen, dann muss man doch an die Ursachen herangehen und darf nicht an den Symptomen kitten.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen machen Sie eine Symptomdoktorei und sagen: Dann sollten eben Adressbestände gekauft werden.

Das alles sind Gründe, weshalb wir dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zustimmen können. Mit dem Änderungsantrag, der hier vorliegt, wird versucht, Teile dieser datenschutzrechtlichen Probleme einzufangen. Wir befürworten ihn deshalb auch. Aber ich will ein weiteres Problem des vorliegenden Gesetzentwurfs nennen. Blinde, stark seh- und hörgeschädigte Menschen oder die, die durch Behinderung an ihr Zuhause gefesselt sind, sollen jetzt ein Drittel des Beitragssatzes zahlen. Das können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Unter anderem wurde das mit der Finanzierung barrierefreier Angebote begründet. Aber das Verursacherprinzip ist hier das falsche Prinzip. Diese Menschen haben es schwer genug. Sie haben oft einen erheblichen finanziellen Zusatzaufwand. Deswegen können wir hier nicht damit anfangen. Das ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Leider müssen wir an dieser Stelle dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag widersprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Rickert. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der nach vielen Diskussionen vorliegende Rundfunkänderungsstaatsvertrag bedeutet einen Paradigmenwechsel bei der Gebührenerhebung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das Gebührenaufkommen wird nicht mehr geräteabhängig ermittelt, sondern wesentliche Bezugsgröße sind Wohnung bzw. Betriebsstätte mit den darin Beschäftigten. An diesen Vertrag knüpft sich eine Reihe von Erwartungen z. B. an eine gerechte Gebührenerhebung, weil pro Haushalt und nicht mehr pro Gerät gezahlt wird.

Damit einhergehend ist das Ende der unliebsamen Schnüffeleien der GEZ gewünscht. Die Hoffnung auf ein Ende der GEZ insgesamt lässt sich leider nicht erfüllen; denn sie wird noch für die Erhebung der für den Gebühreneinzug relevanten Daten benötigt. Dazu wird dem Vernehmen nach sogar noch zusätzliches Personal benötigt. Wir gehen allerdings davon aus, dass sich die GEZ nach Abschluss der Umstellungsmaßnahmen personell deutlich verkleinert, zumal die geräteabhängige Gebührenerhebung einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verursacht hat. Wir erreichen mit der Reform also, dass es weniger Bürokratie gibt. Das finden wir gut.

Das Gebührenaufkommen soll nach der Umstellung ab 2013, insgesamt gesehen, nicht steigen. Eine Prognose über die Gebührenentwicklung ist schwierig. Wenn man den Aussagen der Intendanten von ARD und ZDF Glauben schenken kann, dann kann man sogar froh sein, wenn das Ziel einer Aufkommensneutralität überhaupt erreichbar ist. Ich halte diese Einstellung für nicht akzeptabel und möchte daran erinnern, dass der Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Grundversorgung mit Informationen für die öffentliche Meinungsbildung ist. Das heißt, er hat einen Beitrag zu einem vielfältigen Medienangebot in Rundfunk und Fernsehen zu leisten. Aufgrund der überwiegenden Finanzierung durch Pflichtgebühren und in Abgrenzung zu kommerziellen Anbietern kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine besondere gesellschaftliche Verantwortung für sein Angebot zu. Ohne an dem dualen System mit privatem und öffentlichem Rundfunk zu rütteln, muss die Frage erlaubt sein, durch wie viele Kanäle die Grundversorgung gesichert wird. Es sollte überprüft werden, wie viele zusätzliche Digitalkanäle es noch geben muss, die viele Menschen überhaupt nicht empfangen können - und das, obwohl sie fast 18 Euro im Monat bezahlen.

Die Debatte um einen TV-Jugendsender und die ständige Ausweitung des Onlinebereichs zeigt: Das Kostenbewusstsein muss bei ARD und ZDF eine größere Rolle spielen. Um langfristige Beitragsstabilität zu sichern und Kosten zu reduzieren, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgefordert, sich aktiv, dauerhaft und konstruktiv an einer Überprüfung seines Programmauftrags und seiner sich ausweitenden Programmangebote zu beteiligen. Ich halte daher an meiner wiederholt aufgestellten Forderung fest, auch eine Gebührensenkung ins Auge zu fassen. 17,98 Euro monatlich -

das sind 216 Euro im Jahr - sind meiner Ansicht nach genug. Es könnte durchaus weniger sein.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Der Vertrag stößt aber nicht auf ungeteilte Zustimmung des gebührenpflichtigen Mittelstands. Obwohl wir während der Vertragsverhandlungen im Hinblick auf die Betriebsgrößenstruktur bereits erheblich nachgebessert haben und damit insbesondere der Situation von Kleinst- und Kleinunternehmen Rechnung zu tragen versucht haben, erreichen uns Protestschreiben, die vor einer unzumutbaren Verteuerung warnen. Wir nehmen das sehr ernst und erwarten nach einer Evaluierung im Jahr 2014 bessere Erkenntnisse, um gegebenenfalls Fehlentwicklungen abzustellen. Die KEF wird mit ihrem 19. Bericht im Frühjahr 2014 die Ergebnisse der Umstellung liefern.

Kritik hat es im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Belange dieses Staatsvertrages gegeben. Obwohl der Landesdatenschutzbeauftragte hierzu eine differenzierte Meinung geäußert hat, kommen wir nach sorgfältiger Abwägung zu einer anderen Einschätzung. Wir glauben, dass den Grundsätzen des Datenschutzes Genüge getan ist, und finden uns mit dieser Ansicht nicht allein. Den Antrag der Grünen dazu werden wir also ablehnen. Insgesamt gesehen, wird die FDP-Fraktion dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Schobert hat sich noch einmal für die CDUFraktion zu Wort gemeldet. Sie haben noch anderthalb Minuten Restredezeit. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin Flauger, sehr geehrte Kollegin Helmhold, es soll Menschen geben, die sich nicht bei Einwohnermeldeämtern um- oder anmelden. Es soll in größeren Städten außerhalb von Niedersachsen - vielleicht in Berlin, vielleicht auch anderswo - Stadtteile geben, in denen zwar an jeder Wohnung eine Empfangsschüssel hängt, in denen der Anteil der dort Wohnenden, die Rundfunkgebühren zahlen, aber unter 30 % liegt. Wissen Sie, was das Schlimme ist? - Das ist ungerecht. Es ist ungerecht, dass wir in Deutschland eine Kultur von Schwarzsehern ha

ben, die zwar die Vorteile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nutzen, die aber nicht wie viele andere - vor allem hier in Niedersachsen - ihre Gebühren zahlen, damit diese Angebote auch finanziert werden können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann kümmern Sie sich um die Meldebe- stände!)

Mit diesem Weg, den wir im Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag aufzeigen, nutzt man alle gesetzlich möglichen Wege, um an diese Daten zu kommen und die Wohnungsinhaber zu ermitteln. Deswegen ist es wichtig, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Allein aus diesem Grunde ist der von Ihnen vorgelegte Änderungsantrag überflüssig.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie müs- sen sich noch einmal um die Melde- bestände kümmern, Herr Schobert!)

Frau Helmhold hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben das Wort, Frau Helmhold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schobert, Sie haben mich direkt angesprochen. Es ist keinesfalls so, dass ich meine, man soll keine Gebühren bezahlen. Ganz im Gegenteil! Wir wollen mit unserem Antrag zum Datenschutz zum Ausdruck bringen, dass es nicht richtig ist, wenn es dazu kommt, dass bei der GEZ am Ende über längere Zeit ein neues bundesweites Melderegister aufgebaut wird

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

und dort Daten gesammelt werden, die der GEZ überhaupt nicht bei ihrem Auftrag weiterhelfen. Das ist der Kern dieses Problems! Ich habe es schon im Ausschuss gesagt und wiederhole es: Was ich befremdlich finde und was einen Teil der Probleme verursacht, ist, dass wir mit diesem neuen Gebührenmodell und der Behörde, die das beaufsichtigt - wie auch immer sie heißt -, für die Lücken des deutschen Meldegesetzes büßen. Man müsste sich eher damit beschäftigen, wie man zu einem System kommt, in dem sich Menschen ordentlich an- und abmelden. Das ist sehr in meinem

Sinne. Ich weiß, früher war es anders. Wenn wir eine Wohnung gemietet haben, bekamen wir gar keinen Mietvertrag, wenn wir keine ordentliche Bescheinigung hatten. Dafür war der Vermieter verantwortlich. So etwas finde ich eigentlich gar nicht so schlecht. Das ist abgeschafft worden. Ich persönlich weiß nicht, warum. Jetzt müssen wir einen Riesenaufwand betreiben, um diese Lücken im Meldegesetz zu schließen. Es wäre aller Ehren wert, wenn Sie sich damit auch einmal aus ordnungspolitischer Sicht beschäftigen würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat der Herr Ministerpräsident das Wort. - Der Ministerpräsident hat die Wortmeldung zurückgezogen.

Damit sind wir am Ende der Beratung; denn es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Einzelberatung zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung.

Ich rufe auf: