Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

dass das im europäischen Dialog passiert. Denn auch für die europäischen Nachbarn ist die Netzstabilität in Deutschland von Bedeutung. Das muss man einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

So groß die Freude über die politische Einigung auch sein mag, es wäre schlichtweg verantwortungslos, jetzt so zu tun, als sei alles bestens. Jetzt müssen wir organisieren, wie das industrielle Deutschland ohne die Kernkraft auskommen soll. Jetzt, meine Damen und Herren, geht die Energiewende in Wahrheit erst richtig los.

Dann kommt auch der vorhin bereits zitierte Netzausbau. Wir müssen ca. 4 500 km Höchstspannungstrassen und sage und schreibe 140 000 km Niederspannungstrassen ausbauen -

(Rolf Meyer [SPD]: Woher wissen Sie das denn, Herr Dürr?)

mit all den Problemen wirtschaftlicher und politischer Natur, die das mit sich bringt. Wir haben wirklich allen Grund, keine Zeit mit ideologischen Scharmützeln zu verschwenden. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das sagt der Richtige! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie dieser Landtag mit CDU und FDP ein sehr wegweisendes Erdkabelgesetz auf den Weg gebracht hat und wie sich die Opposition dazu verhalten hat.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Schostok [SPD]: Weil das nicht ausreichend war!)

Meine Damen und Herren, wenn es um vernünftige Konzepte zur Energiewende geht, dann sieht es bei denen, die am lautesten nach dem Ausstieg aus der Kernkraft gerufen haben, eher mau aus. Die SPD glaubt - das hat Herr Tanke vorhin noch einmal unterstrichen -, dass die Rekommunalisierung von Netzen und Erzeugern die einzig seligmachende Lösung ist. Und die Grünen haben ja gerade am Samstag auf ihrem Parteitag klargemacht, dass sie von harten Realitäten jedenfalls nichts wissen wollen, sondern lieber stur und blind den Ausstiegstraum vor sich hinträumen. Wer nur beim Abschalten der Kernkraftwerke dabei ist und sich den Folgeinitiativen, die nötig sind, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern,

verweigert, der, meine Damen und Herren, handelt nach dem Vogel-Strauß-Prinzip.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Lieber Kollege Wenzel, ich will das noch einmal deutlich sagen: Man kann sich nicht immer nur die Rosinen aus dem politischen Kuchen herauspicken. Verantwortung für Deutschland bedeutet eben auch, den unangenehmen Wahrheiten ins Gesicht zu sehen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Bei der Windenergie werden die Rahmenbe- dingungen verschlechtert! - Rolf Mey- er [SPD]: Sie wollen doch nur die Mo- nopole erhalten!)

Wir von CDU und FDP werden es nicht zulassen, dass grüne Träumer das Industrieland Deutschland gegen die Wand fahren.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Genau deswegen, Herr Wenzel, geht es nicht nur um das Abschalten der Kernkraftwerke. Genau deswegen bringt Schwarz-Gelb ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit ein. Denn nur Kernkraftwerke abzuschalten, reicht eben nicht. Man muss auch dafür sorgen, dass diese Leistung ersetzt wird.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ach ehr- lich? - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Gu- cken wir uns mal die praktischen Pro- jekte an, Herr Dürr!)

Die Grünen haben auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz gerade beschlossen, dem Energiekonsens zuzustimmen. Ich will deutlich sagen: Das ist gut. - Die Grünen haben auf dem Parteitag aber auch beschlossen, der Beschleunigung von Planungs- und Bauvorhaben für die Energiewende nicht zuzustimmen. Ich sage deutlich: Das ist ein Fehler. „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ funktioniert in der Energiepolitik schlicht und einfach nicht.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen sage ich ganz deutlich: Wenn wir die Energiewende erfolgreich vorantreiben wollen, dann kann es ein „Weiter so!“ nicht geben. Der Ausbau der erneuerbaren Energien war in der

Vergangenheit sehr erfolgreich, keine Frage, auch aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes,

(Ah! bei den GRÜNEN)

aber - hören Sie doch die ganze Geschichte - eben vor allem der reine Ausbau. Das Problem der mangelnden Grundlastfähigkeit der Erneuerbaren ist durch die bisherige Förderpraxis nicht gelöst worden.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wer hat dagegen gestimmt?)

Bisher wurde nur die reine Menge des produzierten Stroms belohnt und gefördert. Es war völlig egal, wo, wann und wie viel zur Verfügung gestellt wird. Gerade das ist aber von entscheidender Bedeutung für die Versorgungssicherheit in Deutschland, die wir alle gemeinsam nicht gefährden sollten. Das Problem ist, dass die erneuerbaren Energien in der Vergangenheit einfach mit der Gießkanne gefördert wurden. Das hat auch zu so fatalen Fehlentwicklungen wie dem aberwitzigen Photovoltaikboom auch in Regionen, in denen die Sonne ganz selten scheint, geführt.

(Rolf Meyer [SPD]: Die Sonne scheint immer und überall!)

Deswegen kann es für die Zukunft nur eine rationale Schlussfolgerung geben: Die Förderung der erneuerbaren Energien muss sich mehr an Angebot und Nachfrage orientieren. Instrumente wie die Marktprämie, die jetzt ins Erneuerbare-EnergienGesetz aufgenommen werden, sind an dieser Stelle erste und wichtige Schritte.

Die erneuerbaren Energien müssen effizienter werden, damit sie für uns als Energiequelle verlässlicher werden. Anders ausgedrückt: Gerade weil wir keine Zeit zu verlieren haben, gerade weil wir uns so schnell wie möglich auf die erneuerbaren Energien verlassen wollen, brauchen wir mehr Wettbewerb, mehr Anreize zur Effizienz und folglich mehr Markt, meine Damen und Herren. Wenn ich dann vom Kollegen Wenzel hier höre, betriebswirtschaftliche Entscheidungen sind das eine, aber die könne man auch wunderbar durch politische Mehrheiten in Parlamenten ersetzen,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das habe ich überhaupt nicht gesagt! Ich habe was von Transparenz gesagt!)

dann sage ich Ihnen: Sie sind auf dem Holzweg! Wir brauchen rationale, betriebswirtschaftliche Entscheidungen, damit wir die Energiewende

schaffen! Das muss das gemeinsame Anliegen der Politik in Deutschland sein.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Allein der Netzausbau kostet - je nach Schätzung - zwischen 30 und 70 Milliarden Euro. Das bedeutet, jeder Euro, der einen Fehlanreiz setzt, ist ein verlorener Euro für die nachhaltige Energiewende in Deutschland. Wir müssen weg vom staatlichen Pauschalfüllhorn und hin zu mehr Markt. Das ist keine einfach in den Raum gestellte politische Forderung, sondern es ist schlichtweg ein Gebot der Vernunft an dieser Stelle.

(Rolf Meyer [SPD]: Das ist FDP- Quark!)

Jetzt, da die politische Entscheidung zur Energiewende getroffen ist, gilt es, die technische Umsetzung anzupacken, und zwar so, dass die Sorgen der Menschen ernst genommen werden.

(Glocke des Präsidenten)

Wir müssen dafür sorgen, dass Strom auch weiterhin sicher zur Verfügung gestellt wird. Deswegen ist mir eines ganz wichtig - das will ich zum Schluss sagen -: Wir müssen uns jetzt gemeinsam an die Arbeit machen. Wir müssen die Förderung der erneuerbaren Energien besser und effizienter machen und vor allem auch auf die Grundlastfähigkeit ausrichten. Wir müssen Speichertechnologien entwickeln und ausbauen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Was tun Sie denn dafür?)

Wir müssen den Netzausbau vorantreiben mit all den Schwierigkeiten und Herausforderungen, die er mit sich bringen wird. Deswegen müssen wir unsere Hausaufgaben jetzt machen. Wir müssen Deutschland energiesicher machen, meine Damen und Herren. Denn wir wollen auch weiter ein Land sein, in dem es sich lohnt, zu investieren. Wir wollen ein Land sein, in dem Strom kein Luxusgut ist. Wir wollen, dass unser Land, das so erfolgreich aus der Krise gekommen ist, auch weiter so erfolgreich ist.

Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt fehlt noch die Stellungnahme der Fraktion DIE LINKE zur Regie

rungserklärung. Sie wird von Frau Flauger abgegeben. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr McAllister, mir ist immer noch unklar, warum diese Regierungserklärung heute sein musste und warum Sie nicht im Laufe der verschiedenen Tagesordnungspunkte, die wir noch haben werden, hätten Stellung nehmen können.

(Zurufe von der CDU: Haben Sie das immer noch nicht begriffen? Haben Sie nicht ausgeschlafen, Frau Flau- ger?)

Ich halte das für eine überflüssige Aktion und für ein Ablenkungsmanöver. Der Neuigkeitswert war jedenfalls gleich null.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Das, was sich jetzt Energiekonsens nennt, ist eines definitiv nicht, nämlich ein schnellstmöglicher Ausstieg aus der Atomenergie. Das Ganze fällt noch hinter den sogenannten Konsens von RotGrün zurück. Das will ich am Beispiel Grohnde ganz konkret sagen: Grohnde soll jetzt 2022 statt 2019 vom Netz. Da verstehe ich die Grünen und die SPD nicht, warum sie jetzt nach Fukushima später aussteigen wollen, als sie es vor Fukushima wollten. Das können Sie niemandem erklären, Herr Tanke, Herr Wenzel. Die Quittung von den entsprechenden Bürgerinitiativen und Organisationen haben Sie in den Stellungnahmen bereits erhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt natürlich eine Erklärung. Der Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Herr Kretschmann von den Grünen, hat ja schon gesagt, mit diesem Konsens ist ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu einer schwarz-grünen Bundesregierung beseitigt.