Protokoll der Sitzung vom 01.07.2008

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb war es richtig, dass im vergangenen Jahr Umweltminister Sander das Thema Asse gemeinsam mit seinen Berliner Kollegen Frau Schavan und Herrn Gabriel erstmalig angepackt hat. Ich will hinzufügen: Das war nur möglich, weil auf Berliner Seite endlich die Bereitschaft dazu bestand. Damit ist vor allem in der Region ein Stück Vertrauen in Politik wieder hergestellt worden.

(Lachen bei der LINKEN - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist ja wohl ein Witz!)

Mit der Einrichtung der Asse-Begleitgruppe hat man erstmalig auch die Betroffenen eingebunden. Es war zum ersten Mal möglich, bei diesem Thema etwas zu erreichen - weg vom Stillstand und vom Wegschauen der Vergangenheit.

Wenn dann Fakten an das Tageslicht kommen, die alles andere als beruhigend sind und die vor allem über Jahre verschwiegen wurden, dann macht das vielleicht gewonnenes Vertrauen sehr schnell wieder kaputt. Der Umgang des HelmholtzZentrums München mit Informationen ist deshalb nicht hinnehmbar. Dieses Verhalten kann und wird der Niedersächsische Landtag nicht akzeptieren, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Gerade deswegen war es richtig, dass das Umweltministerium die Praxis des Betreibers, kontaminierte Lauge auf die 975-m-Sohle zu ver

bringen, sofort nach Bekanntwerden gestoppt hat. Genauso ist es richtig, dass ab sofort jeder Schritt des Helmholtz-Zentrums eng mit dem Ministerium abgestimmt werden muss. Weder Hysterie noch politischer Missbrauch ist allerdings diesem Thema jetzt angemessen. Ich bin mit dem Bundesumweltminister einer Meinung, dass von der Asse derzeit keine Gefahr für die Umwelt ausgeht. Gleichwohl ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit, heute dafür zu sorgen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich ist es ein Leichtes, die Sorgen der Menschen vor Ort für politische Ziele, wie den Kampf gegen die Kernenergienutzung, zu missbrauchen. Da spielen dann auch Tatsachen wie beispielsweise diejenige, das 90 % der Aktivität in der Asse aus dem Forschungsbereich und eben nicht aus Kernkraftwerken kommen, keine Rolle mehr. Aber, meine Damen und Herren, ich frage: Ist das unsere Aufgabe? Reicht es aus, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben, Fakten durcheinanderzuwerfen, um am Ende politisch punkten zu wollen? - Ich meine nein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Jüttner, ich will an dieser Stelle eines sehr deutlich machen: Es gehört aus meiner Sicht durchaus eine Portion Mut dazu, als immerhin größte Oppositionspartei zu sagen: Wir wollen die Asse nicht für Parteipolitik benutzen. Wir wollen in der Sache aufklären - keine Frage -, vor allem wollen wir aber eine sichere Lösung für die Asse. Deshalb ist ein Untersuchungsausschuss, der nur in die Vergangenheit blicken kann, derzeit nicht das richtige Instrument. - Herr Jüttner, Sie haben unseren Respekt für diese Entscheidung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Um schnellstmöglich, aber gleichzeitig richtig zu handeln, müssen wir aus meiner Sicht zwei Dinge tun. Erstens. Die Vorkommnisse müssen schonungslos aufgeklärt werden. Vor allem muss die Ursache für die Kontamination geklärt werden. Deswegen war es richtig, dass der Umweltminister Herrn Staatssekretär Dr. Birkner ein klares Mandat gegeben hat. Zweitens. Wie zwischen den beiden Umweltministern in Bund und Land und der Bundesforschungsministerin vereinbart, muss ein Statusbericht erstellt werden, der die Handlungsoptionen aufzeigt. Dabei kann es an einem Punkt kein Wenn und Aber geben: Sicherheit, meine

Damen und Herren, geht vor! Es kann und darf hier nicht um Geld gehen. Es muss die technisch beste Lösung für die Asse gefunden werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir müssen gleichzeitig den Menschen in der Region zeigen, dass wir es ernst meinen. Wie Sie unserem Entschließungsantrag, der am Donnerstag hier behandelt wird, entnehmen können, schlagen wir hierfür u. a. ein Messnetz rund um die Asse vor, das die Bürger tagesaktuell über die gemessenen Werte informieren soll. Meine Damen und Herren, absolute Transparenz ist hier das Gebot der Stunde!

Ich will mit einem Zitat eines Asse-Kritikers schließen, der gestern im Radio gesagt hat: Wir brauchen keine Schuldzuweisungen, sondern wir brauchen Lösungen. - Recht hat er, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile dem Abgeordneten Jüttner von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserem Rechts- und Verwaltungsstaat ist doch so gut wie alles geregelt. Vor dem Hintergrund muss es schon verwundern, was allein in den letzten Tagen zum Thema Asse II öffentlich geworden ist. Das Inventar an radioaktivem Müll in der Asse ist dem Betreiber - ich zitiere die Braunschweiger Zeitung vom 25. Juni - „in etwa“ bekannt. Durch Gespräche mit früheren Mitarbeitern solle weitere Klarheit geschaffen werden. - So viel zum Informationsstand bei diesem Thema!

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Unglaub- lich!)

Zum Thema Sensibilität des Betreibers - übrigens eines Betreibers, der zu 90 % dem Bund und zu 10 % dem Freistaat Bayern gehört, also eines öffentlich verantworteten Betreibers - eines faktischen Endlagers - um Herrn Birkner zu zitieren -: Die Sensibilität in diesem Unternehmen wird durch die Worte des Pressesprechers Herrn Haury in der Süddeutschen Zeitung vom 25. Juni 2008 deutlich - ich zitiere -:

„Unsere Strahlenschützer wussten nicht, dass das mitteilenswert ist. Sie

hatten kein Gefühl dafür, dass es die Öffentlichkeit interessiert, was mit der radioaktiv verseuchten Lauge in der Asse passiert.“

Meine Damen und Herren, das sagte der Pressesprecher des Betreibers, der dieses Versuchsendlager seit Jahrzehnten betreibt, wenn auch unter geändertem Namen! Meine Damen und Herren, das ist ein Skandal und nichts anderes!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber da ist es leider noch nicht zu Ende. Der Präsident des zuständigen Landesamtes hat am 20. Juni in der Sitzung des Umweltausschusses mitgeteilt, dass das Ministerium, obwohl mindestens seit 2005 Grenzwertüberschreitungen bekannt sind und obwohl seit 2005 ohne strahlenschutzrechtliche Genehmigung erkennbar unter Tage gehandelt worden ist, darüber nicht informiert worden ist. Was ist das für eine Aufsichtsbehörde, die so lax, so fahrlässig damit umgeht?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es wird schon die Frage zu klären sein, ob der Präsident dort die Wahrheit gesagt hat - wenn ja, dann haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes unverantwortlich und rechtswidrig agiert - oder ob sich der Präsident dieses Amtes davor gestellt hat, um andere zu schützen. Das ist eine interessante Frage, der wir in diesem Zusammenhang noch nachgehen müssen.

(Kurt Herzog [LINKE]: Untersuchungs- ausschuss!)

Aber schlimmer kann es doch bei einem solchen Thema nicht kommen, meine Damen und Herren! Es bedurfte der Arbeit, des Engagements des Landkreises und der Begleitgruppe vor Ort, damit dieses Kartell des Vertuschens und Verharmlosens überhaupt enttarnt werden konnte. Wofür haben wir denn Aufsicht, wenn sie über Jahre hinweg nicht gelingt und nur das örtliche Engagement es fertigbringt?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir reden hier nicht über den Bau oder den Betrieb einer Pommesbude, meine Damen und Herren, sondern wir reden über den Umgang mit radioaktivem Material - Material, das über Jahrtausende von der Biosphäre ferngehalten werden soll. In diesem Versuchunsendlager bzw. künftigen Endla

ger werden die Untersuchungen über Verbringungstechniken und Langzeitsicherheit durchgeführt, meine Damen und Herrern. Wer soll denn Vertrauen zu denen haben, die dort arbeiten, wenn sie nicht einmal in der Lage sind, über einige Jahrzehnte Aufklärung und Dokumentation zu leisten? Wer soll dann noch Vertrauen haben?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind uns sicher einig, Herr Dürr: Pfusch ist unverantwortlich, und Aufklärung ist unabdingbar - sei es nun im Umweltausschuss, sei es durch den Statusbericht oder, wenn hier gemauert wird, gegebenenfalls auch über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Dürr, Ihre Bemerkung gerade war ja fair. Ich habe in der letzten Woche aber auch Bemerkungen mit einem „schönen“ Unterton gelesen nach dem Motto „Es gibt einen bestimmten Grund, warum die SPD das nicht macht, sie will nämlich ihren Fraktionsvorsitzenden schützen“. Meine Damen und Herren, wer ein derartiges politisches Selbstverständnis hat, der muss einmal über sich nachdenken. Wir reden über ein hoch brisantes Thema. Da spielen persönliche Befindlichkeiten überhaupt keine Rolle.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Deshalb sage ich Ihnen auch: Wenn in meiner Regierungszeit als Umweltminister im Umgang mit der Asse Fehler begangen worden sind, dann habe ich dafür die politische Verantwortung. Vor dieser Verantwortung werde ich mich zu keinem Zeitpunkt drücken. Wenn gemauert wird und dies notwendig ist, werden wir einen Untersuchungsausschuss einrichten. Wenn aber in den nächsten Wochen aufgrund des großen Drucks alle Informationen auf den Tisch kommen und wir auch ohne einen Untersuchungsausschuss eine politische Bewertung erreichen, brauchen wir ihn allerdings nicht. Das ist in der Tat richtig. Deshalb hängt es von der Aufklärung in den nächsten Wochen ab - nur damit das klar ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind uns hoffentlich einig, dass dieses Thema absolute Sorgfalt verlangt. Wir können uns nämlich keinesfalls einen ignoranten Betreiber und eine mauernde Aufsicht leisten. Die Menschen in dieser Region, denen vor Jahrzehnten diese Altlast in die

Hütte gelegt worden ist, haben ein Anrecht darauf, dass das hier alles aufgeklärt wird. Die restliche Bevölkerung im Land Niedersachsen hat dieses Anrecht ebenfalls.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

An dieser Stelle geht es auch nicht um kleinteilige Schuldzuweisung „Wer hat was gewusst?“, sondern um die Übernahme der politischen Verantwortung. In der Region stößt dieses Thema nicht auf großes Interesse - nur unter einem Gesichtspunkt: Die Menschen dort wollen nach Möglichkeit wieder Vertrauen in einen Betreiber, in eine Aufsicht, in eine Wissenschaft und in eine Politik haben und die Befürchtung los werden, dass sie vorgeführt werden. Darauf haben die Menschen in dieser Region ein Anrecht.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Deshalb sage ich ausdrücklich: Was die Bevölkerung, die politisch Verantwortlichen - der Landrat ist ja hier - und die Bürgerinitiative in den letzten Jahren dort an Professionalität, an Engagement und an Beharrlichkeit geleistet haben, verdient unser aller Respekt. Ohne ihre Arbeit vor Ort sähen wir heute verdammt alt aus - noch viel älter, als wir es sind.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jenseits dieser notwendigen Aufklärung sollten wir aber darauf achten, bei der Beseitigung eines Problems nicht neue Probleme zu produzieren. Auch darauf will ich hinweisen. Herr Sander hat in der letzten Woche in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag gesagt, alle Fachleute seien sich einig, dass die Standsicherheit des Bergwerks nur bis 2014 gesichert sei. Das stimmt übrigens nicht, Herr Sander. In der Anhörung letzte Woche ist deutlich geworden, dass die Fachleute unterschiedlicher Meinung sind.

Daran schließt sich für mich die entscheidende Frage an. Wenn man jetzt nach dem Motto „Wir müssen die Zeit bis 2014 nutzen“ plötzlich Druck macht und, wie Sie im Bundestag gesagt haben, noch in diesem Jahr ein Schließungskonzept beschließen und es vor 2014 umsetzen will, heißt das in der Konsequenz wahrscheinlich, dass die angestrebte offene Suche nach Optionen nicht mehr stattfinden kann. Dann wird nicht mehr geprüft, ob es sinnvoll ist, das Ganze herauszuholen, einen