Daran schließt sich für mich die entscheidende Frage an. Wenn man jetzt nach dem Motto „Wir müssen die Zeit bis 2014 nutzen“ plötzlich Druck macht und, wie Sie im Bundestag gesagt haben, noch in diesem Jahr ein Schließungskonzept beschließen und es vor 2014 umsetzen will, heißt das in der Konsequenz wahrscheinlich, dass die angestrebte offene Suche nach Optionen nicht mehr stattfinden kann. Dann wird nicht mehr geprüft, ob es sinnvoll ist, das Ganze herauszuholen, einen
Teil herauszuholen oder eine trockene Einlagerung vorzunehmen, sondern Druck gemacht, die Asse II zu fluten. Damit wäre es aus der Welt. Die Region hätte dann aber möglicherweise erst richtige Probleme. Das ist unverantwortlich.
Das Motto muss sein, an dieser Stelle Zeit zu gewinnen. Dazu sind Vorschläge gemacht worden. Man muss die Zeit nutzen, um diesen Optionsvergleich auch praktisch vorzunehmen. Meine Damen und Herren, machen Sie an dieser Stelle nicht den ersten Fehler nach dem Motto „Alles zuschütten und Feierabend“. Dann haben die zukünftigen Generationen die Probleme.
Zweitens möchte ich auf Folgendes hinweisen: Herr Professor Kühn und andere Gutachter haben in den 60er-Jahren erklärt, die Asse könne nicht absaufen. Diese Äußerung hat zehn Jahre vorgehalten. Die Gutachter, die sich damals so zu Asse II geäußert haben, sind die gleichen Gutachter, die uns heute erzählen, dass Gorleben auf jeden Fall als Endlager geeignet sei. Meine Damen und Herren, mein Vertrauen in sie ist drastisch gesunken! Das will ich Ihnen sagen.
Damit komme ich zu meiner dritten Bemerkung und Sorge. Von Ihnen wird jetzt ja Aufklärung in der Sache betrieben. Das will ich auch akzeptieren. Wenn aber möglicherweise auch der Gedanke dahinter steht, das Thema Asse schnell zu isolieren, damit es keine Debatte über den zukünftigen Betrieb von Atomkraftwerken gibt, dann ist das mit uns nicht zu machen. Eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken ist mit uns nicht zu machen.
dann ist Atommüll nach dieser Logik Ökomüll. Das haben wir gerade bei dem Thema Asse gesehen. Für mich trägt Atommüll weiter eine hohe Gefahr in sich. Diese Gefahr sollten und dürfen wir nicht wegdiskutieren. Deshalb haben wir massive Vorbehalte gegen die weitere Nutzung der Kernener
Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Wulff, Herr Sander, wenn man in den letzten Tagen ein Beispiel dafür suchte, was unter politischer Verantwortungslosigkeit wirklich zu verstehen ist, dann findet man gerade in Ihrem Umgang mit den katastrophalen Umständen in der Asse ein Beispiel dafür.
Sie behaupten allen Ernstes, nichts gesehen, nichts gehört und nichts gewusst zu haben. Sie behaupten allen Ernstes, Herr Wulff, dass Sie die Sonderbetriebspläne, mit denen das Ihnen unterstellte Landesbergamt die Endlagerung radioaktiver Lauge in der Asse geregelt hat, nicht kennen? Sie behaupten allen Ernstes, dass Ihr Ministerium von den andauernden Versuchen mit Neptunium und Uran in der Asse nichts wusste?
Meine Damen und Herren, was haben uns die niedersächsischen Regierungsparteien nicht alles glauben machen wollen? Ein Zitat der FDP-Bundestagsfraktion vom Januar 2007 - bei einem Besuch zusammen mit Herrn Dürr und Herrn Försterling -: Selbst unter ungünstigsten Szenarien über 10 000 Jahre ist mit keiner Kontamination der Biosphäre zu rechnen. - Dann heißt es weiter, es werde unverantwortliche Stimmungsmache und Panikmache betrieben. - Das haben Sie der Bevölkerung vor Ort vorgeworfen und dann beruhigend hinzugefügt, dass - Zitat - die Niedersächsische Landesregierung über alle Ereignisse, Vorgänge und Arbeiten in der Schachtanlage Asse vollum
Soweit das Zitat aus dem Bericht über den Informationsbesuch der FDP in der Asse. Das ist, wohl gemerkt, gerade einmal etwas mehr als ein Jahr her.
Meine Damen und Herren, Herr Försterling, was denn nun? Diese Aussage steht in diametralem Gegensatz zu den Aussagen Ihres sogenannten Chefermittlers, der uns in der vergangenen Woche weismachen wollte, dass Herr Sander, sein Abteilungsleiter, sein Referatsleiter und sein zuständiger Referent erst seit dem 12. Juni dieses Jahres, also erst seit wenigen Tagen, Bescheid wussten. Könnten Sie uns vielleicht einmal erklären, welche dieser beiden Aussagen schlicht und einfach verlogen ist?
Meine Damen und Herren, es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Aussage der FDP vom Januar 2007 falsch und die Äußerung Ihres Chefermittlers von letzter Woche ist richtig - wenn diese Version stimmt, hat nicht nur die Ihnen unterstellte Bergbehörde auf ganzer Linie versagt, sondern dann hat auch Ihre Fachaufsicht auf ganzer Linie versagt -
oder, meine Damen und Herren - das halte ich für wahrscheinlicher -, die Aussage der FDP vom Januar 2007 ist richtig und Ihr Haus war früher informiert als heute hier wieder behauptet. Dann, meine Damen und Herren, tragen Sie direkt und unmittelbar Verantwortung und haben das Parlament wider besseres Wissen belogen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der CDU: Sehr konstruiert!)
Meine Damen und Herren, Herr Wulff, wenn Sie meinen, dass das schwere Vorwürfe sind, die man nicht im Raum stehen lassen sollte, dann hätten Sie heute Gelegenheit, diese Vorwürfe auszuräumen. Wir haben Sie zu einer Regierungserklärung aufgefordert, Herr Wulff, zu einer Regierungserklärung, in der alle Erkenntnisse über den skrupellosen Umgang mit atomaren Abfällen auf den Tisch kommen und mit der die Landesregierung erklärt,
mit welchen Schritten sie zur Abwehr weiterer Gefahren aus der Asse beitragen will. Sie haben die Möglichkeit der Regierungserklärung nicht wahrnehmen wollen. Deswegen müssen wir uns heute und hier mit Geschäftsordnungstricks bei der Redezeit behelfen. Aber sei’s drum - das war Ihre Entscheidung.
Die katastrophale Zusammenarbeit zwischen Betreiberfirma, Fachaufsicht und zuständiger Behörde, das offenbar rechtswidrige Vorgehen sowie die zögerliche und unvollständige Information über das Treiben in der Asse entwickeln sich zu einem bedrohlichen Szenario. Diese Bedrohung wurde noch durch die Tatsache verschärft, dass dieses marode Forschungsprojekt nach Aussagen der Betreibergesellschaft GSF, heute HelmholtzZentrum - wiederum ein Zitat -, als Prototyp für ein atomares Endlager in Gorleben betrieben wurde. - Das war Herr Kühn, der das einmal gesagt hat.
Sie mussten zwischenzeitlich eingestehen, dass in der Asse ohne die notwendige Rechtsgrundlage mit Cäsiumlauge umgegangen wurde und dass diese Lauge unterirdisch verklappt wurde. Sie müssen der Bundesaufsicht einen Statusbericht liefern. Mit der Akzeptanz der Bundesfeuerwehr, Herr Sander, einer Taskforce zur Sicherung rechtsstaatlichen Handelns in Niedersachsen, mussten sie einen Offenbarungseid leisten.
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Er hat nichts zu sagen, oder er will nichts sagen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, schauen Sie doch einmal in Ihren Entschließungsantrag zu diesem Thema. Da fordern Sie von Ihrer Regierung die Herausgabe von Akten. Wirklich ein überzeugender Vertrauensbeweis für die Arbeit dieser Regierung! Meine Damen und Herren, wo bleiben Ihre Konsequenzen, Herr Wulff? Sie haben lediglich die ohnehin rechtswidrige Verklappung der Lauge gestoppt, aber die Arbeiten zum Bau von Strömungsbarrieren für das hoch umstrittene Flutungskonzept gehen einfach weiter. Niemand übernimmt Verantwortung, weder hier im Ministerium noch in der Bergbehörde noch im Forschungsministerium im Bund und erst recht nicht bei der staatlichen Betreibergesellschaft von Frau Schavan. Sie feiern sich und Ihren Staatssekretär als Aufklärer. Nichts haben Sie bislang zur fachlichen Aufklärung und zur politischen Transpa
renz beigetragen. Stattdessen hat uns Ihr Aufklärer drei verschiedene Varianten in einer Woche präsentiert für die radioaktive Belastung der Lauge. Was für ein merkwürdiges Vorgehen!
Was für ein merkwürdiges Aufklärungsgeschwader ist da in der vorletzten Woche in Berlin eingeschwebt. Alle Behörden, ob in der Hauptstadt oder hier in Hannover oder in Clausthal-Zellerfeld, waren doch bisher immer nur Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Geben Sie es endlich zu und sprechen Sie es aus: Es ist der Beharrlichkeit der Menschen vor Ort zu verdanken, den Bürgerinitiativen und dem Landkreis, dass die Gefahren endlich ernst genommen werden.
Herr Wulff, bei diesen Leuten sollten Sie sich bedanken. Herr Sander, Herr Wulff, es ist richtig, dass Sie versuchen, beruhigend auf die Öffentlichkeit einzuwirken. Aber dafür müssen Sie auch eingestehen, dass die Menschen an der Asse über Jahre an der Nase herumgeführt worden sind. Dazu müssen Sie eingestehen, dass es bislang in keinerlei Weise geklärt ist, wie man der Laugeneinbrüche und der radioaktiven Kontaminationen Herr werden kann. Dazu müssen Sie auch eingestehen, dass Atomkraft alles andere als sauber und sicher ist. Es ist die gefährlichste, die am wenigsten beherrschbare Energieform für diese unsere kleine Welt.
Meine Damen und Herren, die vollständige Aufklärung der Daten- und Quellenlagen steht aus. Die Ergebnisse sind zwingende Voraussetzung für die weiteren Arbeiten an einem sicherheitsorientierten Schließungskonzept. Das ist die Grundlage für den Optionenvergleich, inklusive Rückholung. Das ist auch die Grundlage, um ein Mindestmaß an Vertrauen in der Region zurückzugewinnen.
Sie müssen jetzt die laufenden Arbeiten stoppen. Sie müssen den Betreiber und das Bergamt von seinen Aufgaben entbinden. Sie müssen dafür sorgen, dass der Optionenvergleich mit Hochdruck vorangetrieben wird. Sie müssen dafür sorgen, was eigentlich selbstverständlich ist, dass hier endlich das Atomrecht angewendet wird.
Sie müssen eingestehen, dass Sie hier für einen skrupellosen Umgang mit atomarem Abfall Verantwortung tragen. Bislang hat die Niedersächsische Landesregierung lediglich in gewohnter Weise versucht, Fehler, Mängel und rechtswidrige Vorgänge anderen Instanzen in die Schuhe zu schieben - wie beim Transrapid und beim JadeWeserPort. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es auch völlig logisch, dass es hier wie auch dort einen Untersuchungsausschuss geben muss, um diese Vorfälle in voller Breite aufzuklären.