Protokoll der Sitzung vom 01.07.2008

Kurzum: Statt Verantwortung für die kommende Generation zu übernehmen, haben Sie es vorgezogen abzutauchen. Dabei war und ist der Handlungsbedarf in Niedersachsen besonders groß. 2003 haben 33 160 Schülerinnen und Schüler die Schule mit Abitur verlassen. Ihnen standen noch 33 600 grundständige Studienplätze zur Verfügung. 2006, also drei Jahre später, haben schon über 37 000 Schülerinnen und Schüler die Schule mit Abitur verlassen. Die Zahl der grundständigen Studienplätze betrug aber nur noch knapp 28 000. Aktuell: 2007 haben schon 40 000 Schülerinnen und Schüler die Schule mit Abitur verlassen. Zur Verfügung stehen aber nur noch 30 000 Studienplätze. Nach den Regeln der Mathematik - im Jahre der Mathematik sollte das hier erwähnt werden - stellen wir fest: Während die Zahl der Studienberechtigten in den letzten fünf Jahren um 6 500 angestiegen ist, sank die Zahl der Studienplätze im gleichen Zeitraum um 3 500. Und das sind Fakten, Herr Klare.

(Beifall bei der SPD - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt mal in Pro- zent!)

Eine Entwicklung mit Folgen! Ist es bundesweit gelungen, dass erstmals seit 2003 die Studienanfängerquote wieder angestiegen ist, nämlich auf 37 %, so stagniert sie in Niedersachsen, und zwar auf niedrigstem Niveau: 29,2 %, gleichauf mit Mecklenburg-Vorpommern.

Meine Damen und Herren, die SPD begrüßt den Hochschulpakt. Er hilft Niedersachsen. Bis 2010 - der Minister erwähnte es - werden über 11 000 Studienplätze zusätzlich geschaffen. Die Hälfte

davon wird vom Bund mit etwa 55 Millionen Euro finanziert. Angesichts der damaligen Debatte um die Föderalismusreform können wir heute von Glück sagen, dass Koch und Wulff mit ihrem Versuch, dem Bund jegliche Unterstützung der Hochschulen zu verbieten, am Widerstand der SPD gescheitert sind.

(Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU)

- Das war so!

(Zuruf von der CDU: Das waren noch Zeiten, als die SPD Widerstand ge- leistet hat!)

Wir sind froh, dass der Bund auch zukünftig bereit ist, Verantwortung für die Bildung zu übernehmen; denn diese Landesregierung beweist jeden Tag, dass sie es nicht kann.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD wird sich dafür einsetzen, dass der Hochschulpakt fortgesetzt und das Mittelvolumen deutlich aufgestockt wird; denn wir wissen: Der große Ansturm steht 2010 noch bevor, und Niedersachsen kann es alleine nicht schaffen.

Doch machen wir uns nichts vor: Selbst wenn es gelingt, den zweiten Teil des Hochschulpaktes mit einem deutlich höheren Milliardenbetrag auszustatten als den ersten Teil - im Gespräch sind etwa 3 Milliarden Euro für 200 000 zusätzliche Studienplätze -, so bleibt es doch ein Tropfen auf den heißen Stein; denn der Hochschulpakt gibt weder eine Antwort auf die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen, noch gibt er eine Antwort auf die Mehrbelastungen der Hochschulen durch die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge. Gerade diese Umstellung aber hat die Hochschulen viel zusätzliche Kapazität und intensiven Betreuungsaufwand gekostet. Da das Land den notwendigen Aufwand nicht zusätzlich finanziert, waren die Hochschulen gezwungen, Studienplätze abzubauen und Studierwillige durch harte NCs auszusperren. Deshalb will die SPD mit dem zweiten Teil des Hochschulpaktes nicht nur zusätzliche Studienplätze bis 2015 schaffen, sondern auch die Lehre an den Hochschulen verbessern. Wir fordern: Der Hochschulpakt muss auch zu einem Qualitätspakt für die Lehre werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wie notwendig dies ist, zeigen die jüngsten Zahlen über gestiegene Abbrecherquoten in den neuen

Bachelor-Studiengängen. An Universitäten brechen 25 % der Bachelor-Studierenden das Studium ab, an Fachhochschulen liegt die Abbrecherquote sogar bei 39 %.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Bundesweit!)

Dabei sollte doch mit der Einführung der neuen Studiengänge alles besser werden: kürzere Studiendauer, höhere Mobilität, geringere Abbrecherquote. Das Gegenteil ist eingetreten: abnehmende Mobilität, längere Studiendauer, und die Abbrecherquote ist höher als je zuvor.

Offenbar ist bei der Umsetzung des BolognaProzesses etwas schief gelaufen. Fragt man nach den Verantwortlichen, so ergibt sich, dass ein Bericht in der FAZ vom 3. Juni sehr aufschlussreich ist. Dort wird von einem Treffen des Verbandes der Hochschullehrer mit Staatssekretären berichtet. Man wollte gemeinsam nach Wegen aus der Bologna-Krise suchen. An diesem Treffen hat auch der niedersächsische Staatssekretär Dr. Lange teilgenommen, der - wen wundert es? - vehement jegliche Verantwortung der Politik von sich wies. Ich zitiere aus der FAZ:

„Josef Lange fand zumindest in Niedersachsen alles ganz prima. Für ihn sind die Universitäten schuld, wenn die Reform nicht klappt, denn man hat sie ja in die Autonomie entlassen.“

Wo war denn die Autonomie der Hochschulen, als Sie rücksichtslos auf Kosten der Qualität Kapazität geschaffen haben? Wo war denn die Autonomie der Hochschulen, als Sie par ordre du mufti die Lehrverpflichtung für den Mittelbau hochgesetzt haben und als Sie per Anordnung die CNWs für die FachhochschulBachelors abgesenkt haben? - Da war von Autonomie keine Rede. Sie haben die Hochschulen gezwungen, unter diesen miserablen Bedingungen Bologna umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bis heute ist die Landesregierung die Antwort schuldig geblieben, wie die Hochschulen die Mehrbelastung schultern können. Wir brauchen aber genau hierzu eine Antwort. Sonst wird uns der Hochschulpakt wenig nutzen.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage lässt wenig Zuversicht aufkommen. Was uns präsentiert wird, ist wieder nur das Pflichtprogramm. Das ist aber zu wenig, um der wachsen

den Zahl von Studierwilligen eine Perspektive zu geben. Mehr Studierende bedeuten mehr junge Menschen, die mehr Bildung wollen, mehr kluge Köpfe für Erfindungen und Innovationen, also genau das, was wir brauchen. Diese Chance - es ist vielleicht für lange Zeit unsere letzte - sollten wir gemeinsam nutzen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich nun Herrn Dreyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bildungshunger und Wissensdurst sind keine Dickmacher. Deshalb hat es mich heute sehr gefreut, zu hören, dass die Landesregierung genügend Nahrung in Form von Studienplätzen zur Verfügung stellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Victor Perli [LINKE]: Fast food!)

- Herr Perli, angesichts der großen Herausforderung, vor der wir hier in Niedersachsen mit dem doppelten Abiturjahrgang im Jahre 2011 stehen, ist es gut zu wissen, dass Niedersachsen optimal vorbereitet ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle möchte ich im Namen der CDU-Fraktion den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wissenschaftsministeriums ausdrücklich für die umfangreiche Beantwortung der Großen Anfrage danken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für mich als Parlamentsneuling war das Lesen dieser Antwort ein Studium generale der Wissenschafts- und Hochschulpolitik hier in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

- Herr Dr. Sohn, vielleicht hätten Sie die Vorlage auch lesen sollen; dann hätten Sie an diesem Studium generale teilhaben können.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das hat er nicht nötig! Er ist allumfassend infor- miert!)

Vieles von dem, was in dieser Vorlage steht, habe ich auch in den bisherigen Gesprächen, die wir in unserem Arbeitskreis Wissenschaft und Kultur mit den Hochschulpräsidenten geführt haben, wiederfinden können. Deswegen bin ich ganz erstaunt, von Ihnen, Frau Dr. Andretta, hier Vorwürfe zu hören. Ich habe den Eindruck, dass die objektiven Zahlen, die man auch im Haushalt nachlesen kann, von Ihnen einfach nicht zur Kenntnis genommen werden. Sonst hätten Sie mitbekommen, dass sogar der Anschluss für den Hochschulpakt hier in Niedersachsen bereits ausfinanziert ist, was in anderen Bundesländern nicht der Fall ist. Unser Wissenschaftsminister Lutz Stratmann hat dies hier auch deutlich ausgeführt.

(Beifall bei der CDU)

Sie sprechen hier von einem Kürzungsprogramm oder vom Abtauchen. Ich finde, das ist überhaupt nicht in Ordnung.

Frau Dr. Heinen-Kljajić hat sich in folgendem Sinne geäußert: Das Thema wird nicht zeitnah angegangen. Sie sprach von einer hochschulpolitischen Bankrotterklärung, von einer Unterfinanzierung, davon, dass die Lage sich verschärfen werde, ohne dass wir eine Lösung anbieten könnten, und auch davon, dass Niedersachsen mit vorzeitigen Berufungen noch nicht angefangen habe. Meine Damen und Herren, ich bin es einfach leid, diese Angstschreie der Opposition hier zu hören.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Kinder, Studierende und Eltern wollen kein Geschrei. Dieser Personenkreis will Lösungen. Niedersachsen - ich habe es schon einmal gesagt - hat eine große Herausforderung zu bestehen. Deshalb habe ich die ganz herzliche Bitte: Hören Sie einfach damit auf, das Land schlechtzureden!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie wissen ganz genau, dass wir in Deutschland und in Niedersachsen einen großen Fachkräftemangel haben. Sie sollten deshalb an einer konstruktiven Lösung mitarbeiten und sich einer konstruktiven Lösung der Probleme widmen.

Was die Zukunft der Hochschulfinanzierung anbetrifft, so ist Niedersachsen nicht nur aus den Startlöchern gekommen, sondern Niedersachsen liegt in diesem Bereich ganz vorne. Ich freue mich, dass Wissenschaftsminister Stratmann vorhin ausdrücklich bestätigt und klar und deutlich gesagt hat, dass Niedersachsen als erstes Bundesland damit begonnen hat, Finanzmittel für die zweite Phase

des Hochschulpaktes festzulegen. Damit sind wir beim Thema Haushalt, Frau Dr. Andretta. In der Mittelfristigen Planung ist für die Jahre 2011 und 2012 eine Verpflichtungsermächtigung von 174 Millionen Euro enthalten. Damit können wir hier in Niedersachsen in der zweiten Phase des Hochschulpaktes weitere 16 600 Studienplätze schaffen.

Wir bieten in Niedersachsen viele technische Studiengänge an. Das ist gut so, und das soll auch so bleiben. In diesem Zusammenhang fallen immer wieder die Begriffe Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Es sind besonders teure Studienplätze, die wir hier in Niedersachsen anbieten. Daraus resultiert ein besonderer Finanzbedarf. Diesem besonderen Finanzbedarf wird hier auch Rechnung getragen. Man kann es auch so ausdrücken: „Klasse statt Masse“ heißt das Motto bei uns in Niedersachsen.

Ich will noch einmal auf die Wanderungsbewegungen zu sprechen kommen, weil diese immer wieder ins Feld geführt werden. Die Diskussion darüber erinnert mich häufig an Kaffeesatzleserei. Ich will dazu Folgendes festhalten: Wir haben in Niedersachsen steigende Studienanfängerzahlen. Im Übrigen meine ich, dass es gar nicht entscheidend ist, wie viele der Studienberechtigten hier in Niedersachsen bleiben. Entscheidend ist doch vielmehr, wie viele nach ihrem Studium hier mit einem Abschluss verbleiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

- Frau Staudte, was haben Sie denn dagegen, dass vielleicht Studenten aus Kolumbien nach Niedersachsen kommen und hier eine Firma aufmachen bzw. hier zum Bruttosozialprodukt beitragen? - Denken Sie an VW. Dort sind viele internationale Mitarbeiter beschäftigt, die dazu beitragen, dass wir hier in Niedersachsen Wohlstand haben. All das sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Wichtig ist, dass es in Niedersachsen mit der Wirtschaft insgesamt vorangeht. Ich denke, die Hochschulpolitik leistet einen entscheidenden Beitrag dazu.

Ich will aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage einmal drei Kernbereiche herausgreifen. Erstens habe ich festgestellt, dass wir aufgrund des erwähnten Zukunftsvertrages zukunftsfähig sind. Vor drei Jahren hieß es dazu: Jetzt können sich die niedersächsischen Hochschulen bis 2010 auf eine berechenbare Finanzierung und damit auf Planungssicherheit verlassen. Dies begünstigt die Neuausrichtung der nieder