Protokoll der Sitzung vom 01.07.2008

Meine Damen und Herren, wir haben dieses Problem jetzt erkannt. Hier muss ich den Bundesumweltminister Gabriel mit einbeziehen; denn er hat im letzten Jahr gemeinsam mit uns die Initiative ergriffen, Herr Kollege Oesterhelweg und Herr Kollege Bosse. Ich habe nicht nur in Hedeper, sondern auch danach mit ihm diskutiert. Wir haben einen Fragenkatalog aufgestellt. Die Abhandlung dieser Fragen sollte zum Teil bereits erfolgt sein. Diese Fragen kann die Landesregierung oder die Aufsichtsbehörde nicht abhandeln; diese Fragen müssen vom Helmholtz-Zentrum gemeinsam mit dem Landesbergamt erörtert werden.

Meine Damen und Herren, nachdem diese Vorgänge seit dem 12. Juni bekannt sind und am 18. Juni noch Informationen dazu kamen, dass dort zusätzliche Materialien mit verpresst wurden, ist es zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch gekommen. In der Folge dessen habe ich dann die Kollegin Frau Schavan und den Kollegen Gabriel zu einem Gespräch gebeten. Denn in dieser Frage müssen alle drei zusammenarbeiten. Das Landesumweltministerium als Genehmigungsbehörde für einen vorzulegenden Schließungsplan und der Bund - insbesondere das Bundesforschungsministerium quasi als Eigentümer, aber auch das Bundesumweltministerium, wenn es sich um atomrechtliche Fragen handelt - müssen hier zusammenarbeiten.

Wir sind am 24. Juni zu dem Ergebnis gekommen, dass wir eine Expertengruppe unter der Führung des Umweltministeriums einrichten. Dieser Expertengruppe sollen Vertreter des Bundesforschungsministeriums, des Bundesumweltministeriums, des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz und auch - darauf lege ich besonderen Wert - des Landkreises angehören. Herr Landrat Röhmann, wir wollen auch Sie und damit den Landkreis in diese Expertengruppe einbeziehen, weil es vielleicht nur dadurch die Möglichkeit gibt, Sie und die Bevölkerung in der Region über alle Schritte, die in der nächsten Zeit erfolgen werden, zu unterrichten.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Wir haben vereinbart, dass bis Ende August ein Statusbericht erstellt werden soll. Der Statusbericht - man könnte auch von einer Bestandsaufnahme sprechen - soll dazu dienen, darzulegen, wie wir weiter verfahren wollen. „Wir“ heißt wieder: wie die drei beteiligten Ministerien verfahren wollen. Dabei ist natürlich eines ganz klar, Herr Kollege Jüttner: Wenn dieser Statusbericht erstellt ist, sind alle Fragen, die es in der Vergangenheit gab, wieder auf dem Tisch und sind die Antworten auf diese Fragen wieder infrage zu stellen. Dann ist natürlich auch ein Vergleich der Optionen mit zu beachten. Es ist aber auch der Teil der Wissenschaftler zu beachten, der sagt: Ihr habt nicht unendlich viel Zeit; ihr müsst bis 2014 ein Konzept haben. - Unter dieser Perspektive müssen wir natürlich immer vom problematischsten Fall ausgehen. Das heißt, dass wir im Grunde genommen zweigleisig fahren müssen. Wir werden dann auch die Frage, ob wir eine Einbettung mit Magnesiumchlorid oder mit Salzbeton, wie es in Morsleben geschieht, vornehmen, so schnell wie möglich erörtern.

Wir haben vereinbart, dass vom Betreiber bis zum Ende des Jahres ein prüffähiges Schließungskonzept vorgelegt wird. Der Betreiber hat zwar ein Schließungskonzept vorgelegt; dieses ist aber nach übereinstimmender Meinung in keinem Fall genehmigungsfähig.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Warum ge- hen Sie dann weiter nach diesem Ver- fahren vor?)

Deshalb entsteht jetzt natürlich ein gewisser Druck. Ich hoffe, dass wir durch Verstärkung auch im Helmholtz-Zentrum bessere Ergebnisse erzielen können.

Meine Damen und Herren, unabhängig davon werden wir am 8. Juli den Umweltausschuss des Landtages informieren. Das erste Gespräch der Expertengruppe hat am letzten Freitag stattgefunden. Am Donnerstag findet das zweite Gespräch statt. Am 7. Juli soll ein Arbeitspapier entwickelt werden, wie wir die einzelnen Fragen bis Ende August abhandeln wollen. Dieses Arbeitspapier werden wir am 8. Juli auch dem Ausschuss zur Verfügung stellen, verbunden mit der Bitte bzw. Aufforderung, unter Umständen noch weitere Punkte aufzunehmen, damit alle, die dazu gewillt sind, gemeinsam die Verantwortung dafür übernehmen können, dass wir zu einem vernünftigen Konzept kommen.

Unabhängig von dem, was in der Zwischenzeit geschehen ist - wir haben die Verpressung von Laugen gestoppt -, werden wir weiter an einem Konzept arbeiten müssen, damit die Menschen in der Region wieder das Gefühl bekommen, dass sie der Politik - nur die Politik kann auf der Grundlage von wissenschaftlichen Untersuchungen die Entscheidungen treffen - wieder vertrauen können. Dieses Vertrauen - es ist das höchste Gut - möchte die Landesregierung wiederherstellen. Ich glaube, nicht nur die Gespräche in der letzten Woche in Berlin, sondern auch die heutige Diskussion haben gezeigt, dass die große Mehrheit in diesem Sinne agieren möchte. Das ist erfreulich. Sowohl die CDU als auch die SPD - zumindest auf Bundesebene konnte man das feststellen - messen diesem Thema einen sehr hohen Stellenwert bei. Herr Kollege Jüttner, ich habe auch Ihren Worten entnommen, dass auch Sie dieses Thema ebenfalls für so wichtig erachten, dass wir gemeinsam zu einer Lösung kommen müssen. Das sind wir den Menschen in der Region, aber auch den Menschen in Niedersachsen schuldig.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat sich Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Sander, das, was Sie hier vorgetragen haben, wird dem Ernst der Lage in keiner Weise gerecht.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Unver- schämt! - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Unglaublich!)

Wenn die Koalitionsfraktionen der Opposition hier noch vorwerfen, sie würde die Menschen beunruhigen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Diejenigen, die hier für die Vertuschung verantwortlich sind, sollten sich einmal an die eigene Nase fassen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Das ist sehr durchsichtig!)

Wir haben heute den 1. Juli. Am 20. Juni dieses Jahres hat uns Herr Birkner im Umweltausschuss noch mitgeteilt, dass in der Asse alles im Einklang mit der Strahlenschutzverordnung erledigt wurde.

Das ist die Qualität der Information der Landesregierung! Am nächsten Tag musste sich die Landesregierung korrigieren. Drei Tage später musste sie sich noch einmal korrigieren. Ich hätte erwartet, dass man hier zumindest mitteilt, dass man das Parlament an dieser Stelle zweimal falsch informiert hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie haben uns zugesagt, die Sonderbetriebspläne zu liefern. Wir mussten dann erst einen Aktenvorlagebeschluss fassen, damit Sie jetzt erst einmal in Ruhe sortieren können, welche Akten wir bekommen und welche nicht. Meine Damen und Herren, so geht es nicht weiter!

Herr Wulff, wenn in einer Eckkneipe in Niedersachsen das Frittenfett alt ist, dann kommt der Lebensmittelkontrolleur und macht diese Eckkneipe dicht.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja banal!)

Wenn hier in Hannover schwarzgefahren wird, dann kommt ein Fahrkartenkontrolleur und stellt sicher, dass eine Fahrkarte gekauft wird und eine Strafe bezahlt wird. Wenn hier in Niedersachsen aber radioaktive Lauge illegal verklappt wird, dann gibt es offenbar niemanden, der einmal hingeht und Kontrollmessungen macht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das nehme ich Ihnen nicht ab. Ich mache an dieser Stelle noch einmal deutlich, Herr Försterling, dass ich Ihr Ministerium und die Aussagen Ihrer Abgeordneten und der Abgeordneten Ihrer Bundestagsfraktion zitiert habe. Es war nicht die Helmholtz-Gesellschaft, die ich zitiert habe. Sie haben hier behauptet, dass im Hause von Herrn Sander alles vollumfänglich vorgelegen hat.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte zu Ende ausführen. - Und die Konsequenzen? - Herr Wulff, Sie drücken sich genauso um die Konsequenzen wie hier um einen Redebeitrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ein Redebeitrag von Ihnen hierzu wäre angemessen. Worüber wir hier sprechen, kommt nicht jedes Jahr in Niedersachsen vor.

Was ist mit dem Stopp der laufenden Arbeiten? - Sie sagen, es werde keine Lauge mehr eingeleitet. - Ja, weil gerade Strömungsbarrieren gebaut werden. Das Konzept der Flutung ist in seiner ganzen Ausführung aber nicht gestoppt. Es läuft weiter wie bisher. Es werden gerade nur die Aufgaben ausgeführt, die technisch anstehen. Oder wollen Sie sich hier noch deutlicher ausdrücken? Das können Sie gern tun.

LBEG und Helmholtz - unfähig und überfordert, nicht zuverlässig, alle noch weiter am Wursteln. Wer garantiert uns denn, dass hier nicht weiter vertuscht wird?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Optionenvergleich steht an. Er muss jetzt kommen. Das sind wir den Menschen schuldig.

Herr Bäumer, wenn Sie sagen, der gesunde Menschenverstand reiche aus, um Gorleben zu beurteilen, sage ich Ihnen eines: Im Falle von Asse haben wohl auch viele gedacht, dass der gesunde Menschenverstand ausreicht. Herr Professor Kühn war Betriebsleiter und in Clausthal für Tiefenlagerung und -forschung zuständig. Er war der Spiritus Rector auch für Gorleben. Er hat noch 2001 gesagt:

„Ziel war es, in der Schachtanlage Asse für ein geplantes Endlager im Salzstock Gorleben die entsprechenden Techniken und die wissenschaftlich-technischen Daten zu ermitteln und bereitzustellen.

Der Salzstock Gorleben war in der Eignungsuntersuchung. Wir von der GSF sollten im Forschungsbergwerk Asse die entsprechenden Technologien und wissenschaftlichen Untersuchungen durchführen.“

Deshalb kommen Sie da nicht heraus und müssen wir ernsthaft prüfen, welche Fehlschlüsse hier gezogen worden sind, die auch zu einer Überprüfung dessen führen müssen, was man in Gorleben angerichtet und vorbereitet hat. Darauf werden wir drängen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat sich Herr Dürr von der Fraktion der FDP zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Herrn Dr. Sohn. Herr Dr. Sohn, das, was Sie hier vorhin aufgeführt haben, grenzt schon an Irreführung der Öffentlichkeit. Minister Hirche hat im Juni über Gewalt gesprochen. Ein Recht auf Gewalt gibt es zum Glück nicht, meine Damen und Herren. Deutschland ist ein demokratisch verfasster Rechtsstaat. Das müssen Sie wohl noch lernen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das Nachlesen und Zuhören müssen Sie noch lernen!)

Jetzt will ich etwas zu Herrn Wenzel sagen. Richtig ist, dass wir damals davon ausgegangen sind, dass der Betreiber uns die Wahrheit sagt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Blauäugig!)

Das kann ich hier so deutlich erklären. Das gilt übrigens genauso dafür, dass Herr Jüttner - wenn er mir jetzt zuhört - und Frau Griefahn öffentlich zu Recht erklärt haben, dass Sie natürlich etwas unternommen hätten, wenn sie davon gewusst hätten. So jedenfalls habe ich Sie, Herr Jüttner, verstanden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich habe mich dazu nicht geäußert!)

- Ich könnte an dieser Stelle die Nordwest-Zeitung zitieren. Sie haben sich dazu geäußert und haben genauso wie Frau Griefahn gesagt, dass Sie von den Vorgängen nichts gewusst hätten. Jedenfalls sind Sie in der Presse so zitiert worden. Wir müssten wohl aufklären, ob Sie das tatsächlich gesagt haben.

Weil auch Herr Wenzel den Blick wieder in die Vergangenheit gerichtet hat und Sie an der Stelle nur einen partiellen Blick haben, möchte ich die Darstellung vervollständigen.

Herr Kollege Dürr, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Sohn?

Nein, mit dem Thema bin ich jetzt erst einmal durch. Ich spreche jetzt zunächst zu Herrn Wenzel.

Jetzt hat sich Frau Flauger gemeldet, um Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen.