Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 zu den Methoden zur Ermittlung der Höhe der Leistungen nach dem SGB II wirft auch die wahrhaft entscheidende Frage nach der Ermittlung des Existenzminimums für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf. Damit - das hat mein Kollege Riese bereit gesagt - beschäftigt sich bereits der Deutsche Bundestag. Denn es ist ein Bundesgesetz, über das wir hier diskutieren. In den Fachausschüssen, z. B. im Ausschuss für Arbeit und Soziales, hat es dazu im Februar eine Anhörung gegeben.

Ich bin fest davon überzeugt, dass das Ministerium mit der Ministerin Ursula von der Leyen an der Spitze dazu einen qualifizierten Vorschlag vorlegen wird. Lassen Sie uns doch erst einmal diesen Gesetzentwurf abwarten - denn es ist ein Bundesgesetz -, der nachher von allen Ländern diskutiert werden muss. Ob und in welchem Umfang die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhöht werden soll, wird sich dann zeigen.

Das können wir dann diskutieren, wenn der Vorschlag vorliegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kern Ihres Antrages, den Asylbewerbern durch Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes mehr staatliche Unterstützung zu verschaffen, ist daher der völlig falsche Ansatz. Wir lehnen den Antrag deswegen ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Limburg gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege Focke, erstens muss ich Ihnen sagen, dass ich Ihre Argumentation - Sie wollen die Menschen, die hierher kommen, Schutz suchen, mehrere Jahre hier leben und mit den Minderleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes klarkommen müssen, vor kriminellen Machenschaften schützen und gewähren ihnen deshalb nur so wenig Unterstützung - fast schon zynisch finde.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Zweitens. Herr Kollege Focke, Sie haben offenbart, dass Sie unser Sozialstaatsprinzip überhaupt nicht verstanden haben. Es kommt bei den Sozialleistungen nicht darauf an, wie lange man eingezahlt hat - das ist bei einem Bausparvertrag so -,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

sondern darauf, ob man bedürftig ist und wie viel Bedarf man hat. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrmals völlig zu Recht dargestellt, dass das Existenzminimum nicht davon abhängen kann, wie leistungsfähig der Sozialleistungsempfänger vorher war.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Richtig!)

Vielmehr steht das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum jedem in dieser Gesellschaft zu.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist Ausfluss der Menschenwürde!)

Wir meinen, es soll auch den Menschen zustehen, die als Flüchtlinge, als Asylbewerber hierher kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Kollege Focke möchte erwidern. Bitte schön!

Erstens, sehr geehrter Herr Kollege Limburg, müssen wir sie natürlich davor schützen. 90 % der Asylbewerber - das ist belegt - werden von Schlepperbanden in die Europäische Union gebracht. Die kennen sich genau aus. Wenn in Deutschland die Asylanträge bestimmter Gruppen massenhaft abgelehnt werden, dann nehmen die Banden ihnen das Geld ab und verschieben sie in das nächste Land. So ist die Praxis organisierter Kriminalität. Auch das gehört zur Wahrheit. Das dürfen Sie hier nicht immer ausblenden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Die entscheidende Frage ist nicht die Höhe der Leistungen. Darüber können wir sicherlich streiten; davon habe ich nichts gesagt. Die entscheidende Frage ist vielmehr: Wird das von der Solidargemeinschaft bezahlt oder nicht? - Da sage ich Ihnen ganz klar: Nein, das muss aus dem Asylbewerberleistungsgesetz bezahlt werden. Dazu, wie hoch die Leistungen in Zukunft sein werden, wird es demnächst einen Vorschlag des Bundesministeriums geben. Über den werden wir dann diskutieren.

Zu der Überschrift „Menschenwürde mit Rabatt“ kann ich nur sagen: Das hört sich eher wie inhaltlicher Sommerschlussverkauf der Grünen an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2429 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte der Kollege Nacke eine persönliche Bemerkung nach § 76 der Geschäftsordnung machen. Das haben wir nun schon ein paar Mal geübt. Deswegen werde ich das nicht noch einmal erläutern. - Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Polat, Sie haben in Ihrem Wortbeitrag zum letzten Tagesordnungspunkt nach meiner Wahrnehmung und auch nach der Wahrnehmung meiner Kollegen suggeriert, ich hätte mich im Rechtsausschuss des Niedersächsischen Landtages für eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgesprochen. Ich weise das zurück. Vor mir liegt das Protokoll der 91. Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am 18. Mai 2011. Ich zitiere meinen Beitrag - - -

Herr Kollege, das dürfen Sie nicht! Das wissen Sie.

Ich glaube, für meinen eigenen Beitrag gilt das nicht.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Das gilt nach meiner Auffassung für alle Beiträge.

Dann referiere ich mit eigenen Worten, was ich dort gesagt habe.

Das dürfen Sie.

Nachdem der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst dort vorgetragen hat, dass es einen Beschluss des Landessozialgerichtes NordrheinWestfalen gibt, dem Bundesverfassungsgericht eine Frage vorzulegen, bin ich dafür eingetreten, nicht schon diese Entscheidung des Landessozialgerichtes zum Anlass zu nehmen, das Gesetz zu ändern, sondern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Ich habe mich also

ausdrücklich nicht dafür ausgesprochen, das Gesetz zu ändern, bevor das Bundesverfassungsgericht eine abschließende Entscheidung getroffen hat.

Ich halte diese Vorgehensweise für dringend geboten. Ich glaube, das wäre eine falsche Wahrnehmung eines deutschen Parlaments. Es hat eine eigene Entscheidung zur Verfassungsauslegung zu treffen. Es würde sich unter Wert verkaufen, wenn es schon den Vorlagebeschluss zum Anlass nähme, das Gesetz zu ändern, statt das Urteil des Verfassungsgerichts abzuwarten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 35 auf:

Abschließende Beratung: Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie - Stellenwert der politischen Bildung wieder erhöhen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/3289 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 16/3724

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung.

Zunächst hat sich Frau Kollegin Leuschner für die SPD-Fraktion gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Plenarsitzung im Februar haben wir zum ersten Mal über unseren Antrag debattiert. Im April hat uns das Innenministerium bei den Beratungen im Innenausschuss über die durchgeführten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus informiert.

Meine Damen und Herren, um Missverständnisse zu vermeiden, sage ich: Die Landesregierung macht sicherlich etwas gegen Rechtsextremismus. Teilweise handelt es sich um Maßnahmen, die wir initiiert haben. Aber das sind Einzelmaßnahmen, die leider keine Wirkung erzielen. Das ist uns auch nach der Unterrichtung deutlich geworden.