Meine Damen und Herren, um Missverständnisse zu vermeiden, sage ich: Die Landesregierung macht sicherlich etwas gegen Rechtsextremismus. Teilweise handelt es sich um Maßnahmen, die wir initiiert haben. Aber das sind Einzelmaßnahmen, die leider keine Wirkung erzielen. Das ist uns auch nach der Unterrichtung deutlich geworden.
Wir haben unseren Antrag gestellt, weil wir eine Gesamtstrategie, ein nachhaltiges und abgestimmtes Gesamtkonzept wollen, das ein Maßnahmenpaket beinhaltet und in vielen Ministerien greift. Es muss auch finanziell genügend unterlegt werden.
Das fehlt uns. Deswegen unser Antrag. Wir haben im Januar dieses Jahres Sie, Herr Innenminister, aufgefordert - - -
Frau Leuschner, warten Sie bitte einen Moment! - Meine Damen und Herren, es wird auf allen Seiten des Hauses geredet.
Wenn Sie etwas besprechen möchten, dann machen Sie das bitte nicht im Plenum. Das gilt auch für meine eigene Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, im Januar dieses Jahres haben wir Sie aufgefordert, die jeweiligen Ursachen der einzelnen Extremismusformen unterschiedlich und differenziert zu betrachten. Sie haben geantwortet: Gut, in Zukunft würden Sie das machen. - Auch Bundesministerin Schröder hat eine Gleichsetzung dieser Extremismusformen vorgenommen. Sie haben auf Bundesebene zahlreiche Trägerinnen und Träger von Projekten verpflichtet, die Demokratieerklärung gegen Extremismus zu unterzeichnen. Wir haben den Protest dieser Organisationen mit unterstützt, weil ich der Ansicht bin: Das geht nicht!
Meine Damen und Herren, ganz aktuell mussten wir aber feststellen, dass die Beratung des Antrags des Landes Berlin mit dem Titel „Demokratischer Dialog“ in dem Bundesprogramm „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ und „Initiative Demokratie fördern - die Demokratieerklärung überarbeiten“ jetzt auf Antrag des Landes Niedersachsen vertagt worden ist. Ich frage Sie: Wo ist Ihre Ankündigung, dass Sie das nicht weiter fördern wollen? - Ich glaube, es ist wichtig, im Gegensatz zu Ministerin Schröder da ein bisschen weiterzugehen. Aus unserer Sicht ist das ein Skandal!
Wenn Sie so vollmundig sagen, Herr Innenminister, dass Sie etwas gegen Rechtsextremismus unternehmen, dann frage ich Sie: Wo waren Sie denn, als am Rande des Schlesiertages die Schlesische Jugend, die von Rechtsextremen unterwandert ist, im Vorfeld der Messehallen ihre Zeitung Der Schlesier verteilt hat?
Werden sie vom Verfassungsschutz untersucht? - Ich bin der Ansicht: Das muss im Grunde genommen gemacht werden. Wir fordern im Gegensatz zu Ihnen ein konsequentes, abgestimmtes Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus, das sowohl die zivilgesellschaftlichen Akteure unterstützt als auch zu Aktivitäten ermuntert.
Wir haben uns im Vorfeld unseres Antrages mit wissenschaftlichen Studien auseinandergesetzt. Es gibt eine ganze Menge Studien, die besagen, dass chauvinistische, menschenfeindliche Positionen, antisemitische Positionen und islamophobe Einstellungsmuster zunähmen. Die Abstimmung über und Abwertung von Menschen muslimischen Glaubens nimmt in unserer Gesellschaft zu. Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen. Dagegen müssen wir etwas machen.
Herr Innenminister, es reicht leider nicht aus, immer nur den Dialog zwischen den Religionen zu fördern. Das hat letzten Donnerstag auch Frau Dantschke auf Ihrer Tagung sehr eindeutig zum Ausdruck gebracht. Man muss ein Maßnahmenpaket entwickeln, das auf vielen gesellschaftlichen Ebenen greift. Das beinhaltet bildungspolitische Maßnahmen und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Da ist eine andere Kulturarbeit gefordert.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist extrem wichtig: Man muss eine andere Definition von Integrationspolitik entwickeln.
Da setzt unser Antrag an, weil innerhalb einer Gesellschaft immer noch in „Wir“ und „Die anderen“ unterteilt wird. Dass ausschließlich Menschen mit ausländischen Wurzeln Integrationsdefizite hätten, ist schlicht und einfach falsch. Es gibt auch misslungene Integration unter Menschen deutscher Herkunft. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Es geht um Partizipation. Dem müssen wir uns zuwenden.
Ich möchte das wiederholen: Wir meinen nicht, dass der Verfassungsschutz für Bildungsarbeit und Aufklärung gegen rechts zuständig sein muss,
sondern dass das unabhängige Bildungsinstitutionen sein müssen, die auch parlamentarisch kontrolliert werden. Daher unser Antrag.
Sie haben bisher jegliche Aufforderung von uns, ein Gesamtkonzept vorzulegen, nicht erfüllt. Deswegen kann ich nur einen Appell an Sie von den Fraktionen der CDU und der FDP richten: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Er ist ein guter Antrag. Wenn wir das finanziell gemeinsam unterlegen, dann kommen wir endlich weiter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits bei der Einbringung des Antrags „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus“ habe ich erwähnt, dass wir seit Anfang der Legislaturperiode mit Anfragen, Anträgen und mit einer Aktuellen Stunde mit diesem Thema unterwegs sind und die Debatten hier bereichert haben.
Ich möchte exemplarisch nennen: die Initiative für ein neues NPD-Verbotsverfahren, den Antrag zur Verbesserung der länderübergreifenden Zusammenarbeit gegen Neonazismus und Rassismus, den Antrag „Humanität und Solidarität statt menschenverachtender Ausgrenzung“, die Initiative zum Städtebündnis gegen Rassismus und nicht zuletzt unsere Anträge in der Haushaltsberatung, um z. B. ein Landesprogramm gegen Neonazismus finanziell unterstützen zu können.
Wie notwendig alle diese Initiativen waren, wurde uns in der Ausschussberatung gesagt, nämlich in dem erschreckenden Bericht der Landesregierung. Frau Leuschner sagte es gerade. „Welche Rolle spielt der Verfassungsschutz in der politischen
Bildung?“ war ein Thema. Noch deutlicher ist es geworden, als wir die Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Thema Veranstaltungen der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde an den Schulen erhalten haben. Hier wird ein bundesweiter Trend deutlich, der in Niedersachsen ganz besonders ausgeprägt ist. Danach übernimmt der niedersächsische Verfassungsschutz Aufgaben, die eben nicht ein Geheimdienst übernehmen darf und die nicht von ihm zu erfüllen sind, nämlich die Bildung an Schulen. Ich möchte ganz klar sagen: Ein Geheimdienst ist nicht für die politische Bildung und Aufklärung an Schulen zuständig!
Zudem möchte ich auf die Antworten auf meine Kleine Anfrage eingehen, weil sie ziemlich erschreckend sind und das untermauern, was ich gerade gesagt habe. Von Januar bis jetzt hat der Verfassungsschutz 50 Veranstaltungen mit mehreren Tausend Teilnehmern an Schulen durchgeführt, zum Teil auch sogenannte Jugendkongresse. Dort ist es vorgekommen, dass Linke im Planspiel mal so eben in linksextremistische Gruppen katapultiert worden sind. Meine Damen und Herren, so geht das nicht!
Erschreckend finde ich es auch, wenn im Zweifelsfall Jugendliche zunächst mit dem Verfassungsschutz konfrontiert werden, bevor sie üben können, in demokratischen Strukturen demokratisches und solidarisches Verhalten zu erlernen.
Ich sage: Wir sollten nicht den Verfassungsschutz finanziell stärken - für die nächsten Haushaltsberatungen sollten wir uns das merken -, sondern die Bereiche, in denen Kinder und Jugendliche lernen können, Solidarität und Verantwortung auszuüben. Dass das in demokratischen Strukturen unter Anleitung oder in Selbstverwaltung erlernbar ist, zeigen z. B. Schüler- und Auszubildendenräte, aber auch Jugendverbände, wie die Naturfreundejugend, die Falken, die Linksjugend [’solid], die Feuerwehrjugend, die Evangelische Jugend, die Katholische Jugend. Das ließe sich auch noch weiter fortführen.
Wichtig - meine Damen und Herren, hören Sie sich das ruhig einmal an - ist auch die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Gruppen
- das ist mein letzter Satz - und Initiativen, in denen sich z. B. Jugendliche mutig gegen die Neofaschisten in unseren Städten stellen, um demokratische Strukturen aufrechtzuerhalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie“ beschäftigt sich nicht nur mit diesen Extremen, sondern auch mit der Erhöhung des Stellenwertes für die politische Bildung.
Meine Damen und Herren, wir haben einen ähnlichen Antrag bereits vor zwei Jahren behandelt. Damals haben wir diesen Antrag hier im Landtag einstimmig verabschiedet und waren einhellig der Auffassung, dass diese Landesregierung sehr viele Maßnahmen in Bezug auf extremistische politische Richtungen angeschoben hat. Ich glaube, das ist auch heute noch der Fall.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Rechtsextremismus ist ein Schandfleck in unserer Gesellschaft.