Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Herr Kollege Miesner, Sie müssen gar nicht mit mir schimpfen. Ich begründe, warum wir diesen Antrag ablehnen. Das ergibt sich aus der Sache.

Wir werden ihm nicht zustimmen, weil er das Thema nicht wirklich aufgreift und teilweise Arbeitsaufträge an die Landesregierung enthält, die sowieso schon längst erledigt werden. Ich hoffe jedenfalls, dass sie erledigt werden. Wenn die Landesregierung das nicht tun sollte, dann wäre das ein Versagen. Aber Herr Sander sagt, er macht es schon. Ich werde gleich noch darauf eingehen.

Ich will das nicht damit begründen, dass ich jemandem vorwerfe, er habe noch kein schlüssiges Speicherkonzept. Ich behaupte, es gibt niemanden in Deutschland, der im Moment ein schlüssiges und endgültig ausgefeiltes Speicherkonzept auf den Tisch legen kann, weil die Zeit dafür viel zu kurz war. Gerade Ihr Laufzeitverlängerungsgesetz hat dazu beigetragen, dass Innovationen und Forschung in diesem Bereich gebremst wurden und nicht vorangekommen sind.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Miesner, mit Ihrem letzten Satz haben Sie völlig recht. Wir müssen alles tun, um nach dem heute in Berlin beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie die Umstellung auf 100 % Erneuerbare zu bewerkstelligen. Ich hatte in einer schriftlichen Kleinen Anfrage an die Landesregierung darum gebeten, mir einmal mitzuteilen, welche Anteile die erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung und der Wärmeproduktion in den Landkreisen Niedersachsens haben. Die Antwort der Landesregierung war: Der Landesregierung liegen darüber keine Kenntnisse vor. - Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass die Landesregierung nicht weiß, inwieweit Strom oder Wärme in den Landkreisen über die dort verfügbaren Anlagen erzeugt werden. Ich will Ihnen das gar nicht zum Vorwurf machen, das ist nur eine Feststellung. Aber wenn ich nicht einmal weiß, in welchem Umfang etwas produziert wird, wie will ich dann ein Speicherkonzept vorlegen? - Das funktioniert doch gar nicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Ein solches Zahlenwerk zu erstellen, wäre also schon einmal ein Arbeitsauftrag, damit man darauf reagieren kann. Denn das ist für die Landkreise ja von großer Bedeutung.

In der Ausschussberatung habe ich eine Reihe von Fragen an die Landesregierung gestellt, und ich bin sehr dankbar, dass diese Fragen vor der heutigen Plenarsitzung beantwortet wurden. Die Beantwortung der Fragen zeigt zum einen, dass die Mitarbeiter im MU trotz der Schwierigkeit, dass sich beim EEG sozusagen im Halbstundenrhythmus etwas verändert und man nicht so genau weiß, wie die Endfassung tatsächlich aussieht, durchaus gute Detailkenntnisse haben, und zum anderen, dass neben dem EEG vor allem auch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, das KWK-Gesetz und das Energiewirtschaftsgesetz eine große Rolle für die Speichertechnologie spielen. Davon steht in Ihrem Antrag leider überhaupt nichts. Gleichwohl ist das natürlich ein wichtiger Bereich, in dem sich der Bund, aber auch das Land positionieren müssen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

In der Antwort auf meine Fragen wird auch darauf hingewiesen, dass es im Land Niedersachsen ein Innovationsförderprogramm und finanzielle Unterstützung dafür gebe, dass man hier etwas entwickelt. Ich würde Herrn Minister Sander gerne die Frage stellen - vielleicht kann er die Antwort darauf ja in seinen Redebeitrag einbauen -, in welchem Umfang Niedersachsen an dieser Stelle tatsächlich schon Beiträge für die Entwicklung von Speicherkapazitäten liefert. Ansonsten kann er diese Antwort ja nachreichen.

Die Bundesregierung hat angekündigt, in den nächsten drei Jahren 200 Millionen Euro in die Speicherförderung zu geben. Sie will das ressortübergreifend machen, indem BMU, BMWi und BMBF eine Roadmap erarbeiten, um Forschungsarbeiten zur Entwicklung einer großen Bandbreite von Speichertechnologien für Strom und Wärme zu unterstützen. Obwohl es schon - Herr Kollege Miesner hat darauf hingewiesen - eine Reihe von Pumpspeicherkraftwerken gibt, die wirtschaftlich betrieben werden, gibt es auch noch eine ganze Reihe anderer Technologien - ich kann sie hier gar nicht alle aufzählen -, bei denen das noch nicht der Fall ist und bei denen in der Tat noch ein Innovationssprung notwendig ist, um sie zu einer wirtschaftlichen Nutzung zu führen.

In dieser Speicheroffensive geht es um die Befreiung von Netzentgelten, um die Ermittlung des Bedarfs der Technologien, der Förderstrategien, der Rahmenbedingungen generell und auch der konkreten Förderinstrumente. Das alles liegt noch nicht vor, das alles muss noch entwickelt werden.

Wenn man wissen will, von welcher Größenordnung in diesem Bereich eigentlich die Rede ist, dann kann man - ich weiß gar nicht, ob die Zahl stimmt; aber ich nenne sie einmal, um anschaulich zu machen, wie die großen Unternehmen an der Stelle aufgestellt sind - in eine Pressemitteilung von E.ON aus Bayern schauen. Darin heißt es, dass gerade im Bereich Speichertechnologien in den nächsten Jahren - die haben das bis 2030 hochgerechnet - 25 bis 30 Milliarden Euro investiert werden müssen, davon im Übrigen 50 % für Druckluftspeicher- und Pumpspeicherkraftwerke. Das ist doch wirklich ein nennenswerter Betrag. Man kann sicher sein, dass sie diese Summe auch investieren werden, und zwar auch mit Gewinn. Insofern habe ich die Sorge, die einige unter dem Tagesordnungspunkt vorhin schon geäußert haben, nicht.

Weil Niedersachsen bei den Erneuerbaren eine so wichtige Rolle spielt, sollte es auch klar definieren, welche Interessen es hat und welche Strategien es tatsächlich vertreten will. In diesem Antrag wird darüber aber nichts ausgesagt. Unter Nr. 1 ist ja sozusagen ein Arbeitsauftrag an das Energieforschungszentrum Niedersachsen formuliert, die gegenwärtigen Speichertechnologien darzustellen. Das ist aber doch zu wenig! Darstellen heißt, eine Situation zu beschreiben. Damit sind aber keine Zielsetzungen formuliert.

(Glocke der Präsidentin)

Wenn Sie das Energieforschungszentrum als Bündelungsinstanz sehen, Herr Minister Sander, dann müssten Sie doch eigentlich auch ein Interesse daran haben, dass das EFZN die nötigen Kompetenzen und die nötigen Mittel hat, um das alles bewerkstelligen zu können. Nach meinem Eindruck ist das im Moment noch keineswegs der Fall. Auch die Anerkennung der Arbeit des EFZN in anderen Bereichen scheint mir noch verbesserungsfähig zu sein - um das freundlich zu formulieren.

Warum eigentlich gibt es in Niedersachsen keine ressortübergreifende Arbeit der Ministerien? Oder haben Sie die bislang nur geschickt verheimlicht?

(Zustimmung bei der SPD - Glocke der Präsidentin)

Die Bundesregierung - ich habe das gerade dargestellt - arbeitet daran und plant so etwas. Ich denke, das wäre auch ein guter Ansatz für Niedersachsen, in diesem Bereich ressortübergreifend etwas zu erarbeiten und nicht nur nebeneinander her zu arbeiten.

Ich habe jetzt einige Punkte genannt, aufgrund derer wir diesem Antrag nicht zustimmen. Die Mehrheit der Prüfaufträge und auch die sonstigen Formulierungen haben bei uns den Eindruck erweckt - - -

Letzter Satz!

Letzter Satz, Frau Präsidentin -, man hat nach dem Motto gearbeitet: Wir müssen noch irgendetwas zum Thema Speichertechnik machen, was, ist relativ egal. - Das ist etwas zu wenig. Wir werden in den kommenden Jahren mit Sicherheit noch massiv an diesem Thema arbeiten müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Hocker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es zeichnet sich ja ab, dass der Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung am 8. Juli von einer breiten Mehrheit des Deutschen Bundestages getragen werden wird. Das erfreut uns natürlich. Aber wir sind der Überzeugung, dass die Arbeit damit jetzt erst so richtig losgeht.

Denn gerade nach dem Ausstiegsbeschluss stellt sich ja die Frage, wie die erneuerbaren Energien für eine auch grundlastfähige Stromversorgung in Deutschland tatsächlich fit werden sollen, noch viel drängender als vor diesem Ausstiegsbeschluss. Die Grundlastfähigkeit der erneuerbaren Energien ist bislang nur bei der Biomasse, bei der Wasserkraft und natürlich auch bei der Geothermie gewährleistet. Deshalb ist es existenziell wichtig, um die Energiewende - das habe ich bei dem Punkt zuvor auch schon gesagt - wirklich tragfähig zu machen, Speichertechnologien für die Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu entwickeln. Denn nur

wenn es gelingt, den Strom aus den erneuerbaren Energien zu speichern und bedarfsgerecht ins Netz einzuspeisen, werden wir in fernerer Zukunft vielleicht auch wieder davon sprechen können, weniger Windkraftanlagen, Biogasanlagen und vielleicht auch weniger Photovoltaikanlagen zu benötigen.

(Zustimmung von Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP])

Wir sind froh, dass das Energieforschungszentrum in Goslar einen Prototyp für ein unterirdisches Pumpspeicherkraftwerk entwickelt hat. Wir glauben, dass das ein sehr verheißungsvoller und vielversprechender Weg ist, und unterstützen ihn. Zu klären sind noch einige Fragen, insbesondere auch, ob die Genehmigung nach Wasserrecht oder nach Bergrecht erfolgen müsste. Aber ich glaube, dass man dort auf einem guten Weg ist.

Weil wir den Menschen eben nicht vorschreiben wollen, wann sie die Waschmaschine oder den Wäschetrockner einzuschalten haben oder den Fernseher benutzen dürfen - nämlich dann, wenn genug Strom in den Netzen ist - - -

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie sol- len die Technik erforschen, mit der das möglich ist! - Rolf Meyer [SPD]: Sie wollen nur nachts keine Wäsche aufhängen!)

Herr Dr. Hocker, ich unterbreche Sie ungern, aber es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Herzog.

Herr Herzog!

Vielen Dank, Dr. Hocker, dass ich zwischenfragen darf. - Sie betonen das ja immer wieder sehr gerne: Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, z. B. intelligent gesteuert nachts ihre Waschmaschine laufen zu lassen. - Aber Sie schreiben den Menschen doch z. B. auch vor, in den Nachtstunden auf den Straßen die Geschwindigkeit zu drosseln oder nach 19 Uhr keine Flaschen mehr in Container zu werfen. Warum nicht auch so etwas?

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Hocker!

Lieber Herr Kollege Herzog, manche Fragen, die Sie stellen, entlarven Sie am meisten selbst. Das heißt also, dass Sie genau das vorhaben. Sie wollen den Menschen genau das vorschreiben, nämlich wann sie Strom benutzen sollen. Das ist, glaube ich, genau der falsche Weg, wenn es wirklich darum geht, die Menschen bei der Energiewende mitzunehmen und Akzeptanz für erneuerbare Energien herzustellen. Das wird Ihnen nicht gelingen, indem Sie den Menschen solche Vorgaben machen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich glaube, das ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern vor allem auch eine Frage der Selbstbestimmung. Machen Sie mit auf dem Weg, erneuerbare Energien auch speicherfähig zu machen. Nur dann kann die Energiewende gelingen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun hat Herr Herzog für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist unstrittig, dass beim steigenden Einsatz fluktuierender erneuerbarer Energien auch Speicher benötigt werden, aber auch, dass dafür mit erheblich mehr Aufwand geforscht werden muss als noch zu Zeiten des atomfossilen Mainstreams. Allerdings kann man auch hier durchdacht herangehen oder, wie ich finde, ineffizient.

Die schon beforschten Bereiche zu sichten, wie Sie es fordern, kann nicht falsch sein, sollte doch aber im Umweltministerium immer aktuell vorliegen und dann auch abrufbar sein, insbesondere wenn schon seit zwei Jahren eine Regierungskommission arbeitet, die mit so vielen Lorbeeren bedacht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn z. B. die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen im März 2011 zu dem Schluss kommt, die Energieforschung in Niedersachsen sei stark fragmentiert, dann zeigt sich auch an dieser Stelle, dass eine politisch entwickelte Gesamtstrategie fehlt oder zumindest in den vergangenen Jahren wegen anderer Prioritäten stark vernachlässigt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kommission bescheinigt übrigens auch der Wirtschaft ein eher geringes Engagement in der Forschung. Hier bedarf es offenbar eines schnellstmöglichen Umsteuerns in den politischen Zentralen. Forschung darf eben nicht an Landesgrenzen enden. Unnötige Doppelungen sind zu vermeiden. Also muss eine wenigstens national abgestimmte Strategie her.

Das Bundesforschungsministerium will noch in diesem Jahr ein 200-Millionen-Euro-Paket auf den Weg bringen, die Förderinitiative Energiespeicher. Dabei sollen alle Formen von Speichern erforscht werden. Außerdem sollen gleichzeitig Anreize für den praktischen Einsatz geschaffen werden. Hier gilt es doch, schnellstmöglich niedersächsische Qualitäten einzubringen, Forschungskapazitäten einzubringen und auszubauen.