Protokoll der Sitzung vom 01.07.2011

Die Menschen im Wendland könnten den Begriff „Ethik“ füllen; denn Sein bestimmt bekanntlich das Bewusstsein. Gorleben herauszulassen und kraftlos zu vertagen, heißt hingegen: Röttgen schafft zusammen mit dem grünen BfS-Chef König knallharte Fakten, fährt Strecke um Strecke im Endla

ger-Schwarzbau auf und wird 2013 die vorläufige Sicherheitsanalyse zurechtgebastelt haben. Auch die von Ihnen wieder geschaffene Enteignungsmöglichkeit von Besitzern von Grundstücken über dem Salzstock bleibt von Rot-Grün jetzt unangetastet.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Da haben Sie nicht alles gelesen!)

Meine Damen und Herren, wir Linke haben ein Ausstiegskonzept vorgelegt, bei dem das letzte AKW 2014 vom Netzt ginge - stufenweise, abwechselnd Nord und Süd. Das ist vor dem Hintergrund der Zubauraten bei den erneuerbaren Energien und den im Bau befindlichen konventionellen Kraftwerken von den Strommengen her plausibel durchgerechnet. Damit befinden wir uns in guter Gesellschaft z. B. mit Professor Hohmeyer und mit Christian von Hirschhausen von der Uni Berlin, die 2014 und 2015 für realistisch halten,

(Christian Dürr [FDP]: Physiker Pro- fessor Dr. Dr. Herzog!)

und mit weiteren 1 300 Professoren und Wissenschaftlern und 250 000 Menschen, die diese Anzeige unterschrieben haben.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das können wir nicht lesen! Es ist falsch herum!)

- Schön, dass Sie das noch merken. Sonst merken Sie ja nicht viel, Herr Hocker.

Unumkehrbar ist gar nichts. Womöglich politisch gewollte Rechtsunsicherheit kann zu hohen Entschädigungen an die Atom-Viererbande zulasten des Steuerzahlers führen und damit jederzeit zur Rücknahme dieses Langzeitpseudoausstiegs. Nicht umsonst spart sich Angela Merkel sechs Atomkraftwerke für 2020, 2021 und 2022 auf.

(Zurufe)

Dann kann man bis dahin nämlich nachweisen, wir brauchen sie doch, und dann sind sie wieder da. Herr Nacke, unumkehrbar ist etwas anderes.

(Jens Nacke [CDU]: Verschwörungs- theorie!)

Unumkehrbar ist, was Österreich macht: neun Sätze in der Verfassung, und dann ist Schluss mit dem Atomspuk, und zwar einstimmig.

(Beifall bei der LINKEN)

Was allerdings Schwarz-Gelb heute hier vorlegt, ist nicht einmal ein Pausenfüller - ein Jubeltext völlig

ohne Substanz. Der zunächst vorgelegte Gorleben-Teil wurde klammheimlich wieder herausgestrichen, Herr Nacke. Warum denn bloß?

(Zuruf von der CDU: Dann würde ich mich doch nicht so aufregen, ver- dammt!)

Ein absolutes Armutszeugnis ist dieser Alibitext, damit Sie mit der Arroganz der Mehrheit alle anderen Anträge vom Tisch wischen können. Gratuliere!

(Zuruf von der CDU: Eine Frechheit ist das!)

Wir haben einen neuen Antrag in Ergänzung unseres ersten vorgelegt - Sie werden ihn hoffentlich gelesen haben - und beantragen, heute über ihn abzustimmen. Er hat drei ganz klare Schwerpunkte: erstens eine schnelle Beendigung der Atomenergie bis 2014, zweitens nicht nur einen Stopp, wie die Grünen und die SPD es wollen, sondern die endgültige Aufgabe von Gorleben, wie der Kreistag im Wendland es will,

(Beifall bei der LINKEN)

und drittens die Unumkehrbarkeit des Ausstiegs über die Aufnahme ins Grundgesetz, wie Österreich es uns vorgemacht hat. Nur so, meine Damen und Herren, kann man Tschernobyl und Fukushima angemessen Rechnung tragen. Ansonsten bleibt der Ausstieg weiterhin Handarbeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Briese zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. - Ich finde, es war wie immer sprachlich interessant, rhetorisch blumig. Ich höre Ihnen gerne zu, Herr Herzog.

(Bernhard Busemann [CDU]: Sprach- lich war das 60er-Jahre! - Zuruf von DER LINKEN: Mit der Faust in der Tasche!)

- Doch, doch. Rhetorisch ist das immer relativ geschliffen.

(Jens Nacke [CDU]: Sprachlich ist das Groschenroman!)

Inhaltlich war es relativ dürftig und mager. Auch das muss man einmal feststellen. Ich habe viel

Trennungsschmerz gehört. Alte Wunden sind noch nicht vernarbt. Das ist auch typisch. Sie haben maximale Verbalinjurien zum Besten gegeben.

Wir wollen ganz klar feststellen: Die Linke in Deutschland - wie auch immer sie heute heißt, ob alte Partei, PDS, Linkspartei oder wie auch immer - hat nichts, aber auch gar nichts zum Atomausstieg in diesem Lande beigetragen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben es nicht in der Vergangenheit getan, Sie haben es nicht jetzt getan, und Sie werden es auch nicht in Zukunft tun. Zum Ausstieg aus der Atomenergie hat die Linkspartei nichts, aber auch gar nichts beigetragen. Das gehört wirklich zur historischen, zur geschichtlichen Wahrheit dazu.

(Zurufe von der CDU)

Herr Herzog, die Grünen haben es sich mit diesem Ausstieg wahrlich nicht leicht gemacht. Das haben auch Sie mitbekommen. Wir haben einen sehr kontroversen Parteitag darüber abgehalten. Das Ergebnis war eng. Die Debatte war spannend und kontrovers. Wir haben auf unseren Parteitag noch einmal die Debatte geführt, ob der Ausstieg jetzt richtig ist oder er schneller kommen müsste.

(Zuruf von der CDU: Die Debatte war nicht schlecht!)

Wir haben also eigentlich stellvertretend auf unserem Parteitag die Debatte noch einmal geführt.

Wir stimmen nur dem Ausstiegsszenario zu. Allen anderen sieben Gesetzen, die die Bundesregierung jetzt auch noch bezüglich der Energiewende beschließt - - -

Herr Kollege, Ihr letzter Satz!

- - -, stimmen wir nicht zu. Wir wollen deutlich schneller in die Energiewende eintreten, ganz im Gegensatz zu zwei prominenten Bundesländern, nämlich dem Land Brandenburg, welches für die CCS-Technologie eintritt - - -

Nein, Herr Kollege. Das geht nicht.

(Der Präsident schaltet dem Redner das Mikrofon ab - Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ich gehe davon aus, dass Herr Herzog erwidern möchte. - Herr Herzog, Sie haben auch für 90 Sekunden das Wort.

(Bernhard Busemann [CDU]: Wie war der Kreistag? Dieser tolle Kreistag, von dem Sie reden!)

Was genau wollen Sie wissen? - Sie können mich das gerne mal fragen. Dann können wir darüber reden - - -

Herr Kollege, Sie müssen Ihre 90 Sekunden jetzt zur Erwiderung nutzen.

Herr Präsident! Herr Briese, es ist klar, dass Sie jetzt in die Bütt müssen und dies verteidigen müssen. Ich sage Ihnen einmal etwas. Möglicherweise wissen Sie das nicht.

Erstens. Die Linke hat sehr viel dazu beigetragen. Als Ihre Partei 2001 diesem sogenannten Nonsens-Konsens mit all den von mir aufgezählten Kröten zugestimmt hat, hat die PDS dagegen gestimmt. Sie hat auch dagegen gestimmt, diesen Strahlenschutz so aufzuweichen, dass die Atomindustrie so arbeiten kann, wie sie es jetzt kann. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Das ist nämlich die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Wenn das Ergebnis bei den Grünen über die Frage knapp war, ob man diesem Neuaufguss des sogenannten Konsens zustimmt, dann war es im Wendland knapp, allerdings nur für Rebecca Harms. Sie stand dort völlig allein. Der Kreisverband der Grünen im Wendland ist an dieser Stelle glasklar.

Drittens. Ich werfe Ihnen hauptsächlich vor, dass Sie dieser Sache ohne Not zustimmen, Merkel sozusagen eine Steilvorlage geben und Gorleben nicht mit in diesem Paket abhandeln, obwohl Sie immer sagen, Gorleben sei untauglich. Es bleibt im Topf. Sie werden sich wundern. Merkel wird zusammen mit Wolfram König und Röttgen darüber hinwegrauschen. Sie werden Gorleben im Topf lassen und prioritär zum Endlager ausbauen wollen. So sieht es nämlich aus.