Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Ergebnis weltweiter Bürgerproteste und Mahnungen aus der Wissenschaft, die der niedersächsische Wirtschaftsminister allerdings vollkommen ignoriert, wie wir heute Morgen feststellen konnten.

(Rolf Meyer [SPD]: So ist er eben!)

Bisherige Ergebnisse: Der US-Bundesstaat New York hat neue Bohrungen nach Schiefergas untersagt. In Frankreich wurde das Fracking im Sommer dieses Jahres verboten - weltweit das erste Land mit einem Fracking-Verbot. Kommunen und Bürger in Niedersachsen und NRW protestieren und verabschieden Resolutionen, wie z. B. bei uns im Emsland, mit den Stimmen der CDU und der FDP. Enthalten in dieser Resolution ist auch die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung, verabschiedet mit den Stimmen der Landtagskollegen, die jetzt leider nicht hier sind, Bernd-Carsten Hiebing und Heinz Rolfes.

Frau Stief-Kreihe, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Herr Meyer!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie das finden - Sie schildern ja die ganzen Umweltauswirkungen -, dass der Umweltminister bei dieser Debatte nicht dabei ist und dass man vom Umweltminister bislang nichts dazu gehört hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Rolf Meyer [SPD]: Seit wann interessiert diesen Umweltminister die Umwelt?)

Das kann ich nur unterstützen.

(Zuruf)

- Die Frage war gar nicht an mich? - Stimmt! „Herr Präsident!“, hat er gesagt.

Ich habe „Herr Präsident!“ als Anrede verstanden. Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Es ist ja auch keine Frage an mich. Ich bitte Sie!

Herr Meyer, ich habe gerade gesagt, ich kann das nur unterstützen. Wir konnten schon heute Morgen feststellen, dass der Umweltminister an diesem Thema anscheinend überhaupt kein Interesse hat.

(Zustimmung bei der SPD - Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Er ist gerade gekommen!)

- Er ist doch gekommen? Ein bisschen spät, nicht wahr? - Aber Sie können ja noch ein bisschen was mitnehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wasserversorger, Stadtwerke und Wasserverbände beobachten die Entwicklung mit großer Sorge. Anlässlich eines Besuchs von uns in Vechta haben wir erfahren, dass die Wasserversorger schon jetzt mit der Anfechtung möglicher Fördergenehmigungen drohen.

Der Verband kommunaler Unternehmen äußert großes Befremden über das Verhalten Niedersachsens im Bundesrat. Der Grund: In Deutschland führen Energiekonzerne Probebohrungen durch, ohne dass sich die Bundesregierung - diese Landesregierung schon gar nicht - um mögliche Umweltrisiken und transparente Genehmigungsverfahren kümmert.

Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und in den Regierungsfraktionen, befördern mit Ihrem Verhalten, mit Ihrer Hinhaltetaktik das Misstrauen in der Bevölkerung.

(Beifall bei der SPD)

Einer der Kernpunkte in dem heute vorliegenden Antrag, aber auch eines bereits im April dieses Jahres eingebrachten Antrages in der Drs. 16/3519 ist die Novellierung des Bundesberggesetzes. Das Bundesberggesetz ist veraltet und daher nicht annähernd geeignet, die Risiken heutiger Förderverfahren wie das Fracken zu bewerten.

(Beifall bei der SPD)

Die bergrechtlichen Genehmigungen ermöglichen bisher keine Betrachtung der spezifischen Auswirkungen solcher Verfahren im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

(Detlef Tanke [SPD]: Das ist der Punkt!)

Die Festlegung einer Fördermenge von täglich mindestens 500 000 m

3, bei der erst eine UVP durchgeführt werden muss, führt bei der unkonventionellen Erdgasgewinnung dazu, dass es eine UVP nicht geben wird, da diese Fördermenge in

der Regel nicht erreicht wird. Deshalb also unsere Forderung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von der Fördermenge verpflichtend eingeführt werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Ein generelles Fracking-Verbot muss es für Wasserschutzgebiete geben. Das Bundesumweltamt hat in seiner Stellungnahme den notwendigen Forschungsbedarf und offene Fragestellungen aufgelistet: Wasserentnahme, Wasserbedarf, Chemikalieneinsatz und daraus resultierende Gefährdungen, Lagerstättenwasser und mögliche toxische Effekte, Entsorgung der Frackflüssigkeiten und des Lagerstättenwassers sowie die Einsicht - auch das wurde heute Morgen anders dargestellt; ich zitiere -, dass die in den USA erlangten Erkenntnisse bei der Schiefergasgewinnung in eine kritische Überprüfung der Explorationsverfahren in Deutschland einfließen sollen.

Das Bundesumweltamt geht davon aus, dass die Gefahren bei Fracking allein durch den Chemikalieneinsatz größer sind als beim CCS. Solange Umweltrisiken nicht ausgeschlossen werden könnten, werde es keine Fördergenehmigungen geben, beteuert Bundesumweltminister Röttgen.

Es ist schon aberwitzig, Herr Minister Bode, wenn Sie von jahrzehntelangen Erfahrungen berichten und genau die vom Bundesumweltamt aufgelisteten Fragen bisher im Bundesberggesetz überhaupt keine Bedeutung haben.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, diese Punkte werden in hausinternen Genehmigungsverfahren überhaupt nicht geprüft.

(Detlef Tanke [SPD]: Das ist das Problem!)

Meine Damen und Herren, wie verhält sich Niedersachsen? - „Niedersachsen kämpft für Fracking“ titelte die NOZ am 10. August. Niedersachsen stimmte im Bundesrat gegen einen Antrag von NRW auf Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bergbaulicher Vorhaben und änderte kurzerhand - das haben wir heute schon ein paar Mal gehört - die niedersächsische Verordnung über die Förderabgabe, indem einfach schnell ein neuer Paragraf eingeschoben wurde und nunmehr nicht fündige Aufschluss- oder Probebohrungen mit bis zu 2 Millionen Euro von der Förderabgabe befreit werden.

Herr Bode, Sie selbst sagen ja, diese Änderung diene als Investitionsanreiz. Ich füge hinzu: Wenn

es auf der einen Seite einen Investitionsanreiz gibt, warum gibt es dann auf der anderen Seite kein Geld für die Untersuchung möglicher Umweltrisiken durch die hier in Niedersachsen angewandte Frack-Technologie im Schiefergestein? Warum stellen Sie dafür kein Geld zur Verfügung? - Das dient zwar nicht als Anreiz für die Erdgasunternehmen, würde aber den Menschen in den betroffenen Regionen vielleicht etwas Vertrauen zurückgeben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie, Herr Minister Bode, scheinen ja über alle Weisheiten zu verfügen - entgegen vieler Stellungnahmen aus der Wissenschaft, entgegen der Aussagen des Landesbergamts im Umweltausschuss, das ein Restrisiko nicht ausschließen kann, und entgegen der Stellungnahme des Umweltbundesamtes.

Laut Presse wirbt Herr Bode für einen niedersächsischen Lösungsansatz, der eine UVP lediglich für Maßnahmen mit erhöhtem Risiko vorsieht. Herr Bode, auch das wurde heute Morgen leider nicht klar: Wie definieren Sie das erhöhte Risiko?

(Beifall bei der SPD)

Wer entscheidet, ob ein erhöhtes Risiko vorliegt? Wird hier in Niedersachsen die Förderung unkonventionellen Erdgases nur unter wirtschaftlichen Aspekten gesehen? - Auch das war heute Morgen die Frage, und darauf bezog sich auch die Frage von Herrn Meyer nach der Anwesenheit des Umweltministers.

Über die wirtschaftlichen Aspekte wollen wir heute nicht reden; das ist auch nicht die Grundlage unseres Antrags. Aber noch einmal zu Frau König, die jetzt leider auch nicht da ist. Sie hatte mir vorhin unterstellt, ich hätte mich gegen Arbeitsplätze ausgesprochen. Auch das stimmt nicht. Ich habe vielmehr die Aussagen eines Professors aus Clausthal-Zellerfeld zitiert, der bei einer Anhörung in Nordrhein-Westfalen dazu Stellung genommen hat. Da Herr Bode den Namen nicht verstanden hatte, wiederhole ich ihn: Es handelt sich um Herrn Professor Dr. Blendinger von der TU Clausthal. Bisher hat sich der Umweltminister überhaupt noch nicht zu Wort gemeldet. Wir wollen einmal sehen, ob das heute der Fall sein wird.

Verständnis für Ihr Verhalten, Herr Minister Bode, finden Sie nicht. So ist auch der Verband der kommunalen Unternehmen sehr irritiert und fragt bei uns an, was denn bei dieser Landesregierung

los sei und warum der NRW-Antrag abgelehnt worden sei.

Vielleicht ist eine Pressemitteilung in der Öffentlichkeit etwas untergegangen, der die Zwiespältigkeit dieser Landesregierung oder auch des Bundes zum Schluss deutlich macht, die am 28. Juli in der Borkener Zeitung zu lesen war - ich zitiere -:

„Nun will offenbar auch die Bundesregierung das Fracking erschweren. Wie der WDR am Donnerstag berichtete, haben CDU/CSU und FDP im Mai einen Gesetzentwurf formuliert, mit dem das Bergrecht erheblich verschärft werden soll.

Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen danach verpflichtend werden, Wasserschutzbehörden ein Vetorecht bekommen und das Fracking in Wassereinzugsgebieten ausgeschlossen werden. Der Antrag wurde noch nicht in den Bundestag eingebracht, angeblich wegen Widerstands in der Union.“

Sie dürften also mit unseren Anträgen, wenn ich das so lese, überhaupt keine Probleme haben, schauen wir mal, wie die aktuelle Tagesmeinung aussieht; denn eine längere Haltbarkeitsdauer scheinen ihre vielen widersprüchlichen Aussagen nicht zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt für die Mitglieder der Landesregierung, aber auch für einzelne Fraktionsmitglieder, die wir bei Podiumsdiskussionen erleben können und die dabei die unterschiedlichsten Positionen vertreten, ohne dass wir diese hier wiederfinden können. Wir sind gespannt auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)