Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE Hat sich Herr Herzog zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Herzog!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon beachtlich, wenn ein Minister Umweltverträglichkeitsprüfungen für Verfahren ablehnt, die eine große Gefährdung von Umwelt und Grundwasser darstellen. Das Bode-Denken hat seine Wurzeln offenbar in den 1980er-Jahren.

Recht als Grundlage für die Entwicklung einer Gesellschaft muss sich aber der veränderten ge

sellschaftlichen Realität anpassen. Die CDU hat das z. B. in Bezug auf die Atomenergie in Teilen begriffen, wenn auch aus reinem politischem Überlebenstrieb. Die gesellschaftliche Realität erfordert ein sensibleres Herangehen an Natur- und Umweltbelange. Vor allem wollen Bürgerinnen und Bürger wissen, was neben, über und unter ihnen sowie vor allem mit ihnen passiert, und zwar früh genug, bevor die Kinder im Brunnen liegen - oder, besser gesagt, die Frack-Chemikalien im Trinkwasser oder im Blut der Anwohner zu finden sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das Paradebeispiel, wozu autoritäre Top-downVerfahren führen, ist Gorleben. Aber am wendländischen Widerstand werden alle Bohrer stumpf, das wissen wir.

(Beifall bei der LINKEN)

Klar, Stuttgart 21, aber auch die vielen Bürgerinitiativen, die wie Pilze aus dem Boden schießen an Höchstspannungstrassen, an Fracking-Bohrungen, an Autobahnprojekten, an Kavernenausspülungen, an Salzeinleitungen, bei CO2-Verpressungen etc: Diese BIs haben doch vielfach erst Öffentlichkeit hergestellt,

(Beifall bei der LINKEN)

und sie zeigen: Bürger vertreten ihre Interessen kompetent. Es reicht nicht mehr aus, dass irgendein ominöser gesellschaftlicher Nettonutzen berechnet wird, sondern es geht um eine umfassende Folgenabschätzung mit Vorrang für die Zeit nach der Nutzung. Dagegen war gestern, nämlich gegen transparente Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung. Das Bergrecht braucht dringend eine diesbezügliche Runderneuerung. Wir brauchen für alle Projekte im Untergrund Planfeststellung und Umweltverträglichkeitsprüfung.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Mehr Beteiligung, insbesondere auch der Kommunen, führt zwangsläufig zu kleinteiligeren, angepassteren Lösungen und kann der gierigen Gigantomanie den Garaus machen. Genau genommen ist Erdgas ein Dinosaurierenergieträger.

(Glocke des Präsidenten)

Insbesondere das unkonventionelle Gas weist schlechte Wirkungsgrade auf. Hoher technischer und energetischer Aufwand sind laut Studien schuld an der schlechten CO2-Bilanz. Nein, Herr

Bode, dass auch noch massiv zu fördern, um z. B. aus der Förderabgabe hohe Einnahmen zu erzielen, ist wiederum die Denke der 80er-Jahre. Das Hinterherschmeißen von Geld für erfolglose Versuche ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich empfehle, im Ministerkopf einmal Synapsen freizufracken

(Zustimmung bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Langsam ist es gut! Herr Präsident!)

und zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht nur das Nachbarbundesland NRW ebenso wie der Verband der kommunalen Unternehmen und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, sondern auch das BMU und dessen Chef Röttgen ein großes Risikopotenzial beim Fracken ausgemacht haben. Herr Bode, Sie wissen sehr wohl, dass bis zu 70 % des Chemiecocktails der FrackFlüssigkeit im Untergrund bleiben und

(Glocke des Präsidenten)

kein Mensch weiß, durch welche unkontrolliert erzeugten Risse er sich wohin seinen Weg bahnt. Letzter Satz: Setzen Sie sich für ein neues, modernes, demokratisches Bergrecht, für ein Aussetzen des Frackens ein. Schließen Sie die CO2-Verpressung definitiv aus, ohne Hintertüren. Schieben Sie den überdimensionierten, massenhaften Kavernenausspülungen, die Etzel und Umgebung wie Schweizer Käse durchlöchern, einen Riegel vor.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bitte jemandem von der Verwaltung zu überprüfen, inwieweit die Fahrzeuge vor unserem Landtagsgebäude mit dem Auspuff zur Wand hin geparkt sind. Hier riecht es nach Diesel. - Das wird untersucht und, so hoffe ich, schnellstens abgestellt.

Der nächste Redner ist Herr Hocker für die FDPFraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt ein Zeitfenster von ca. 15 Monaten vor uns, in denen keine Wahlen anstehen. Ich finde, wir sollten diese Zeit für gemeinsames politisches Handeln nutzen. Ich unterstelle

den beiden Antragsstellern gerne, dass ihre Anträge eine ganze Reihe von sehr sinnvollen Ansatzpunkten dafür liefern.

Andere Punkte wiederum sind fachlich falsch. Sie verschweigen z. B., dass bereits jetzt eine UVPPflicht für Tiefbohrungen mit einem Fördervolumen von 500 000 m³ pro Tag und mehr vorgeschrieben ist, und zwar europaweit. Darüber hinaus ist es der Landesregierung gelungen, eine UVP-Pflicht für die Errichtung unterirdischer Speicher auf den Weg zu bringen, jedoch nicht, wie Sie es fordern, im Rahmen einer Bundesratsinitiative, sondern durch die direkte Ansprache der Bundesregierung. Schließlich und endlich ist beim Fracking mittlerweile erfreulicherweise auch die Haftungsfrage geklärt. Die Betreiber müssen zeitlich unbefristet haften. Ich glaube, auch das ist ein Erfolg dieser Landesregierung.

Trotzdem kann ich die Ängste, die die Menschen vor dem Fracking haben, sehr wohl nachvollziehen. Es sind ja nicht nur Banken oder Versicherungen, sondern es ist auch Politik gewesen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten den privaten Immobilienbesitzern immer gesagt haben, dass der Eckpfeiler ihrer Altersvorsorge in erster Linie auch ihre Eigenheime sind. Deshalb ist es für mich nachvollziehbar, dass die Menschen Angst um den Erhalt und den Wert ihrer Immobilie haben.

Ich bin vor ziemlich genau vier Wochen bei der Bürgerinitiative Lebensqualität Horsten zu Gast gewesen. Herr Kollege Wenzel, Sie sind, wie mir berichtet wurde, auch da gewesen. Der Kollege Grascha hat den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ebenfalls einen Besuch abgestattet. Ich habe mich informiert, welche Ängste dort vor dem Ausbau des Kavernenfeldes Friedeburg/Etzel bestehen. Die Menschen vor Ort haben Angst vor den Bodenabsenkungen, die auf sie zukommen könnten, und natürlich auch Angst vor den Schäden an den Häusern. Aber vor allem hat man Angst davor, dass man im Falle des Falles beweisen müsste, dass der Betreiber Verursacher dieser Schäden gewesen ist. Ich bin kein Jurist, aber ich habe einen, meine ich, recht ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und auch einen halbwegs gesunden Menschenverstand.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Halbwegs!)

Ganz ehrlich: Wenn ein Konzern im Kavernenbetrieb Schäden verursacht, dann ist es für mich nur recht und billig, wenn dieser Verursacher auch für die Schäden haften muss. Die Beweispflicht muss in diesem Falle umgekehrt werden und bei dem

potenziellen Verursacher liegen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das sage ich nicht aus Populismus oder weil ich mich bei einer Bürgerinitiative gern lieb Kind machen möchte. Ich möchte, dass solche Projekte auch in Zukunft möglich sind, weil sie nötig sind, wenn wir die Energiewende gemeinsam stemmen wollen. Diese Wende wurde mit den Stimmen von Rot und Grün im Deutschen Bundestag beschlossen. Jetzt müssen wir auch gemeinsam handeln.

Ich weise nur darauf hin, Herr Kollege Wenzel, dass man, wenn das, was Sie im Antrag formuliert haben, wirklich verabschiedet würde, nämlich ein Verbot von Fracking in Trinkwasserschutzgebieten und Überschwemmungsgebieten, auch überlegen müsste, was man mit den Geothermieprojekten macht, die in dieser Region ebenfalls geplant oder bereits in Betrieb sind. Deswegen muss man genau hingucken und darf man in dieser Frage das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Ich sage: Wer A wie Ausstieg aus der Kernenergie sagt, der muss auch B sagen, und B heißt für mich Bereitschaft zum Kompromiss.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Bäumer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jedes Jahr werden in Deutschland über 13 Milliarden m³ Erdgas gefördert, davon 95 % in Niedersachsen. Die deutsche Produktion deckt 14 % des bundesweiten Bedarfs. Niedersachsen ist in Sachen Erdgas sogar autark: Wir fördern das gesamte Erdgas, das hier verbraucht wird, selber. Auch deshalb ist Niedersachsen Energieland Nummer eins.

(Beifall bei der CDU)

Die Erdgas- und Erdölindustrie beschäftigt aktuell 9 000 Menschen. Mit allen Dienstleistern und Zulieferern sind mehr als 20 000 Arbeitsplätze von der Erdöl- und Erdgasindustrie abhängig. Die Branche hat einen Umsatz von 5 Milliarden Euro pro Jahr und in den letzten zehn Jahren insgesamt 7 Milliarden Euro an Förderabgaben in die Staats

kasse überwiesen. Ich will mit diesen Zahlen niemanden beeindrucken. Man sollte das aber wissen, wenn man über Fracking redet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Fracking ist das Aufbrechen von Gesteinen in tiefen Erdschichten, in denen Erdgas gewissermaßen gefangen ist. Im Gegensatz zum konventionellen Erdgas, das sich in großen Lagerstätten befindet, spricht man beim Erdgas, das über Fracking gewonnen wird, von unkonventionellem Erdgas.

Nach Erdöl und Erdgas wird in Deutschland seit über 150 Jahren gebohrt. Celle war im 19. Jahrhundert gewissermaßen das deutsche Texas. In ganz Deutschland hat man bislang mehr als 20 000 Bohrungen durchgeführt. Erdgas wird hier bei uns seit mehr als 60 Jahren gefördert. Weil aber die konventionellen Lagerstätten zunehmend ausgebeutet sind und die Fördermengen dort kontinuierlich zurückgehen, sucht die Industrie nach neuen Möglichkeiten, Erdgas zu gewinnen. Diese neuen Möglichkeiten hat man in dichtem Sandstein, in Schiefergestein oder in Kohleflözen gefunden. Um sie zu erschließen, muss gefrackt werden.

Aber genau daran entzünden sich die Proteste der Bürgerinnen und Bürger, die sich in NordrheinWestfalen und Niedersachsen zu Initiativen zusammengeschlossen haben und sich gegen das Fracking wenden.

So fordert die Initiative aus dem emsländischen Lünne, Frau Stief-Kreihe, dass bei einer Förderung von unkonventionellem Erdgas in Lünne folgende Aspekte bedacht werden: die Durchführung einer UVP mit Beteiligung der Öffentlichkeit, die Erstellung eines geologischen Gutachtens zur Situation des Deckgesteins und der Grundwassersicherheit, der Abschluss einer angemessenen Versicherung, laufende Kontrollen der Emissionen, eine kontinuierliche Veröffentlichung der Emissionsdaten und die Einrichtung einer unabhängigen Schiedsstelle zur Schadensregulierung.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das ist un- ser Antrag!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann die Bürgerinnen und Bürger dort sehr gut verstehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)