Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

(Christian Grascha [FDP]: Deshalb dieses Abkommen!)

Folgerichtig ist Steuerhinterziehung, Herr Grascha, regelmäßig kein Volkssport für Besserverdienende, sondern schlicht eine Straftat.

(Beifall bei der SPD - Christian Gra- scha [FDP]: Deshalb machen wir ja dieses Abkommen!)

Meine Damen und Herren, während die Finanzbehörden im Inland bei Steuerpflichtigen bei ausreichender Personalausstattung - hier gibt es in Niedersachsen in der Tat noch erheblichen Nachholbedarf - über verschiedene Möglichkeiten zur Durchsetzung einer ordnungsgemäßen Besteuerung verfügen, sind die Finanzbehörden in grenzüberschreitenden Steuerfällen in der Regel auf die Amtshilfe ausländischer Staaten angewiesen.

Auf diese Abhängigkeit gründet sich das Erfolgsmodell sogenannter Steueroasen. Diese Steueroasen können also ausschließlich in solchen Staaten entstehen, die sich jahrzehntelang jeglicher Zusammenarbeit in Besteuerungsverfahren rundweg verweigert haben. Sie haben somit vorsätzlich grenzüberschreitende Steuerhinterziehung und internationale Steuerpflicht überhaupt erst möglich gemacht und ihr massiv Vorschub geleistet.

(Beifall bei der SPD)

Richtig ist allerdings auch, dass in Zukunft Fortschritte beim Austrocknen von Steueroasen, bei der Bekämpfung von Steuerflucht und der gewissermaßen gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung nur im Konsens mit den betreffenden Staaten erreichbar sind.

Meine Damen und Herren, dieser Umstand darf aber keineswegs dazu führen, dass Deutschland im Wege zwischenstaatlicher Regelungen gegenüber inländischen Steuerzahlern Zugeständnisse macht, die im klaren Widerspruch zu der sonst geltenden nationalen Rechtslage stehen. Genau dies, meine Damen und Herren, ist aber bei dem mit der Schweiz geplanten Steuereinkommen der Fall.

(Beifall bei der SPD)

So betreffen die vereinbarten Regelungen z. B. auch sogenannte Altfälle, also bereits begangene Straftaten.

Die im Abkommen mit der Schweiz vorgesehenen Regelungen der pauschalen Abgeltung der deutschen Steueransprüche stellen ferner eine Amnestieregelung ausschließlich für Schwarzgeldanlagen in der Schweiz dar. Es sollen also ausgerechnet jene Steuerpflichtigen mit Straffreiheit, Anomymität und lediglich einem durchschnittlichen Steuersatz belohnt werden, die sich vorsätzlich, zum Teil jahrzehntelang, dem Angebot zur Rückkehr in die

Steuerehrlichkeit z. B. durch eine Selbstanzeige entzogen haben.

Als Präzedenzfall hat das Abkommen außerdem unübersehbare negative Folgen für die Anstrengungen Deutschlands im In- und Ausland, Steuerkriminalität ernsthaft bekämpfen zu wollen.

Meine Damen und Herren, diese Vereinbarung, die man auch „Vereinbarungen zur Beseitigung Schweizer Altlasten“ nennen könnte, verletzt jedenfalls massiv das Rechtsempfinden jedes ehrlichen Steuerzahlers.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die SPD, meine Damen und Herren, lehnt deshalb diese Form der Vereinbarung mit der Schweiz ab. Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, sollten sich dem anschließen. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Christian Grascha [FDP]: Ich freue mich auch schon darauf!)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat nun Herr Dr. Siemer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den beiden vorangegangenen Redebeiträgen habe ich den Eindruck, wir sollten nicht so sehr über Steueramnestie, sondern über Amnesie sprechen. Denn es war doch die rotgrüne Bundesregierung, die in 2003 ein Gesetz zur strafbefreienden Erklärung verabschiedet hat. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, mir die 13 Paragrafen zu Gemüte zu führen. In jedem Paragrafen ist von Strafbefreiung, Amnestie usw. die Rede. Dieses Gesetz war völlig wirkungslos. Erwartet wurden 5 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Herausgekommen sind 1,4 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Damit war das Thema abgeschlossen.

(Beifall bei der FDP)

Die deutsche Bundesregierung hat also vor einem Scherbenhaufen ihrer Steuerpolitik gestanden.

(Beifall bei der FDP - Hans-Henning Adler [LINKE]: Einen Fehler muss man doch nicht wiederholen!)

Ich meine deshalb, dass man dieses Thema systematisch aufarbeiten sollte.

Fakt ist, dass deutsche Anleger in der Schweiz Geld angelegt haben - legal und illegal - und Steuerbetrug zu verurteilen ist. Ich glaube, wir stimmen in den Zahlen überein - es sind ja Schätzungen -, dass die Beträge zwischen 130 und 180 Milliarden Euro liegen. Mit diesem Steuerabkommen kann erreicht werden, dass wir nach systematischen und klaren Regeln dieser Steuerhinterziehung einen Riegel vorschieben.

(Lachen bei der LINKEN)

Das Gesetz ist zustimmungspflichtig. Deshalb sind wir auch als Land Niedersachsen gefragt.

Es gibt einige sachbezogene Punkte, über die wir tatsächlich diskutieren sollten. Es ist aber auch sehr viel Rhetorik und Polemik dabei gewesen. So ist in dem Antrag von Terrorismusfinanzierung und Schwarzarbeit die Rede. Herr Klein, Sie haben das als Geldwäsche bezeichnet. Das, was Sie genannt haben, trifft auf das Gesetz von 2003 zu. Eigentlich müssten Sie mit der Kavallerie ausrücken und diejenigen, die das Gesetz in 2003 gemacht haben, nach Ihren Maßstäben wegen Geldwäsche verurteilen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In der Sache ist dieses Abkommen ein großer Fortschritt. Das kann man an drei Punkten bemessen; denn um Steueroasen trockenzulegen - sie sind inzwischen ja weitestgehend trockengelegt worden -, gibt es internationale Initiativen, nationale Initiativen und bilaterale Verträge zwischen den Ländern. Eine systematische Aufarbeitung wird zeigen, dass wir diese Punkte bereits abgearbeitet haben.

Kurz zu den internationalen Initiativen: Die OECD hat im Jahr 1998 untersucht, welche Länder als Steueroasen bezeichnet werden können. Dies waren 41 an der Zahl. Seit Mai 2009 befindet sich kein einziges Land mehr auf der Schwarzen Liste der Steueroasen.

Weiterhin hat es eine europäische Richtlinie zur Zinsbesteuerung gegeben. Diese internationalen Maßnahmen haben es möglich gemacht, dass wir auch national deutlich weiter vorangekommen sind.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass die deutsche Steuererhebungspraxis sehr effizient ist. Mit ausgeklügelten Systemen werden umfangreiche Prüfungen zu den verschiedenen Steuerar

ten - auch zur Umsatzsteuer; das ist ein ganz wesentlicher Punkt - durchgeführt.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Fragen Sie mal die Steuergewerkschaft!)

Bei der Schwarzarbeit greift der Zoll - für jeden auf der Straße sichtbar und auch an vielen Baustellen zu sehen - sehr hart durch.

Ich hatte schon zu Anfang meiner Rede erwähnt, dass die Gesetzgebung von Rot-Grün zu diesem Thema, nämlich das Gesetz über die strafbefreiende Erklärung - kurz: StraBEG -, völlig ineffektiv war. Es sind, wie gesagt, nur 1,4 Milliarden Euro von 5 Milliarden Euro gekommen. Deshalb ist die Bundesregierung den Weg des bilateralen Vertrages mit der Schweiz gegangen, was übrigens auch international üblich ist. Jetzt werden die Steuern auf hinterzogenes Geld nach differenzierten Steuersätzen vereinnahmt. Es wird eine Gleichstellung geben, die mit Ihrem Gesetz damals nicht erreicht worden ist. Es wird für die Vergangenheit nachgeholt.

Herr Klein, Sie haben sich auch mit den Zahlen nicht befasst. Schön ist, dass wir eine Akontozahlung in Höhe von 1,7 Milliarden Euro bekommen. Danach gibt es natürlich weitere Zahlungen auf den Betrag, sodass die von Ihnen ins Auge gefassten 50 Milliarden Euro auf die Dauer durchaus erreicht werden können.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kann man sich natürlich darüber beschweren, dass die Anonymität gewahrt bleibt, dass das Schweizer Bankgeheimnis gewahrt bleibt. Ein markanter Vertreter der SPD hat es ja schon mit der Kavallerie versucht. Wir müssen aber anerkennen, dass die Schweiz ein souveräner Staat ist und aus ihrer Sicht großen Wert auf ihr Bankgeheimnis legt.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber nicht den USA gegenüber!)

- Das, worauf Sie anspielen, Frau Helmhold, betrifft die UBS, wo einzelne Fälle geklärt worden sind. So machen wir es jetzt systematisch und auch weitergehend als die USA, weil es die USA offensichtlich nur mit einer Bank geschafft hat. Sie sehen also, dass der deutsche Weg wesentlich weiter führt. Außerdem entfällt die Notwendigkeit, CDs anzukaufen. CDs könnten auch nur sehr lückenhaft erworben werden.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Besser als gar nichts!)

Wir gehen mit diesem Ansatz einen systematischen Weg, um zu mehr Steuerehrlichkeit zu kommen.

Mein Fazit ist, dass dies aus der Sicht der CDUFraktion genau der richtige Weg ist. Er ist effizient und bringt dem Staat zusätzliche Steuereinnahmen. Er ist auch gerecht gegenüber der Selbstanzeige. Deshalb werden wir der Landesregierung empfehlen, diesem bilateralen Abkommen mit der Schweiz zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Klein das Wort zu einer Kurzintervention auf Herrn Dr. Siemer. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Siemer, Sie haben das Amnestieabkommen aus dem Jahr 2003 angesprochen. Ich bin sicherlich kein Freund dieses Verfahrens und dieses Abkommens gewesen. Sie haben auch selbst schon darauf hingewiesen, zu welch einem mageren Ergebnis das Ganze geführt hat. Insofern muss man jetzt doch zumindest festhalten, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass man es nicht noch einmal auf diese Art und Weise probieren kann. Das spricht jedenfalls nicht für dieses Steuerabkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Übrigen sind diese Fälle nur wenig miteinander vergleichbar. Die Amnestie unter Rot-Grün war ein Angebot, um die Steuersünder in die Legalität zurückzuholen. Das heißt, es gab eine Frist, es gab Voraussetzungen. Voraussetzung war die vollständige Offenlegung der Hinterziehung einschließlich der Hinterziehungstatbestände. Hier war also auch die Möglichkeit der Strafverfolgung weiterhin gegeben. Von daher ist das etwas völlig anderes, als wenn man weiterhin die Anonymität aufrechterhält.

(Beifall bei den GRÜNEN)