Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

missfähig zu sein, dann kann man im Interesse der Menschen und der Region Fortschritte erzielen. Dafür möchte ich Hans-Heinrich Sander ganz herzlich danken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun hat der Vorsitzende der Fraktion der Grünen mich aufgefordert, selbst Stellung zu nehmen. Dem komme ich natürlich sehr gerne nach. So möchte ich einige Sätze zum aktuellen Verfahrensstand sagen.

Wie Sie alle wissen, befinden wir uns mitten im Planfeststellungsverfahren. Seit Anfang 2011 befinden sich die Unterlagen gemäß Artikel 6 der FFH-Richtlinie in Brüssel bei der EU-Kommission, um entsprechend geprüft zu werden. Eine abschließende Stellungnahme der EU-Kommission ist nach wie vor nicht erfolgt. Zuletzt hat die EUKommission mit Datum vom 14. September einen Fragenkatalog im Zusammenhang mit der Verschiebung der Brackwasserzone vorgelegt. Diese Fragen sind nach Aussage der dafür zuständigen Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord bereits beantwortet; die Antworten sind so schnell wie möglich der EU-Kommission übermittelt worden. Wir müssen also schlicht und ergreifend abwarten, bis die Überprüfung in Brüssel beendet ist.

Dann gehen die Unterlagen von Brüssel an die zuständige Behörde, an die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord. Wenn die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord die Hinweise, Anregungen - oder was auch immer aus Brüssel kommen mag - eingearbeitet hat, dann gibt es einen Planfeststellungsbeschluss. Der wird dann an die betroffenen Bundesländer, also Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, verschickt. Dann beginnt die Dreimonatsfrist für die Erteilung des Einvernehmens gemäß § 14 des Bundeswasserstraßengesetzes.

Ich darf Ihnen eines versichern: Erst wenn die vollständigen Unterlagen bei uns in Hannover eingetroffen sind, wenn wir also den vollständigen Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses haben, wird Niedersachsen nach eingehender Prüfung seine abschließende Entscheidung über sein Einvernehmen treffen. Wir werden uns von niemandem unter Zeitdruck setzen lassen, auch wenn es in Hamburg andere Vorstellungen gibt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Wenzel, als erfahrener Umweltpolitiker wissen Sie: Die Frage der Erteilung

des Einvernehmens nach § 14 des Bundeswasserstraßengesetzes ist eine reine Angelegenheit der Exekutive. Bei der Beurteilung sind wir nicht vollständig frei. Dazu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Wir können das Thema nur fachlich beurteilen, nicht politisch, und auch die fachliche Beurteilung erstreckt sich nur auf die Tatbestandsmerkmale Landeskultur und Wasserwirtschaft.

Wir werden die Dreimonatsfrist voll ausschöpfen. Wir werden uns intensiv mit diesem Thema beschäftigen, wenn die Unterlagen vollständig eingereicht worden sind. Unabhängig von der Frage eines Parlamentsvorbehalts gibt es umfassende Möglichkeiten, dieses Thema im Landtag zu diskutieren, wie wir es gerade auch tun. Sie haben auch die Möglichkeit, sich im Ausschuss unterrichten zu lassen. Auch wenn es eine reine Exekutiventscheidung ist, werden wir, wenn wir die Entscheidung getroffen haben, ob das Einvernehmen erteilt wird oder nicht, selbstverständlich das Parlament und die Fraktionen in einer geeigneten Art und Weise unterrichten. Denn wir wollen es gerade nicht so machen, wie es die frühere SPD-Landesregierung bei der letzten Elbvertiefung gemacht hat.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz beraten werden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 26 - den letzten Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause - auf:

Erste Beratung: Steueroasen austrocknen statt Sonderrechte für Steuerkriminelle - Steuerabkommen mit der Schweiz ablehnen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4038

Zur Einbringung hat der Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor vier Wochen fügte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihrer langen Liste europa- und finanzpolitischer Fehlentscheidungen einen weiteren gravierenden Punkt hinzu. Mit der Unterzeichnung des Steuerabkommens mit der Schweiz bewies die MerkelRegierung erneut, dass sie im europäischen Teamspiel weiter auf die Rolle des querschießenden Egozentrikers setzt und dass sie jede Lernfähigkeit eingebüßt hat. Wie bei den Steuergeschenken für die Hoteliers zeigte sie wieder, dass ihr jedes Gespür für das Gerechtigkeitsempfinden des gesunden Menschenverstandes fehlt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das europa- und finanzpolitische Rating dieser Bundesregierung hat den Ramschstatus erreicht. Je eher sie in die geordnete Insolvenz geht, desto besser.

(Zustimmung von Dr. Gabriele Hei- nen-Kljajić [GRÜNE] und Johanne Modder [SPD])

Im Gegensatz zur Bundesregierung ist für das Steuerabkommen mit der Schweiz noch nicht aller Tage Abend. Das Abkommen bedarf zum Inkrafttreten der Ratifizierung. Bundestag und Bundesrat müssen zustimmen. Die erste Beratung im Bundesrat findet im Dezember statt. Die abschließenden Entscheidungen sollen dann 2012 stattfinden. Das Inkrafttreten ist für den 1. Januar 2013 geplant. Das Parlament hat also Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Meine Auffassung ist: Das Land Niedersachsen muss diesen Vertrag im Bundesrat ablehnen. Ziehen Sie die Notbremse, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was steht in diesem Vertrag? - Vereinbart wurden eine nachträgliche Besteuerung des Altfallvermögens zwischen 19 und 34 % sowie eine Besteuerung künftiger Kapitalerträge in Höhe der aktuellen Abgeltungsteuer. Die Abführung erfolgt auf der Basis von Gutglauben durch die Schweizer Banken, und zwar - das ist wichtig - mit legalisierender Wirkung. Die Personen und ihre Daten bleiben dabei anonym. Die Zahl der Amtshilfegesuche wird auf 999 in zwei Jahren beschränkt. Deutschland verzichtet auf eine strafrechtliche Verfolgung von Schweizer Bankmitarbeitern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, verzichtet auf den Ankauf

von Steuer-CDs und erleichtert Schweizer Banken den Zugang zum deutschen Markt.

Was bedeutet nun dieser Vertrag? - Dieses Abkommen sabotiert und zerstört dauerhaft die europäischen Bemühungen um die Durchsetzung eines automatischen Informationsaustausches in Weiterentwicklung der EU-Zinsrichtlinie. Österreich und Luxemburg, die bereits signalisiert hatten, daran teilzunehmen, haben ihre Bereitschaft unter Hinweis auf den deutschen Alleingang zurückgezogen. Die vereinbarte gemeinsame deutsch-französische Strategie gegen die Schweizer Steueroase ist kaputt. Frankreich und auch Italien wollen solche bilateralen Abkommen nicht, werden aber wahrscheinlich gezwungen sein, dem deutschen Beispiel zu folgen. Das heißt, das Duo Merkel/Schäuble agiert hier als Schutzmacht des Schweizer Bankgeheimnisses und der deutschen Steuerhinterzieher dort.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Was ist zur Steuergerechtigkeit zu sagen? - Die geplante pauschale Flat Tax schützt die Steuerhinterzieher durch Anonymität und stellt sie in den meisten Fällen besser als die Selbstanzeiger. Und sie legalisiert das Schwarzgeld zehn Jahre rückwirkend. Meine Damen und Herren, das ist nichts anderes als staatliche Geldwäsche,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und das ist eine Belohnung für alle, die dem durch den Ankauf von Steuer-CDs erhöhten Druck standgehalten und sich nicht selbst angezeigt haben. Ich weiß nicht, was Ihr Gerechtigkeitsempfinden dazu sagt. Meines schmerzt da jedenfalls gewaltig.

(Christian Grascha [FDP]: Wieso? Die zahlen doch dann Steuern!)

Das gilt auch für die faktische Amnestie, zu der dieser Vertrag verpflichtet. Ermittlungen gegen der Steuerhinterziehung Verdächtige dürfen nicht mehr eingeleitet werden. Ja, sogar laufende Verfahren müssen abgebrochen werden, wenn der Verdächtige bei Unterzeichnung des Abkommens, also vor vier Wochen, noch nicht unterrichtet war.

Auf die Straffreiheit von Schweizer Bankmitarbeitern habe ich schon hingewiesen. Aber raten Sie einmal, wer von dieser Straffreiheit ausgenommen ist! - Das sind bezeichnenderweise genau die Mitarbeiter, die die Steuer-CDs auf den Markt ge

bracht und damit zumindest der Steuergerechtigkeit einen großen Dienst erwiesen haben.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Hört, hört!)

Weiterhin gilt natürlich, dass Schwarzgelder selten auf legale Weise erworben wurden. Natürlich erschwert die Anonymität auch die Verfolgung der damit verbundenen Straftaten.

Damit nicht genug, bietet der Vertrag auch noch jede Menge Schlupflöcher. Über bestimmte Trusts und Stiftungen lassen sich die Zahlungsverpflichtungen umgehen. Erfasst werden außerdem nur natürliche Personen. Das heißt, Konten von Kapital- oder Personengesellschaften bleiben außen vor.

Noch einfacher geht es z. B., indem der Steuersünder sein Konto bei der Credit Suisse in Zürich zur Credit-Suisse-Niederlassung in Singapur verlagert. Schon guckt der deutsche Fiskus in die Röhre. Aber natürlich haben die deutschen Unterhändler daran gedacht. Deshalb muss die Schweiz sich jetzt verpflichten, ein Jahr nach Inkrafttreten eine Liste der zehn wichtigsten Staaten vorzulegen, in die die Vermögensverlagerungen stattgefunden haben. So können die deutschen Steuerfahnder den Kapitalflüchtlingen auf der Spur bleiben. Ich kann nur sagen: Viel Spaß bei der Suche der anonymen Nadel im Heuhaufen!

Die Befürworter des Abkommens verweisen auf die Garantiezahlung der Schweizer Banken für die Altfallbesteuerung in Höhe von 2 Milliarden Euro. 2 Milliarden Euro sind sicherlich viel Geld. Aber 200 Milliarden Euro deutsches Vermögen werden in der Schweiz vermutet. Das heißt, bei durchschnittlich 25-prozentiger Besteuerung würden 50 Milliarden Euro fällig. Das heißt, das angeblich so großzügige Schweizer Entgegenkommen ist nichts anderes als ein 4-%-Witz.

Schon bei den Zahlungen der Schweizer im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie wurde nur ein Fünftel der geschätzten Summe gezahlt. Da darf man bei aller Freundschaft mit der Schweiz - die pflegen wir natürlich intensiv - auch einmal Zweifel daran haben, ob die Schweizer Banken die Ansprüche des deutschen Fiskus bei ihren Kunden immer mit der gebotenen Konsequenz durchsetzen. Aber natürlich ist auch dafür vorgesorgt. Ich sprach es schon an: 999 Amtshilfeersuchen sind alle zwei Jahre zur Kontrolle möglich. - Das heißt, bei rund 570 deutschen Finanzämtern darf fast jedes einmal im Jahr eine Anfrage starten. Viel Vergnügen bei den Nachforschungen, kann ich da nur sagen!

Es geht natürlich auch anders. Die britischen Anleger bei Liechtensteinischen Banken müssen z. B. nachweisen, dass sie ihr Geld beim britischen Finanzamt angemeldet haben. Banken, die den Nachweis nicht verlangen, werden sanktioniert.

Wir wissen es doch alle: Gegenüber den USA gibt es de facto kein Schweizer Bankgeheimnis mehr. Schon einmal wurden Tausende von Daten ausgetauscht. In der letzten Woche ist bekannt geworden, dass eine weitere Aktion ansteht.

Deshalb kann ich nur sagen: In jedem Fall ist es besser, dass es kein Abkommen gibt, als dass es dieses Abkommen gibt. Deshalb muss Niedersachsen zu diesem Abkommen in jedem Falle Nein sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Brinkmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit, gleiche Teilhabechancen und einen handlungsfähigen Staat ist nicht zuletzt die solidarische Finanzierung unseres Gemeinwesens.

(Beifall bei der SPD)

Hierbei ist der Gesetzgeber daran gehalten, sich einerseits bei der Gestaltung des Steuersystems an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen zu orientieren und andererseits die bestehenden Steueransprüche rechtzeitig und vollständig durchzusetzen. Ein konsequenter Steuervollzug sichert darüber hinaus die staatlichen Einnahmen für eine zukunftsorientierte Politik, fördert aber auch die Steuerehrlichkeit der breiten Mehrheit der Bevölkerung.

Für die Akzeptanz unseres Steuersystems wäre deshalb bereits der Anschein abträglich, dass sich Vermögende und Bezieher höherer Einkommen dauerhaft und ungestraft ihrer steuerlichen Verpflichtung entziehen können.

(Christian Grascha [FDP]: Deshalb dieses Abkommen!)