Herr Wenzel, ich möchte zu Beginn für die wirklich detaillierte Darstellung der Geschichte, der Historie der Elbvertiefung in den vergangenen knapp 200 Jahren danken. Das war interessant. Das ist eine wirkliche Fleißarbeit gewesen.
Wir von der SPD teilen - das haben wir auch in unserem Antrag gesagt - die Bedenken gegen dieses Vorhaben. Wir teilen die Sorgen und Nöte der Menschen hinter den Deichen, die dort ihre Existenz in der Nähe der Elbe haben.
Nachdem ich gelesen hatte, dass der Herr Minister bei mir im Landkreis Harburg gesagt hat, die Deichsicherheit sei quasi gesichert, habe ich Anfang September eine Unterrichtung gefordert. In der schriftlichen Unterrichtung, die wir dann erhalten haben, wurde detailliert dargestellt, dass jetzt zum einen eine Übertragung der Unterhaltungspflichten auf den Bund erfolgt ist. Das war für die Deichverbände sicher sehr wichtig und erfreulich.
Damit sowie mit den Maßnahmen am Altenbrucher Bogen ist auch einiges auf den Weg gebracht worden. Das will ich gar nicht abstreiten. Damit allein
ist es aber noch nicht getan. Es müssen weitere Maßnahmen erfolgen und weitere wasserwirtschaftliche Fragestellungen geklärt sein.
Auch das ist in diesem schriftlichen Bericht dargestellt worden. Wir wissen aber nicht, wann das erfolgen wird. Es ist in diesem Fall also noch sehr viel zu tun.
Ich möchte nicht alles das wiederholen, was Herr Wenzel schon gesagt hat und was auch im Entschließungsantrag steht, aber doch noch einmal darauf hinweisen, dass die Planungen des Vorhabenträgers wirklich überaus luschig, wie man bei uns im Umfeld von Hamburg sagen würde, durchgeführt worden sind und der Vorhabenträger diese Maßnahme nach dem Motto „Augen zu und durch“ durchdrücken wollte. Das ist nicht gelungen. Dieses Planfeststellungsverfahren läuft seit mehr als fünf Jahren. Die dritte Planänderung musste ausgelegt werden. Die EU ist immer noch nicht mit dem zufrieden, was der Vorhabenträger beabsichtigt - auch im Hinblick auf das, was in der Wasserrahmenrichtlinie und der FFH-Richtlinie gefordert wird.
Wir müssen wirklich Folgendes sehen: Zwar hat sich Hamburg nach dem Regierungswechsel jetzt etwas bewegt, und der Erste Bürgermeister hat gesagt, er garantiere dafür, dass für den Schierlings-Wasserfenchel zusätzliche Biotope eingerichtet werden. Aber damit ist vielleicht ein Punkt erreicht, und es ist noch lange nicht das, was erforderlich ist.
Deswegen müssen wir meiner Meinung nach jetzt erst einmal abwarten, welche zusätzlichen Antworten die EU - die GD Umwelt - auf ihre noch offenen Fragen vom Vorhabenträger erhält, weil erst dann - auch das hat der schriftliche Bericht der Landesregierung ausgesagt; dem stimme ich zu - das Einvernehmen verweigert oder erteilt werden kann, wenn der Entwurf eines Planfeststellungsbeschlusses geprüft worden ist. Das ist aber noch immer nicht der Fall. Da muss meiner Meinung nach noch viel nachgearbeitet werden. Ich bin jedoch froh, dass wir über diesen Antrag genauso wie über den Antrag unserer Fraktion weiterhin in der Diskussion bleiben.
Ich hatte um den Jahreswechsel schon arge Befürchtungen, dass es jetzt losgehen würde, als der Parteifreund des Herrn Ministerpräsidenten, der
Staatssekretär im BMVBS, Enak Ferlemann, geäußert hatte, die Elbvertiefung komme erst nach der Kommunalwahl. Ich hoffe aber sehr, dass das Parlament und die Landesregierung nichts unversucht lassen, die Sicherheit der Menschen hinter den Deichen - dabei geht es beispielsweise auch um die Existenz der Obstbauern; Frau Tiemann und Frau Behrens haben mich darauf angesprochen - zu gewährleisten.
Wir müssen das Thema also weiterhin im Umweltausschuss auf der Tagesordnung halten. Wir werden nicht lockerlassen, damit dieses Vorhaben erforderlichenfalls scheitert, wenn die Sicherheit hinter den Deichen und die Existenz der betroffenen Wirtschaftszweige - ich denke hier an die Verschiebung der Brackwasserzone - nicht gewährleistet und auch die EU-Vorgaben nicht erfüllt sind.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die geplante weitere Vertiefung der Außen- und Unterelbe führt vor Ort in der Region - das ist heute ganz richtig dargestellt worden - zu erheblichen Sorgen, Ängsten und Befürchtungen. Denkt man an die Elbvertiefung - auch das ist gesagt worden -, denkt man zu allererst immer an das Thema Deichsicherheit. Aber auch die zunehmende Versalzung durch die Verschiebung der Brackwasserzone und die Verschlickung der Elbnebenarme sind nicht zu vernachlässigen.
Ich sehe es schon etwas anders als Frau Somfleth in ihrer Rede: Eine detailgetreue Zusammenstellung der Elbvertiefungen auf drei Seiten - das ist meiner Meinung nach ein Hohn, dem Thema wird man so nicht gerecht.
Die Menschen und die politischen Verantwortungsträger vor Ort in der Region, aber auch auf Landesebene stehen deshalb ganz bewusst und ganz richtig der weiteren Elbvertiefung sehr kritisch gegenüber. Man muss auch wissen, dass dieser kritische Blick berechtigt ist; denn wir vor Ort leiden
massivst unter den Auswirkungen der Elbvertiefung des Jahres 1999. Seitdem haben sich Strömungsgeschwindigkeiten verändert, Uferabbrüche und Umwelteinflüsse sind negativer als prognostiziert eingetreten, Sturmfluten laufen dort deutlich höher auf. Dieser kritische Blick ist aber insbesondere auch deshalb zu rechtfertigen, weil die damalige Landesregierung 1999 nahezu bedingungslos und im Schnellverfahren der Elbvertiefung zugestimmt hat.
Die Lasten, die wir heute zu tragen haben und die das heutige große Misstrauen vor Ort rechtfertigen, sind Folgen des mit der SPD-Mehrheit 1999 im Landtag gefassten Beschlusses.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Somfleth sagte ganz richtig, dass das heutige Verfahren seit 2004 andauert. Das macht meiner Meinung nach deutlich, dass die heutige Landesregierung dieses Thema völlig anders angeht und sich deutlich stärker um dieses Thema kümmert. Gerade bei unserem amtierenden Ministerpräsidenten David McAllister, der aus der Region kommt und der um die Gefahren und die Kraft des Wassers wirklich sehr genau weiß,
sind die Menschen in Niedersachsen gut aufgehoben. Die Landesregierung wird diesem Vertrauen voll gerecht werden.
Auch wenn man die Bedenken aus dem vorliegenden Antrag nachvollziehen kann, so ist es doch nicht so einfach, wie es sich hier die Opposition macht, die das Vorhaben pauschal ablehnt. Auch das ist hier deutlich gemacht worden. In diesem Zusammenhang ist es sowieso immer wieder interessant zu sehen, wie Positionen gewechselt werden, wenn sich die politische Situation für eine Partei ändert. Ein schönes Beispiel dafür ist auch der Castortransport, über den wir vorhin gesprochen haben: Hat man einen Umweltminister Trittin, so handelt es sich um gute Castortransporte. Hat man einen Umweltminister Röttgen, so sind es schlechte Castortransporte.
Ist man mit in der Regierung, wird eine Elbvertiefung möglich. Ist man nicht mehr in der Regierung, so ist es eine schlechte Elbvertiefung.
So einfach, verehrte Kolleginnen und Kollegen, darf man es sich bei diesem Thema wirklich nicht machen. Das ist eben zu Recht dazwischengerufen worden. Auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge, die hier dargestellt worden sind, möchte ich geraderücken.
In diesem Zusammenhang ist die Bundestagsabgeordnete der Grünen Valerie Wilms mittlerweile so ein bisschen meine Lieblingsabgeordnete geworden.
Sie war als bahnpolitische Sprecherin vor Ort in Stade und hat sich dort informiert. Anschließend war von ihr das wunderbare Zitat zu lesen, „die Elbe werde als Wasserstraße irgendwann ausgedient haben.“ Der Hamburger Staatsrat Andreas Rieckhof von der SPD zeigt hier deutlich mehr Sachkompetenz - das sollte man deutlich hervorheben -; denn er hat darauf entgegnet:
„Wer meint, die Elbe werde als Wasserstraße ausgedient haben, offenbart eine erschreckende Unkenntnis.“
Die Realität ist doch, dass bisher alle Verkehrsprognosen und Gutachten, die wir in Deutschland dazu gehabt haben, von der wirtschaftlichen Realität überholt worden sind. Allein im Bereich der Containerverkehre gehen wir derzeit in den Prognosen von einem Zuwachs von bis zu 90 % bis 2025 aus. Deswegen muss es darauf ankommen, verlässliche Lösungen zu erarbeiten und Auswirkungen, wie wir sie seit 1999 zu tragen haben, auszuschließen.
Man muss festhalten: Vieles ist an dieser Stelle bis heute erreicht worden. Durch den Tauschvertrag Elbe-Oste - er wurde schon angesprochen - und den Tausch der Deichsicherheits- und der Unterhaltungszuständigkeit für den Uferschutz zwischen Land und Bund ist deutlich mehr für den Deich- und Küstenschutz erreicht worden, als es sich alle Deichverbände im Planfeststellungsverfahren jemals hätten vorstellen können.
Kaum vorstellbar ist die derzeitige Baumaßnahme am Altenbrucher Bogen. Rund 60 Millionen Euro investiert der Bund dort in Unterwasserbauwerke. Auch weitere Maßnahmen sind mittlerweile realisiert worden. Alle betroffenen Deichverbände haben einen Vertrag mit dem Bund unterzeichnet, der für klare Regelungen sorgt und damit die Interessen der Menschen vor Ort wahrt und somit diese stützt.
Ein weiteres großes Thema - auch dies ist hier ausdrücklich und ausführlich dargestellt worden - beschäftigt uns derzeit noch massiv, nämlich das Thema Wasserwirtschaft und Landeskultur. Zur Landeskultur gehören eindeutig die starke Landwirtschaft entlang der Elbe und das größte geschlossene Obstanbaugebiet Deutschlands, das Alte Land. Hierfür benötigen wir verlässliche Lösungen; denn diese Bereiche sind auf eine ausreichende salzfreie Wasserversorgung angewiesen.
Auch wenn die Zeit knapp wird, sollte man noch einmal deutlich machen: Wir haben bereits heute mit der Versalzung als Folge der Vertiefung von 1999 zu kämpfen. Damals hat sich niemand mit diesem Thema auseinandergesetzt und irgendeine Vorsorge getroffen.
Der Region an der Elbe ist zu gratulieren; denn in der letzten Woche hat sich dort vor Ort der Wasserbereitstellungsverband Niederelbe gegründet, der jetzt ein Sprachrohr für alle 26 Wasser- und Bodenverbände an der Elbe darstellt und die Interessen gerade im Zusammenhang mit der Elbvertiefung vertritt. Gemeinsam ist man stark, stellte der Stader Landrat Michael Roesberg nach der Gründung dieses Verbandes fest. „Gemeinsam“ ist hier auch für mich das richtige Schlagwort; denn die Menschen an der Elbe können auf die Niedersächsische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen auch bei diesem wichtigen Thema vertrauen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was haben wir nicht alles für kämpferische Aussagen im Zusammenhang mit der Elbvertiefung gehört? - Ex-Ministerpräsident Wulff bezeichnete 2004 die Deichsicherheit und die ökologischen Belange als K.-o.-Kriterien. Für Umweltminister Sander waren die Hamburger Gutachten mangelhaft. Er forderte drei neutrale Gutachten. FDP-Chef Rösler definierte die Deichsicherheit als nicht verhandelbar. Und FDP-Kollege Oetjen forderte, das Einvernehmen zu versagen, solange Kriterien des Landes nicht erfüllt seien. Das alles sind ganz glasklare Absagen an faule Kompromisse und Wechsel auf die Zukunft.