Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

sondern es soll eine neue Konditionierungsanlage gebaut werden, und auch das Endlager soll weitergebaut werden. Es geht also immer schlimmer weiter. Deshalb werden wir einen Teufel tun, uns von 600 Bauern zu distanzieren.

(Beifall bei der LINKEN - Hartmut Möllring [CDU]: Das ist schlicht die Unwahrheit!)

- Nein, das ist nicht die Unwahrheit.

(Hartmut Möllring [CDU]: Das ist schlicht die Unwahrheit, das wissen Sie!)

Der nächste Punkt ist an Herrn Möllring, aber auch an den Innenminister gerichtet. Würden Sie die Freisetzung ionisierender Strahlung über die

Grenzwerte hinaus als strafbare Handlung beschreiben oder nicht?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen mir weder zu dem von Herrn Herzog angesprochenen Thema noch zu dem ursprünglichen Thema weitere Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es soll sich damit der Ausschuss für Inneres und Sport beschäftigen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Erste Beratung: Schäden für Mensch und Natur nicht absehbar - Nutzen nicht erkennbar - Kosten nicht überschaubar: Deshalb kein Einvernehmen zur Elbvertiefung - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4036

Zur Einbringung darf ich dem Kollegen Wenzel das Wort erteilen. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Elbe ist heute etwa viermal so tief, wie sie vor etwa 200 Jahren war, und sie soll jetzt ein weiteres Mal vertieft werden.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Unterelbe!)

Mittlerweile ist das die neunte Elbvertiefung, die seit 200 Jahren vorgenommen werden soll. Meines Erachtens sind hier die Grenzen des ökologisch Verträglichen schon jetzt überschritten. Eine weitere Vertiefung ist schlicht und einfach nicht machbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine erneute Elbvertiefung würde die Ökologie des Flusses irreversibel schädigen, den Hochwasserschutz in unzulässiger Weise beeinträchtigen, die Deichsicherheit über Gebühr gefährden und die Landeskultur schädigen. Der Obstanbau im Alten Land ist ein landschaftsprägendes, auch wirtschaftshistorisch bedeutendes Erbe, nicht nur für die Region vor Ort, sondern für Niedersachsen insgesamt.

Mit der erneuten Elbvertiefung würde die Süßwasserversorgung auf Dauer gefährdet. Sie müsste künftig mit Finanzmitteln in dreistelliger Millionenhöhe durch technische Maßnahmen sichergestellt werden. Damit wäre der Obstanbau im Alten Land aus betriebswirtschaftlicher Sicht tot; ich sage das so deutlich: Er wäre aus betriebswirtschaftlicher Sicht tot. Er könnte nur mit öffentlichen Subventionen auf Dauer aufrechterhalten werden. Unklar ist aber, meine Damen und Herren, wer bereit ist, über Jahrzehnte oder gar über Jahrhunderte hinweg sicherzustellen, dass alljährlich Subventionen in Millionenhöhe fließen, um den Zustand zu erhalten, den die Obstbauern dort seit Jahrzehnten, eigentlich seit historischen Zeiten hatten.

Ich sage auch ganz deutlich: Das Land hat diese Investitionsmittel, diese Unterhaltungskosten im Haushalt nicht. Ich sehe auch nicht, wie das für die Zukunft darstellbar sein sollte.

Auch Deichsicherheit und Hochwasserschutz dürfen nicht nur nach dem Status quo beurteilt werden. Der Tidenhub in Hamburg hat sich verdoppelt. Das Wasser läuft auch bei Hochfluten höher auf und vor allem mit mehr Masse. Im Normalfall mag das vielleicht alles funktionieren. Aber bei Hochwasserschutz und bei Deichsicherheit geht es nicht um den Normalfall. Da geht es um den Extremfall, um den Fall, der vielleicht nur alle paar Jahre, vielleicht nur alle Jahrzehnte mal eintritt. Aber auch für diesen Fall müssen unsere Deiche gewappnet sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen auch wissen: Wir müssen mit einem Ansteigen des Meeresspiegels rechnen. Deswegen haben wir bei Deichsicherheit nicht Planungsvorläufe von zwei, fünf oder zehn Jahren, sondern wir haben Planungsvorläufe von 30, 60 und 90 Jahren. Deshalb muss man heute auch gucken: Was passiert denn mit dem Meeresspiegel in den nächsten 90 Jahren?

Nutzen und Kosten der geplanten neuen Elbvertiefung sind ebenfalls völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Bewertung des Nutzens ist schon extrem geschönt. Gucken Sie sich die Zahlen an, die für die CO2-Vermeidung festgelegt sind! Dort hat man mit zehnfach zu hohen Zahlen gerechnet. Hingegen sind die Kosten sowie die Unterhaltslasten, die in Zukunft anfallen, krass unterschätzt worden. So liegen die Kosten heute wohl schon bei etwa 610 Millionen Euro. Das ist mehr als das Dreifache dessen, was man 2004 einmal für diese Maßnahme angesetzt hat.

Eine Aktualisierung der veralteten Daten des Bundesverkehrswegeplans wurde nie vorgenommen. Das kennen wir zwar auch von anderen Projekten. Aber hier rächt sich das in beachtlicher Größenordnung.

Außerdem ist nach § 7 der Bundeshaushaltsordnung eigentlich ein Wirtschaftlichkeitsnachweis vorgeschrieben. Ich sage Ihnen: Den kann man bei diesem Projekt nicht führen.

Die Elbe leidet schon heute unter Sauerstofflöchern - mit schlimmen Folgen für Fische und Wasserlebewesen. Die Verschlickung wertvoller Uferlebensräume würde durch eine weitere Vertiefung verstärkt, und die Artenvielfalt im Biotop Elbe würde weiter belastet und unter Druck geraten.

Von daher, meine Damen und Herren, sind wir der Auffassung: Wir müssen die Grenzen des ökonomisch Machbaren erkennen. Wir müssen sehen, wo wir den Lebensraum von Mensch, Tier und Pflanze in nicht vertretbarer Weise zerstören.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie stehen hier bei der Elbvertiefung im Wort. Im ersten Absatz unseres Entschließungsantrages finden Sie fast wortgleich die Otterndorfer Erklärung, die Sie selbst auch persönlich handschriftlich unterzeichnet haben. Herr McAllister, die Frage ist jetzt, ob Ihr Wort in dieser Frage gilt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Ministerpräsident David McAllister)

Ich halte es daher für sinnvoll und notwendig, dass Sie hier im Plenum auch persönlich Position beziehen und uns die aktuelle Lage darstellen.

Dabei erwarte ich insbesondere auch, dass die Landesregierung dem Parlament nicht vorgreift. Solange das Parlament diese Frage berät und solange auch der Antrag der SPD-Fraktion noch in der Beratung ist, der ja zu derselben Materie schon im Ausschuss vorliegt, darf die Landesregierung hier keine Fakten schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich erwarte auch, dass die Landesregierung heute noch einmal klarstellt, dass das Parlament hier Stellung nehmen muss und dass vorher keinesfalls eine Zustimmung durch die Regierung erfolgen darf.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion rufe ich nun die Wortmeldung von Herrn Dr. Hocker auf. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin immer ein bisschen vorsichtig, wenn man auf komplexe Fragestellungen mit einfachen Antworten reagieren möchte. Ich glaube, wir alle sind uns darüber einig, dass eine Fahrrinnenanpassung große Belastungen für die Landwirtschaft, aber auch für die Anwohner an der Elbe bedeuten würde. Herr Kollege Wenzel hat eben dargestellt, dass sich die Brackwasserzone unter Umständen verschieben könnte. 1 bis 2 km stehen da in Rede.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: 13 km sind im Gespräch!)

Man hat auch die Befürchtung, dass die Bewässerung mit dem Süßwasser dann nicht mehr möglich wäre. Die Bauern vor Ort fürchten um ihre Früchte, sie fürchten um ihre Ernte und damit auch um ihre Existenz.

Die Anwohner befürchten, dass an ihrem Eigentum Schaden entsteht. Sie befürchten, dass nicht nur ihre Grundstücke und ihre Häuser in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern damit vielleicht sogar auch ihre Altersvorsorge.

Diese Befürchtungen und Ängste müssen wir ernst nehmen. Deswegen ist es ganz wichtig, dass das Einvernehmen nur dann erteilt wird, wenn die Forderung der Obstbauern vollständig erfüllt wird.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Gleichzeitig müssen wir auch sehen - und das macht eben einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen so schwierig -, dass allein in Niedersachsen 50 000 Arbeitsplätze unmittelbar mit dem Hamburger Hafen in Verbindung stehen. Ich spreche von Zulieferbetrieben, ich spreche von Logistikunternehmen, und ich spreche auch vom Zoll. Mit den anderen Bundesländern zusammen sind insgesamt 200 000 Arbeitsplätze unmittelbar vom Hamburger Hafen abhängig.

Man darf dabei auch nicht vergessen, dass es z. B. in Bremerhaven schon seit über zehn Jahren möglich ist, dass die Panamax-Klasse-Schiffe anlegen. Das gilt auch für Antwerpen, und das gilt für andere europäische Häfen.

Deswegen ist es eben nicht möglich, eine einfache Antwort auf diese Problematik bzw. diese Frage zu finden und mit pauschalen Antworten zu reagieren. Ich glaube, dass man hier abwägen und differenzieren muss. In diesem Sinne werden wir auch die Debatte im Ausschuss führen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Somfleth.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 8. Mai 2008, als ich den SPD-Antrag zum Thema Elbvertiefung unter der Überschrift „Kein ,weiter so‘ mit der Elbvertiefung - Niedersachsen fordert Sicherheiten für Mensch und Natur“ hier eingebracht habe, habe ich auch mit den Worten begonnen, die ich heute wiederholen möchte: Die Elbvertiefung, eine unendliche Geschichte - Ausrufungszeichen, Fragezeichen, es ist jedem selbst überlassen, wie er das Satzzeichen setzt.

Mit unserem Entschließungsantrag haben wir genau das Thema aufgegriffen, das Bündnis 90/Die Grünen heute noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Herr Wenzel, ich möchte zu Beginn für die wirklich detaillierte Darstellung der Geschichte, der Historie der Elbvertiefung in den vergangenen knapp 200 Jahren danken. Das war interessant. Das ist eine wirkliche Fleißarbeit gewesen.