Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Nehmen Sie Abschied von Ihren Zwangsvorstellungen zur Steuersenkung, und schaffen Sie lieber seriöse Voraussetzungen für eine ordentliche finanzielle Ausstattung des Verkehrsressorts!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wir alle wissen doch, dass die derzeit vorhandenen Mittel keinesfalls ausreichen, die Projekte des geltenden Bundesverkehrswegeplans, die Sie gerade wieder wortreich umschrieben haben, seriös zu finanzieren. Wir warten auf Ihre konkreten Vorschläge. Zu einem integrierten Verkehrskonzept gehört auch die Diskussion über Mautausweitung auf Bundesstraßen und Maut für Pkw. Wer hier Einnahmen erzielen will, muss aber dafür sorgen, dass diese Einnahmen auch wieder für die Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden. Zum Stopfen anderer Löcher im Haushalt musste in der Vergangenheit die Mineralölsteuer genügend herhalten. Das ist sicher kein Vorbild.

(Jens Nacke [CDU]: Das sagt der Richtige!)

- Ja, geben Sie uns, geben Sie mir doch recht!

(Jens Nacke [CDU]: Wer hat die denn erhöht?)

Gleichzeitig dürfen umweltbewusste Autofahrer bei einer möglichen Verrechnung bei der KfzSteuer nicht über den Tisch gezogen werden.

Sie sollten hier also nicht Forderungen aufstellen - insbesondere an Ihren Koalitionspartner in Berlin -, sondern endlich ein seriöses Finanzierungskonzept vorlegen. Im Übrigen scheitern doch die großen Verkehrsprojekte wie das Y nicht an der Planung, sondern in erster Linie an den Kosten, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte aus dem Ruder laufen, aber eben auch an der fehlenden Rücksichtnahme auf die vom Lärm betroffene Bevölkerung.

Sie sprechen von zu geringen Unterhaltungsinvestitionen. Denken Sie an den katastrophalen Zustand vieler Landesstraßen in Niedersachsen! Dieses Ressort verantworten Sie, meine Damen und Herren von der FDP. Hier könnten Sie sofort handeln.

(Heinz Rolfes [CDU]: Wir haben etwas draufgelegt auf das, was ihr damals hattet!)

Das einzige Überlegenswerte in Ihrer Pressemitteilung vom Montag ist die Aufhebung der Gewinnabführungsverträge bei der Bahn: lieber die investiven Ziele gemeinsam mit der Bahn definieren und investieren, um strukturelle Nachteile zur Straße stärker auszugleichen.

Sie sprechen sich für eine weitere Beschleunigung des deutschen Planungsrechts aus. Dazu müssten Sie gelegentlich sagen, wie die Bürgerbeteiligung nach Ihrer Auffassung aussehen soll.

(Christian Grascha [FDP]: Das haben wir mehrmals gemacht!)

Spätestens Stuttgart 21 hat gezeigt, dass mehr und frühzeitige Beteiligung Voraussetzung für Akzeptanz ist. Ihre Forderung klingt eher nach einer Bedrohung für die betroffenen Menschen: weniger Rechte, weniger Beteiligung, weniger Abwägung. - Damit werden Sie in Zukunft aber nichts beschleunigen.

Wie Sie sich das vorstellen, hat die von Ihnen mitgetragene Bundesregierung kürzlich gezeigt. Mit dem Entwurf eines Planungsvereinheitlichungsgesetzes wollten Sie z. B. die Durchführung eines Erörterungstermins beim Planfeststellungsverfahren in das Ermessen der Anhörungsbehörde stellen und damit die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger massiv beschneiden. So sieht liberale Wirklichkeit aus. Die Bundesregierung hat

diesen Gesetzentwurf im Übrigen nach massiver Kritik eingedampft.

Für die SPD-Fraktion geht es darum, in einem breit angelegten frühzeitigen Dialog zu einem Konsens darüber zu kommen, welche Infrastruktur wir in Zukunft in Deutschland brauchen und wie wir ihre Planung und Finanzierung künftig besser organisieren können.

(Christian Grascha [FDP]: Sagen Sie das doch einmal konkret! Nichts als Worthülsen!)

Denn wenn sich Widerstand gegen einzelne Projekte bildet, darf man dafür nicht die demonstrierende Bevölkerung kritisieren, sondern muss sich ernsthaft fragen, ob das Für und Wider einer Maßnahme im Vorfeld hinreichend abgewogen worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Regierungshandeln in Niedersachsen sieht wie folgt aus: auf die lange Bank schieben, handwerkliche Fehler machen und Schelte am Regierungspartner. - Sie fordern von Herrn Ramsauer noch stärkeres Engagement. Wie das organisiert und bezahlt werden soll, das bleibt Ihr Geheimnis.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Toepffer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überschrift dieser Aktuellen Stunde ist sicherlich nicht nur im Hinblick auf die jüngsten Berliner Beschlüsse aktuell, sondern allein schon deswegen - das hat Herr Dürr richtig ausgeführt -, weil wir in Niedersachsen immer wieder erleben, dass wichtige Infrastrukturvorhaben für dieses Land mit ideologischer Verweigerung verhindert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, diese ideologische Verweigerung macht Deutschland nicht nur ärmer, sondern sie ist ein Grundübel der Politik. Sie ist übrigens auch ein Übel mancher Landtagsdebatte, aber insbesondere der Verkehrspolitik.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Na, na, na!)

Ein abschreckendes Beispiel, Herr Hagenah, kommt in der Tat meistens aus den grünen Reihen. Dort muss man meistens hingucken, um solche Beispiele für ideologische Verweigerung zu finden, mit denen Infrastruktur verhindert wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Ich muss Ihnen aber zu Ihrer Ehrenrettung sagen: Die niedersächsischen Landtagsgrünen sind nicht einmal die Schlimmsten. Ich schaue auf der Suche nach abschreckenden Beispielen vorzugsweise auf die Internetseiten der Grünen-Jugend. Das ist bekanntlich Ihre Kampfgruppe, wenn es darum geht, die Basis zu befriedigen, während Sie um bürgerliche Wähler werben. Die sagen dann deutlich, wo es wirklich langgeht, die reden noch die klare Sprache, die verstecken sich nicht. Ein schönes Beispiel ist der Individualverkehr. Während Sie noch darum werben, dass der eine oder andere bürgerliche Wähler mal auf das Fahrrad umsteigt, heißt es bei der Grünen Jugend:

„Wir fordern autofreie Innenstädte und streiten langfristig für das Verbot des motorisierten Individualverkehrs.“

Ja, dann braucht man auch keine Straßen mehr!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann geht es weiter: Das Verbot von Inlandsflügen folgt selbstverständlich. - Dann braucht man auch keine Flughäfen mehr.

Wenn man sich mit grüner Infrastrukturpolitik und überhaupt mit Verkehrspolitik der Grünen beschäftigt, fällt einem auf, dass man immer wieder zu Verboten kommt. Das haben wir auch in Hannover erlebt: Verbot, Umweltzone, immer wieder Verbote. - Und das unterscheidet Sie von uns.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Sie wollten das, wir doch nicht!)

Wir glauben eben daran, dass man Menschen überzeugen kann. Wir glauben daran, dass Menschen einsichtsfähig sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie, lieber Herr Hagenah, glauben immer noch an den staatlichen Dirigismus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sagen: Die Ideologie an sich ist ja harmlos. Ideologie ist die Summe aller politischen Zielvor

stellungen. - Aber gefährlich wird es dann, wenn man sie ins Absolute erhöht. Und das tun Sie in Niedersachsen. Das ist eben gesagt worden. Da demonstriert man dann fröhlich gegen die A 20, die A 39, die Y-Trasse und den Forschungsflughafen Braunschweig, und das alles, weil wir gezwungen werden sollen, Infrastruktur Ihrer Zielvorstellung einer grünen Welt unterzuordnen, die wirklich über alles herrscht und der sich auch der Wohlstand der Menschen in diesem Lande unterzuordnen hat. Das aber machen wir nicht mit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was uns in diesem Zusammenhang aber wirklich Angst macht, ist die Kombination von der ideologischen Verweigerung einerseits und der Verweigerung der Übernahme politischer Verantwortung andererseits. Auch das ist schon angesprochen worden. Dazu habe ich auf Ihrer Seite eine Pressemitteilung vom 4. Februar 2011 gefunden. Darin steht folgender bahnbrechender Satz von Ihnen:

„Weil der Ruf der Politiker nicht der beste ist, wollen die Grünen künftig mehr Entscheidungsgewalt in die Hände der Bürger legen.“

Herr Hagenah, ich weiß nicht genau, welche Bürger Sie meinen. Aber ich kann Ihnen sagen, welche Politiker wir meinen: Wir sind stolz auf Politiker, die seit 1949 verantwortlich hier in Deutschland infrastrukturelle Maßnahmen eingeleitet und durchgesetzt haben, auf denen dieser Staat noch heute mit seinem Wohlstand funktioniert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Castor, Gorleben!)

Aber entscheidend ist eigentlich gar nicht, welche Politiker Sie gemeint haben, deren Ruf hier beschädigt ist. Entscheidend ist, dass Sie sich seit Jahren vor der Verantwortung drücken. Sie drücken sich davor, die Interessen Einzelner dem Gemeinwohl unterzuordnen. Sie sind immer dabei, wenn es gilt, Infrastrukturvorhaben mit Hinweis auf örtliche Interessen zu verhindern.

Ich will Ihnen sagen, worunter der Ruf der Politik wirklich leidet. Er leidet unter Politikern ohne Rückgrat, an Politikern, die immer allen gefallen wollen, an Politikern, die sich weigern, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Wegen dieser Politiker wird Deutschland in der Tat ärmer, und zwar nicht nur an Wohlstand und Infrastruktur.