- Herr Dürr, auf Schienen kann man mit Ökostrom fahren, wenn man elektrisiert. Sie sollten eventuell einmal darüber nachdenken, dass die Schiene, wenn sie entsprechend mit Ökostrom ausgestattet ist, ganz hervorragend zum Klimaschutz der Zukunft passt. In der Schiene liegt ein viel höheres Potenzial bei geringerem Einsatz von Steuergeld.
Sie müssen, wenn wir über Infrastruktur reden, natürlich auch an anderen Stellen die Weichen anders stellen, als CDU und FDP das auf Bundesebene machen. Gerade dadurch, dass Sie immer auf Großtechnologie setzen - jetzt wieder mit besonderer Förderung der Oligarchen aus den Stromkonzernen, für Offshorewindanlagen - erzwingen Sie geradezu, dass durch das ganze Land riesige neue Stromtrassen geführt müssen, anstatt den Schwerpunkt beim regenerativen Ausbau dezentral zu setzen, intelligente Netze dezentral einzurichten, um möglichst zu vermeiden, dass es zu so großen Ausbauten über Land kommen muss.
Da setzen Sie die falschen Anreize. Da investieren Schwarz und Gelb an der falschen Stelle. Deswegen stehen Sie heute so unter Druck, weil Ihnen die Leute weglaufen, weil sie durchschauen, was Sie für eine Politik machen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Dass die Grünen jetzt ge- gen Offshore sind, ist zumindest neu!)
- Wir sind nicht gegen die Trassen von Nord nach Süd, aber Sie müssen nicht allein den Akzent auf diese Ebene setzen, Sie müssen anderen Dingen Vorrang einräumen.
Sie erhöhen die Vergütung für Offshorewindstrom und verringern die Vergütung für Strom aus Windkraftanlagen an Land. Das ist das falsche Signal.
(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE] - Christian Grascha [FDP]: Das begreifen nicht einmal Ihre eigenen Leute!)
Natürlich haben wir Ausbauten im Verkehrsbereich nötig. Dafür braucht es aber ganz dringend auch Ihre Unterstützung. Denken Sie an die Binnenwasserstraßen! Es muss endlich ein neues Hebewerk in Scharnebeck gebaut werden. Wo ist da Ihre Initiative, die Sie zusammen mit Hamburg ergreifen müssten?
Da geht es um Hinterlandverkehr für den Hamburger Hafen. Da vermisse ich die große Initiative von Ihrer Seite.
Ihr Versagen und Ihre gebrochenen Versprechen - z. B. bei der Schienenhinterlandanbindung des JadeWeserPorts, wo der Lärmschutz nicht gleichzeitig mit dem Schienenausbau und mit der Fertigstellung des Hafens kommt - sorgen doch erst dafür, dass in der HAZ heute wieder stehen kann, dass die Leute Sorge haben, wenn mehr Güterverkehr auf die Schiene kommt - weil sie nämlich durch solche Maßnahmen, wie sie diese Landesregierung beim JadeWeserPort zu verantworten hat, das Vertrauen in die Politik verlieren, weil diese Ungleichzeitigkeit demonstriert, dass die Politik nicht verlässlich handelt.
Nur wenn man den Bürgerinnen und Bürgern mehr Einfluss, echten Lärmschutz und echte Verbesserungen bei verstärktem Güterverkehr auf der Schiene zusichert und das auch durch Finanzierungsvereinbarungen sicherstellen kann, dann wird man auch die konstruktive Mitarbeit unserer Bevölkerung haben. Dadurch wird die Gesellschaft reicher und nicht ärmer, Herr Dürr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nein, Herr Jüttner, das muss ich nicht. Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen der Infrastruktur und dem Wohlstand einer Gesellschaft. Der wird von den meisten Bürgern auch tatsächlich gesehen.
Es gibt in Deutschland ungefähr 4,5 Millionen Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt vom Verkehrssektor abhängig sind. Schauen Sie sich doch einmal unsere Verkehrsachsen an!
Schauen Sie sich an, was sich am Mittellandkanal entwickelt hat! Links und rechts haben sich Industrien angesiedelt.
Schauen Sie sich an, was sich an der Emslandautobahn und der Hansalinie entwickelt hat! Wo in den letzten Jahren derartige Infrastrukturmaßnahmen realisiert wurden, haben sich Unternehmen niedergelassen, sowohl Logistikdienstleister als auch andere Gewerbe- und Industriebetriebe.
Wir haben mit der Infrastruktur die Chance, in unserem Land Wachstumsregionen und dadurch auch Wachstumsachsen zu schaffen. Aufgrund der Renaissance der Häfen ist die ganze Küste ein solcher Wachstumsbereich, der eine Wachstumsachse wird. Wir haben nicht nur Umschlag, sondern in unseren Häfen und um sie herum auch Wertschöpfung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich ist es notwendig, dies zur Sicherung unseres Wohlstandes zu tun. Aber es gibt auch immer wieder Diskussionen und kritische Betrachtungen aufseiten der Bürger. Die dürfen wir nicht einfach beiseite wischen. Wir müssen die Hinweise, die wir von direkt Betroffenen bekommen, die sich Sorgen um die Qualität ihres Wohnraums und um ihren eigenen Lebensstandard machen, wirklich ernst nehmen.
Wir brauchen keine Neinsager. Wir brauchen keine Dagegen-sein-Bewegung. Wir brauchen einen offenen, einen ehrlichen Umgang mit individuellen Interessen und dem Allgemeinwohl. Das muss in Einklang gebracht werden.
Ich finde es deshalb sehr beeindruckend, dass es bei dem Ausbau des Eisenbahnnetzes zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg in dem jetzt gefassten Feststellungsbeschluss keine einzige Einwendung von direkt betroffenen Bürgern in dem Planfeststellungsbereich gibt. Das heißt, die Planung, die wir dort gemeinsam mit der Bahn gemacht haben, im direkten Ausbaubereich, wo wirklich die Menschen wohnen, die betroffen sind, hat diese Stellungnahmen, diese Hinweise tatsächlich berücksichtigt. Das muss das Ziel bei allen Maßnahmen sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese frühzeitige Einbindung von Bürgern und eine kurze Frist zwischen Planung und Umsetzung ermöglichen es, den fachlichen Austausch mit den Bürgern zu dem Ergebnis zu führen, dass man gemeinsam an die Sache herangeht.
Ich habe aber die Sorge, dass in vielen Bereichen Neinsager, unterstützt von Trittbrettfahrern aus anderen Bereichen, die gar nicht selber betroffen sind, eine öffentliche Kommunikation auslösen, die zu einem Stopp, einer Verzögerung der Infrastrukturmaßnahmen führt, manchmal mit nicht zu Ende gedachten Pseudoalternativkonzepten, die fachlich gar nicht gerechtfertigt sind.
Da müssen wir ansetzen. Wir dürfen nicht das Sankt-Florians-Prinzip weiter in den Vordergrund stellen lassen. Wir müssen das Allgemeinwohl in den Vordergrund stellen und dann auch die getroffenen demokratischen Entscheidungen, nachdem auf die individuellen Interessen eingegangen worden ist, durchsetzen. Wir müssen Verständnis dafür finden, dass Demokratie auch einmal negative Einflüsse haben kann. Genau darum geht es: Was ist Allgemeinwohl? Was ist Einzelinteresse?
Ich fand schon spannend, was wir in Berlin sehen konnten. Da ist eine Möchtegernregierung an 3 km Autobahn gescheitert, noch bevor sie angefangen hat.
Wir in Niedersachsen planen den Bau von 200 km Autobahn, mit der A 20, mit der A 39. Wir betreiben den mehrspurigen Ausbau von knapp 300 km Autobahn im Zuge der A 1 und der A 7. Wir tun das, um Wohlstand für Niedersachsen zu sichern und um neuen Wohlstand zu schaffen.
Wir haben eine einmalige Chance. Der Bund gibt 1 Milliarde Euro für weitere Infrastrukturmaßnahmen aus.
Wir sagen: Ja, Niedersachsen ist bereit. Wir haben planfestgestellte Maßnahmen, die wir anbieten können. Wir wollen von dieser Milliarde möglichst viele Verkehrsprojekte in Niedersachsen realisiert bekommen.
Wir haben Nachholbedarf gegenüber dem Süden. Es muss einen Schwerpunkt im Norden geben. Wir müssen den Hafenhinterlandverkehr als nationale Aufgabe in den Vordergrund stellen, auch bei dieser Milliarde.
Ich bin dem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann sehr dankbar, der gerade in einem Modellversuch das grün-rote Projekt betreibt. Denn er hat in seinem Koalitionsvertrag quasi auf diese Milliarde verzichtet. Er hat darin nämlich gesagt, dass Grün-Rot „Straßenneubauten … nur noch in begründeten Einzelfällen“ realisieren will.
Niedersachsen muss Herrn Kretschmann dankbar sein. Die Baden-Württemberger Bürger müssen uns dafür leidtun. Aber wir sind für Niedersachsen da. Wir wollen Niedersachsen nach vorne stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, interessant finde ich - damit komme ich zum Schluss -, wie das grün-rote Modellprojekt, das Sie nach Niedersachsen übertragen wollen, die Nöte der Menschen und der Bürger aufnimmt. Auch darauf gibt Ihr Koalitionsvertrag eine Antwort.