Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

(Unruhe)

- Sie wollen das doch hier, Herr Lies, oder nicht? Sie kandidieren doch extra dafür. Sie sagen doch überall, dass Sie das, was Baden-Württemberg macht, gerne hier verwirklichen wollen.

(Zuruf von Olaf Lies [SPD])

- Na gut. Aber auch Sie haben dort unterschrieben. Also finden anscheinend auch Sie gut, wie die Mobilitätsprobleme in Baden-Württemberg gelöst werden sollen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Herr Bode, Sie müssen mächtig unter Druck ste- hen!)

Ich habe noch einmal in den Koalitionsvertrag geschaut. Da steht, Sie wollen überlegen, „inwiefern eine Reduzierung der Mobilitätszwänge … durch verändertes Freizeitverhalten möglich ist“. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das heißt: Wer nicht in der Nähe einer Sporthalle wohnt, darf keinen Sport mehr treiben. - Das ist doch wohl unglaublich. Grün-Rot ist Besserwisserdiktatur. Schwarz-Gelb ist Wohlstand in Freiheit, und den wollen wir haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei den GRÜNEN)

Ich schließe damit die Besprechung zu Punkt a.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 3 b:

Castortransport stoppen - weil nicht richtig sein kann, was „politisch absolut falsch“ ist (BZ vom 07.11.2011) ! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4161

Ich erteile dazu dem Kollegen Wenzel das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir scheint, so viel politische Klarheit und so viel politische Einigkeit gab es in Sachen Gorleben noch nie. Eine breite politische Allianz steht nicht nur in Niedersachsen gegen die geplante Atommüllanlage in Gorleben: die Bürgerinitiativen, die Bauern im Wendland, die Umweltverbände, die Kirchengemeinden und ihre Bischöfe, die Vertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Polizisten und ihre Gewerkschaften, die Bäcker, die Schüler, die Busfahrer - einfach alle.

Die Politikerinnen und Politiker in vielen Städten und Landkreisen dieses Landes, die Opposition im Bundestag und hier im Landtag und, wenn wir den vielen Äußerungen von Vertretern der Parteien aus dem niedersächsischen Regierungslager Vertrauen schenken dürfen, auch CDU und FDP sind dagegen, Herr Thümler ist dagegen, Frau Flachs

barth ist dagegen, ja sogar Herr Sander ist angeblich dagegen - wenn, ja wenn wir den Äußerungen von Vertretern von CDU und FDP wirklich trauen können. Können wir das, meine Damen und Herren?

Wie gesagt, eine so breite Allianz hat es in 35 Jahren wohl nicht gegeben. Trotzdem werden wir Zeugen einer geradezu irrationalen Entwicklung. Keiner ist dafür, aber alle im Regierungslager machen mit. Keiner will Gorleben, aber keiner von Ihnen hebt den Finger gegen den nächsten Castortransport. Gibt es geheime Mächte, die gegen den Willen aller Akteure Fakten schaffen wollen, meine Damen und Herren? Spielen alle Beteiligten hier wirklich mit offenen Karten? - So viele Fragen. Und auch diese: Warum betreibt der niedersächsische Umweltminister eine ganz offensichtliche Manipulation der Messwerte für das Castorlager? Und, meine Damen und Herren, warum organisiert Umweltbundesminister Norbert Röttgen ein Gespräch zum angeblich auch von ihm gewollten Neubeginn bei der Endlagersuche so dilettantisch, dass von 16 Ministerpräsidenten nur zwei teilnehmen wollen?

Der EKD-Vorsitzende Schneider sprach vor wenigen Tagen bei seinem Besuch im Wendland von einem Ewigkeitsproblem, einem Problem von bislang nicht gekannter Herausforderung, einem Problem, das den ernsthaften und den nachhaltigen Willen aller Beteiligten einfordert. Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, in dieser Frage bedarf es nicht nur glaubwürdiger Akteure, sondern es bedarf auch vertrauensbildender Maßnahmen. Die einzige vertrauensbildende Maßnahme, die diesen Namen verdienen würde, wäre die Absage des Castortransports.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Auf diese vertrauensbildende Maßnahme, auf dieses Zeichen Ihrer Glaubwürdigkeit, wartet das Land, Herr Ministerpräsident. Ich frage mich: Wird das Warten vergeblich sein? Wie jung, wie dynamisch, wie voller Tatendrang wollten Sie Ihr Amt antreten; wie defensiv, wie matt, wie resigniert zeigen Sie sich schon jetzt in dieser für das Land so entscheidenden Frage.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Björn Thüm- ler [CDU]: Herr Wenzel, jetzt ist es aber gut! Geht es noch eine Spur größer? - Clemens Große Macke [CDU]: Das gilt auch für die Grünen und für die Antworten von Herrn Trit- tin!)

Gibt es denn keinen Ehrgeiz mehr, auch nicht den, einer großen Tageszeitung das Gegenteil zu beweisen, wenn diese schreibt:

„Den Mut, sich in der ewigen Streitfrage Gorleben richtig querzulegen, haben Regierungsvertreter von CDU und FDP indes nicht. Bürgerinitiativen wie auch die Opposition liegen nicht falsch, wenn sie der Landesregierung diese Mutlosigkeit vorwerfen.“

Wollen Sie als Angsthase in die Geschichte eingehen, Herr McAllister? Wir wissen doch alle: Die notwendige Entscheidung für Atommülllager muss breit verankert werden, muss weit länger tragen als eine Legislatur, braucht Vertrauen, braucht volle Transparenz.

35 Jahre nachdem Gorleben in einer Nacht-undNebel-Aktion ausgesucht wurde, müssen wir den Neubeginn mit einem erneuten großen internationalen Endlager-Hearing begründen. Meine Damen und Herren, wenn Sie eine Grundlage für einen Neubeginn bei der Endlagersuche schaffen wollen, wenn Ihnen, Herr Ministerpräsident, ernsthaft an einem Neubeginn gelegen ist, müssen Sie diesen Castortransport stoppen und Ihr Landesbergamt beauftragen, den Rahmenbetriebsplan für den Weiterbau in Gorleben infrage zu stellen.

Meine Damen und Herren, Herr McAllister, unsere Töchter werden uns einst fragen, wie wir uns entschieden haben und warum.

(Gabriela König [FDP]: Nur unsere Töchter?)

Dann sollten wir eine gute Antwort haben. Machen Sie den Weg frei für einen Neubeginn, nicht zuletzt auch im Interesse der jungen Polizistinnen und Polizisten, die nicht für einen politischen Konflikt verheizt werden dürfen.

(Clemens Große Macke [CDU]: Ja, genau!)

Herr McAllister, Herr Ministerpräsident, dies ist nicht die Stunde der Polizei, es ist die Stunde der Politik. Stoppen Sie den Castor, stoppen Sie Gorleben!

Ich danke Ihnen.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Dr. Hocker das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor zwei Wochen hat sich der Umweltausschuss dieses Hauses im Landkreis LüchowDannenberg getroffen und u. a. das Transportbehälterlager in Gorleben in Augenschein genommen. Im Anschluss daran haben wir im Kreishaus über den Castortransport 2011, über die aktuell gemessenen Werte und auch über die öffentliche Debatte dieses Themas diskutiert. Als wir im Anschluss daran den Sitzungssaal des Kreistags verlassen haben, wurden die Vertreter von CDU und FDP von aufgebrachten Bürgerinnen und Bürgern als Atomlobbyisten, als verstrahltes Pack und als korrupter Abschaum beschimpft.

Meine Damen und Herren, jedem von uns wäre es doch lieber, diesen Müll nicht zurücknehmen und in Deutschland zwischenlagern zu müssen. Glauben Sie denn, dass irgendjemand der Abgeordneten eine besondere Freude an immer den gleichen Debatten um Castortransporte empfindet oder dass irgendein Abgeordneter oder Polizist am ersten Adventwochenende gern nach Lüchow-Dannenberg fährt, um die immer gleichen Demonstrationen und Beschimpfungen zu erleben?

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie kön- nen nicht anders, oder wie? - Zuruf von der LINKEN)

Aber wir regieren nun einmal in Niedersachsen und im Bund, und deswegen müssen wir uns dieser Verantwortung auch stellen.

Dazu gehört es eben auch, lieber Kollege Wenzel, völkerrechtliche Verträge einzuhalten, die uns verpflichten, diesen Müll aus Großbritannien und aus Frankreich zurückzunehmen, so wie das für rotgrüne Landesregierungen und Bundesregierungen in der Vergangenheit ebenfalls unumgänglich gewesen ist.

(Zurufe von den GRÜNEN: Aber doch nicht nach Gorleben!)

Aber, meine Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich habe bei der Castordebatte mittlerweile wirklich Zweifel an der Aufrichtigkeit einiger von Ihnen in diesem Hause. Wenn es Ihnen tatsächlich darum gegangen wäre, dass die Castoren nicht nach Gorleben rollen, dann hätten Sie keine Diskussion über die Messwerte führen und die Verschiebung des Transports um ein Jahr fordern

müssen. Dann hätte der Kollege Wenzel zu seinem Parteifreund und Ministerpräsidenten Kretschmann in die Stuttgarter Staatskanzlei fahren und sich dafür verwenden können, dass die Castoren in eines der baden-württembergischen Zwischenlager rollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist nun wirklich ein alter Witz!)

Stattdessen fordern Sie, den Transport 2011 abzusagen, um ihn im Jahr 2012, wenige Wochen vor der Landtagswahl, stattfinden zu lassen. Meine Damen und Herren, das ist entlarvend.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In Wahrheit brauchen Sie den Castortransport als politische Bühne, aber eben zu einem Zeitpunkt, der Ihnen passt, Herr Kollege Wenzel.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich meine, dass sich jeder Abgeordnete der Opposition, der sich an diesem Spiel beteiligt, fragen muss, ob er wirklich einen Beitrag dazu leisten will, dass die politische Kultur wirklich so unter die Räder kommt, wie wir es bei unserem Besuch vor zwei Wochen in Lüchow-Dannenberg erleben mussten.

Ich bin in den letzten Wochen viel mehr beeindruckt von den Mitarbeitern des Umweltministeriums, die mit einer quasi schon stoischen Ruhe wieder und wieder auf die Anschuldigungen der Opposition, zu vertuschen und zu manipulieren, reagiert haben. Meine Damen und Herren, Staatsgläubigkeit ist eine Eigenschaft, die wohl am wenigsten in meiner Partei ihre Heimat hat. Aber wer permanent Messergebnisse von Behörden, von objektiven Institutionen unseres Staates, anzweifelt, der legt ein Stück weit auch die Axt an das Selbstverständnis unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Wer behauptet, Umweltministerium oder NLWKN würden bewusst manipulieren und die Unwahrheit sagen, der glaubt auch keinem öffentlich bestellten Statiker, keinem unabhängigen Gutachter und letzten Endes auch nicht der Polizei oder der Justiz in diesem Land. Nach Ihrer Vorstellung könnten sie ja alle sozusagen gekauft sein. Stattdessen fordern Sie, dass ausgerechnet die Umweltschutzorganisation Greenpeace, der man bestimmt vieles nachsagen kann, aber wohl am allerwenigsten

Objektivität in politischen Fragen, sogenannte unabhängige Messungen vornehmen soll. Ich warte noch darauf, meine Damen und Herren, dass irgendwann Abgeordnete der Opposition ins Wendland aufbrechen, eigene Messungen vornehmen und uns diese dann als objektive Messungen verkaufen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit Ihrer permanenten Kritik an von Behörden objektiv durchgeführten Messungen und wenn Sie unbescholtenen und ehrbaren Mitarbeitern unserer Ministerien Lug und Trug vorwerfen, fördern Sie eine Kultur des Misstrauens in diesem Land.