Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit Ihrer permanenten Kritik an von Behörden objektiv durchgeführten Messungen und wenn Sie unbescholtenen und ehrbaren Mitarbeitern unserer Ministerien Lug und Trug vorwerfen, fördern Sie eine Kultur des Misstrauens in diesem Land.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie trauen sich ja noch nicht einmal, die Daten offenzulegen!)

Damit ist niemandem gedient, und am allerwenigsten erreicht man damit die maximale Sicherheit der Menschen im Wendland.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Menschen verstehen, dass wir den Müll zurücknehmen müssen und bis 2021 zusätzlichen Müll erzeugen werden, den wir zwischen- und endlagern müssen. Der Castortransport wird im November 2011 durchgeführt werden, weil es keine objektiven Gründe gibt, ihn nicht durchzuführen. Am Tag der Landtagswahl, am 20. Januar 2013, wird dieser Transport über 14 Monate her sein. Deswegen sage ich Ihnen, lieber Kollege Wenzel, heute voraus, dass Ihre Landesvorsitzende, Frau Piel, und Sie sich schleunigst daranmachen sollten, für die Landtagswahl eine neue Strategie für die Grünen zu entwickeln, denn mit der Kernenergie und mit den Castortransporten werden Sie bei der Landtagswahl 2013 nicht gewinnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Denken Sie einmal über Ihre eigene Strategie nach! - Weitere Zurufe von den GRÜ- NEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Tanke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen es schon lange, und der Zeuge Schubert hat es jetzt im PUA in Berlin bestätigt: Gorleben

war 1977 eine rein politische Entscheidung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. - Herr McAllister, korrigieren Sie endlich diese Fehlentscheidung Ihres Parteikollegen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist noch einmal deutlich geworden, dass der Standort Gorleben in keinster Weise wissenschaftlich begründet war. Das ist auch der Grund, warum das Wendland jedes Jahr kurz vor Weihnachten die „fünfte Jahreszeit“ erlebt. Der Widerstand gegen die Castortransporte und gegen Gorleben lässt nicht nach. Auch die EKD hat sich nun eindeutig gegen Gorleben ausgesprochen.

Herr Ministerpräsident, noch im Juni sprechen Sie sich in Ihrer Regierungserklärung für eine Erkundung Gorlebens aus - ganz der artige, brave Junge, der sich an die Anweisungen der Kanzlerin hält.

(Zurufe von der CDU: Oh! - Christian Meyer [GRÜNE]: Muttis Bester!)

Dann wird es aber hier in Niedersachsen brenzliger, und Sie werden ein Getriebener der Energiewende. Sie wollen unter allen Umständen die Menschen glauben machen, dass Sie sich in Sachen Kernenergie vom Saulus zum Paulus gewandelt haben.

(Zurufe von der CDU: Das sind doch Märchen! - Mannomann! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich möchte an dieser Stelle gerne aus der HAZ vom 7. November zitieren.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Welchen Jahres?)

- Dieses Jahres, Herr Kollege Hilbers.

Dort heißt es:

„Den Mut, sich in der ewigen Streitfrage Gorleben richtig querzulegen, haben Regierungsvertreter von CDU und FDP indes nicht.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Clemens Große Macke [CDU]: Das hat Herr Wenzel doch schon gesagt! Das brauchen Sie nicht zu wiederho- len! Schlecht vorbereitet!)

Ihr Regierungshandeln bei dem diesjährigen Castortransport entlarvt Ihre Doppelzüngigkeit. Die warnenden Hinweise des NLWKN, der Fachbehörde des Landes Niedersachsen, die warnenden Hinweise zu den Messwerten, die von der BI und von Greenpeace aufgegriffen worden sind, haben zu einem monatelangen Streit geführt. Die Landesregierung hatte angesichts der Messwerte allen Grund, ja die Verpflichtung, den diesjährigen Castortransport abzusagen. Aber Sie haben die Ergebnisse so lange interpretiert, bis Ihnen die Ergebnisse passten.

(Clemens Große Macke [CDU]: Sie waren doch in Gorleben! Sie sind doch dabei!)

Warum diese unsägliche Schönrechnerei, wenn doch Minister Sander davon überzeugt ist, dass der Castortransport zu diesem Zeitpunkt politisch absolut falsch ist? Was ist das für eine Verantwortung, erst den Transport zu genehmigen und ihn dann lautstark infrage zu stellen? - Das kann wirklich nur ein Minister, der sich selbst in Restlaufzeit befindet.

Die Landesregierung und die CDU müssen sich zudem fragen, warum sie die Erkundung von Gorleben nicht sofort stoppen, sondern weitere Millionen in Salzgestein vergraben. Herr Thümler, wie erklären Sie uns das, nachdem Sie in den letzten Tagen immer wieder Gorleben für ungeeignet erklärt haben?

Jetzt noch einmal zum Ministerpräsidenten: Uns stellt sich die Frage, warum er noch immer nicht in Niedersachsen das Thema zur Chefsache gemacht hat. Er schreibt in aller Stille am 11. August den Brief an den „lieben Norbert“, der ja traurige Berühmtheit erlangte. Die öffentliche Antwort der Bundesregierung war peinlich für ihn,

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

eine Klatsche, weil er offensichtlich nicht Niedersachsens Interessen in Berlin durchsetzen kann.

(Johanne Modder [SPD]: So ist es!)

Die Bundesregierung teilt einfach mit, dass Gorleben das bleiben wird, was es ist: das Atomklo der Nation.

Heute lesen wir zudem: Das Endlagersuchgesetz wird auf die lange Bank geschoben.

Herr McAllister, beenden Sie endlich Ihre Geheimdiplomatie! Fassen Sie endlich einen Kabinettsbe

schluss! Fahren Sie nicht nur nach Berlin, sondern setzen Sie auch mal etwas durch! Legen Sie sich einmal richtig quer!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion hat vor vier Wochen einen Antrag vorgelegt, auf das tiefengeologische Verbuddeln atomarer Abfälle zu verzichten. Unser Antrag greift die Empfehlung der Ethikkommission auf, Atommüll rückholbar bei höchsten Sicherheitsanforderungen zu lagern. Dieser Antrag steht am Freitag hier zur Debatte. Dann haben Sie die Chance, nicht mehr nur zu reden, nicht mehr nur erfolglos zu schreiben, sondern öffentlich mit uns zu stimmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Bringen Sie den politischen Mut auf, mit uns zu sagen: Gorleben, nein danke!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Herzog das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Politisch Verantwortliche haben in lichten Momenten Richtungweisendes gesagt - so Ministerpräsident Ernst Albrecht 1979 mit dem berühmten Spruch, eine Wiederaufarbeitungsanlage sei in LüchowDannenberg „politisch nicht durchsetzbar“, oder SPD-Chef Gabriel, der das Zwischenlager als „Kartoffelscheune“ bezeichnete, oder Kanzler Schröder, der Castortransporte durch die ganze Republik angesichts der massiven Widerstände für „mit der Demokratie unvereinbar“ erklärte.

Wenn jetzt der scheidende niedersächsische Umweltminister den Castortransport für „politisch absolut falsch“ erklärt, dann frage ich mich instinktiv, ob er langsam in die Fußstapfen der altersweisen Politiker Blüm, Geißler und Töpfer treten will und nach seinem Abtritt im Februar Attac-Mitglied wird oder im Wendland zur Bäuerlichen Notgemeinschaft geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sander gegen Castor und Thümler gegen die Endlagerung in Salz und insbesondere gegen Gorleben - ist das den verschiedenen atompolitischen Desastern zuzuschreiben oder schlichtweg arbeits

teilige Taktik nach dem Motto „Populisten aller Länder, vereinigt euch“?

(Heiterkeit und Beifall bei der LIN- KEN)

Eigentlich hätte Minister Sander heute zuerst reden sollen, um seine ganze verquaste Atomdenke einmal darzulegen, z. B. warum er immer dann abtaucht, wenn es für die Atomlobby eng wird. Dabei lag es in Ihrer Hand, Herr Sander, diesem Castortransport den Garaus zu machen und in die Atomannalen als der erste erfolgreiche Train Stopper einzugehen. Mit einer letzten Amtshandlung hätten Sie sich querstellen können. Das hätte nicht einmal eine weitere Karriere gefährden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hätten lediglich Ihrem Amtseid folgen müssen, Schaden von der niedersächsischen Bevölkerung abzuwenden. Sie hätten lediglich Ihre atomfreundlichen Mitarbeiter im Ministerium daran hindern müssen, sich alle Beamtenbeine auszureißen, um die Strahlenwerte im Gorlebener Castorlager schönzurechnen. Sie hätten lediglich Ihrer eigenen Messbehörde, dem NLWKN, den Rücken stärken und sie nicht zur Schlachtung freigeben müssen.

So aber ließen Sie die Grenzwertjongleure mit durchschaubaren Tricks die Werte drücken, bis sie knapp unter dem Grenzwert entlangschrammen. Stattdessen jammern Sie jetzt den verpassten Chancen hinterher. Ein ganz trauriger Abgang!

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Christian Meyer [GRÜNE])