Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Christian Meyer [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, was mich aber wirklich aufregt, ist dieses Mantra, das Schwarz-Gelb immer wieder nachbetet: „Die Menschen im Wendland haben ein Recht darauf, zu erfahren - - -“

(Björn Thümler [CDU]: Ja, so ist das!)

- Herr Thümler, haben Sie es denn auch nach dem desaströsen Kommunalwahlergebnis der CDU im Wendland nicht begriffen? Die Menschen dort wissen, worum es geht! Und sie haben ein verdammtes Recht darauf, dass man sie fair behandelt, ein Recht darauf, dass nach 35 Jahren die manipulierte Auswahl Gorlebens ebenso zugegeben wird wie die geologischen K.-o.-Mängel.

Meine Damen und Herren, dieser Transport ist absolut falsch - aber nicht, Herr Sander, weil damit eine Harmonie bei der Endlagersuche gestört wird, sondern weil CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne es

im Bundestag versäumt haben, den vermeintlichen Atomausstieg unumkehrbar zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Er ist falsch, weil Strahlenwertbasteleien am Castorlager Gorleben auch das letzte Nanogramm Vertrauen in den Gulli spülen, weil der Scheindialog von Röttgen nicht zum Weiterbau eines Endlagers im Salzstock im Dreischichtbetrieb passt, weil klammheimliche Castorrochaden im Zwischenlager zur Verschlusssache deklariert werden und weil es letztlich ganz egal ist, ob eine panzerbrechende Waffe in einen Castorbehälter einschlägt, in dem sechs Mal Hiroshima drin ist, oder in einen Castorbehälter, der dahinter versteckt ist, in dem acht Mal Hiroshima drin ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Sander, dieser Transport ist falsch, weil Ihr Kollege Schünemann beginnt, die Bauern in die Nähe einer kriminellen Vereinigung zu schieben. Er ist falsch, weil man die Betroffenen 35 Jahre lang belogen hat, nie mit ihnen gesprochen, sondern sie beschimpft hat, sie enteignen will und sie in jedem Castorjahr wie Kriminelle behandelt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In Ländern wie Spanien, Griechenland, Irland etc. gäbe es unter solchen Verhältnissen ein ganz anderes Stühlerücken.

(Beifall bei der LINKEN)

Die bisherigen wendländischen Widerstandsformen wären für sie Softrock und Kuschel-Dancing, und Schottern wäre wie Bauklötze-Spielen.

Nach wie vor verwechseln Sie, Herr McAllister, Herr Sander und Herr Schünemann, Ursache und Wirkung.

Und wenn der niedersächsische Ministerpräsident vom „lieben Norbert“ abgekanzelt wird wie ein Schuljunge

(Ministerpräsident David McAllister: Wieso das denn?)

und dieser dem viel zu lieben David zeigt, wo der atompolitische Dampfhammer hängt, dann muss endlich Schluss sein mit lustig - und vor allen Dingen mit politischem Warmduschen.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Bäumer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Haben Sie heute Morgen von der linken Seite hier im Hause etwas Neues gehört?

(Zurufe von der CDU: Nein!)

- Ich auch nicht. Das war aber auch nicht zu erwarten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da sind sie wieder, meine sehr geehrten Damen und Herren, die alten linken Thesen: Der Castortransport muss gestoppt werden, die Castorbehälter müssen woanders hin und nicht nach Gorleben, und Gorleben sei als Endlager sowieso nicht geeignet. - Das kennen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, und wird durch ständiges Wiederholen nicht besser.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das ist aber richtig!)

Erster Punkt: Der Castortransport müsse gestoppt werden. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin auch nicht begeistert, dass Ende November ein Castortransport rollt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Aber Sie machen nichts dagegen! - Christian Meyer [GRÜNE]: Dann stoppen Sie ihn doch!)

Ich bin auch nicht begeistert, Ende November ein Wochenende nach Gorleben fahren zu dürfen. Und meine Tochter - Herr Wenzel, Sie haben vorhin von den Töchtern gesprochen - wird mich auch fragen: Papa, was machst du da eigentlich? - Auch darauf werde ich keine richtige Antwort haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ursula Weisser- Roelle [LINKE]: Das glaube ich! - Wei- tere Zurufe von den GRÜNEN und von der LINKEN - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Aber - das hat mein Kollege Dr. Hocker schon erwähnt - es gibt internationale Verträge, die uns auferlegen, diesen Atommüll wieder zurück in unser Land zu holen. Diese Verträge sind einzuhalten. Sie wollen mir wahrscheinlich nicht allen Ernstes erklären, dass Sie bereit wären, diese Verträge zu brechen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Die sind ja gar nicht bekannt! Legen Sie die doch mal auf den Tisch!)

„Man wirft seinen Müll nicht dem Nachbarn vor die Haustür“ hat Jürgen Trittin schon im Jahr 2001 gesagt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Zweiter Punkt: Das Transportbehälterlager in Gorleben sei nicht geeignet. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir sind keine Initiativen bekannt - weder vom Bundesamt für Strahlenschutz, von Herrn König, Mitglied der Grünen, noch von anderen Bundesländern -, dass Castoren anderswo als in Gorleben zwischengelagert werden sollen. Auch Baden-Württemberg hat sich dazu noch nicht geäußert, wobei das doch so einfach wäre:

(Christian Meyer [GRÜNE]: Weil kein Antrag vorliegt!)

Da kämen die Castoren mal eben über die deutsch-französische Grenze und schwups, ab ins Zwischenlager in Baden-Württemberg. Aber wenn ein grüner Ministerpräsident und ein grüner Umweltminister in Baden-Württemberg nicht auf eine solche Idee kommen, dann brauchen sie vielleicht einmal Nachhilfe von Ihnen, Herr Wenzel.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ein weiteres Zitat von Jürgen Trittin aus dem November 2002:

„Die hoch radioaktiven Abfälle aus der Wiederaufbereitung können nur im Zwischenlager Gorleben aufgenommen werden. Mir gefällt das auch nicht, aber ich kann es nicht ändern.“

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Dritter Punkt: Gorleben sei als Endlager nicht geeignet. - Darum soll es heute Morgen vermutlich nicht gehen. Aber dass das hier mehrfach erwähnt worden ist, zeigt mir, dass man nicht in der Lage ist, die Dinge differenziert zu sehen. Dann wird, wenn die Argumente ausgehen, alles in einen Topf geworfen.

„Castortransporte sind notwendig“ - keine Angst, Herr Wenzel, das Zitat stammt nicht von mir, sondern auch von Jürgen Trittin, dem früheren grünen Umweltminister, der das im Januar 2001 in einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur, dpa, gesagt hat. Dort heißt es:

„Die Castortransporte mit deutschem Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague

nach Gorleben sind nach den Worten von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nicht zu vermeiden. Sie seien rechtlich unabweisbar, und mit der Konsensvereinbarung zwischen Bundesregierung und Stromwirtschaft seien auch die politischen Voraussetzungen inzwischen gegeben, sagte Trittin am Dienstag der dpa in Bonn.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist jetzt zehn Jahre her. Die gesamte Situation ist heute rein rechtlich nicht anders als vor zehn Jahren. Aber es gibt sie anscheinend noch: die guten und die bösen Castortransporte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die guten Castoren rollen immer dann, wenn in Deutschland linke Umweltminister am Werk sind. Dann sind sie eben nicht zu vermeiden, dann sind sie notwendig, dann sind sie unabweisbar.

„Gegen diese Transporte sollten Grüne in keiner Form - sitzend, stehend, singend, tanzend - demonstrieren.“

Dies sagte Trittin Ende Januar 2001. Und weiter:

„Ob’s uns passt oder nicht: Für diese hochaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung gibt es nur ein genehmigtes Zwischenlager: in Gorleben. Deshalb führt an diesen Rücktransporten dorthin kein Weg vorbei.“