Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

„Ob’s uns passt oder nicht: Für diese hochaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung gibt es nur ein genehmigtes Zwischenlager: in Gorleben. Deshalb führt an diesen Rücktransporten dorthin kein Weg vorbei.“

So Jürgen Trittin im Dezember 2002.

Karl Marx hat einmal gesagt: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ Oder mit meinen Worten: Scheinheilig, unglaubwürdig, grün.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Gut, dass Herr Schünemann nicht da ist!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sind doch gar nicht gegen Castortransporte, Sie wollen nur nicht, dass der Castortransport im November 2011 rollt. Er soll im November 2012 rollen,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: So ein Quatsch!)

damit Sie dann die passende Begleitmusik für Ihren Landtagswahlkampf haben. Das ist doch der Grund, Herr Wenzel, warum Ihnen der Castor dieses Jahr nicht passt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie müssen ja eine Angst vor der Wahl haben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Martin Luther King hat damals in seiner berühmten Rede beim Marsch nach Washington gesagt: „Ich habe einen Traum.“

(Oh! bei der SPD)

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe auch einen Traum: dass unsere Energieversorgung sicher, sauber und bezahlbar ist, dass wir uns immer mehr aus erneuerbaren Energiequellen versorgen und dass es diese Generation schafft, den atomaren Müll dort zu lagern, wo er rückholbar ist oder für Tausende von Jahren sicher aufbewahrt werden kann.

(Glocke des Präsidenten)

Dafür arbeiten meine Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Landtagsfraktion jeden Tag. Wir packen das an und tun etwas dafür.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Glauben Sie, was Sie da sagen?)

Für einen grünen Politiker, da bin ich mir sicher, wäre das eher ein Albtraum: keine Kernkraftwerke mehr, keine Castortransporte mehr, keine Endlagerdiskussion mehr. Kann ein Grüner diesen Traum träumen? - Nein, das kann er nicht; denn es wäre ein Albtraum.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme gerne zum Schluss. - Der Höhenflug der Grünen ist schon beendet. Die Umfragewerte sind wieder auf dem Sinkflug. Rot-Grün ist weit davon entfernt, eine Mehrheit zu bekommen. Das ist auch der Grund dafür, dass Sie heute Morgen dieses Theater veranstalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Sander. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie aus der Debatte schon festzustellen ist, muss der jetzige Castortransport unter zwei Aspekten betrachtet werden. Der eine ist der rechtliche, der formale Rahmen, und der andere ist die politische Bewertung.

Ich will zu dem rechtlichen Rahmen sagen: Sie alle wissen, dass das niedersächsische Umweltministerium und seine Fachbehörden nur prüfen, ob eine Einlagerung im Transportbehälterlager erfolgen kann. Wir sind nicht in der Lage - da können Sie noch so viele Appelle an den Ministerpräsidenten richten -, den Castortransport zu unterbinden. Die Genehmigung des Castortransports erfolgt einzig und allein durch das Bundesamt für Strahlenschutz. Herr König könnte also ganz klar und deutlich sagen: Diesen Castortransport will ich nicht haben.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie sind Atomaufsicht, Herr Minister!)

Wir haben das also abgearbeitet. Nachdem wir im August festgestellt haben, dass es eventuell Erhöhungen des Dosiswertes bzw. des Eingreifwertes geben könnte, haben wir zusätzlich Prüfungen unternommen bzw. veranlasst, z. B. durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt. Das haben wir in einem Pressegespräch mit den Mitarbeitern dementsprechend erklärt und die Ergebnisse vorgestellt.

Nun zu Ihnen, Herr Wenzel. Ich kann langsam nicht mehr verstehen, dass Sie meine Mitarbeiter jeden Tag anmailen mit neuen Forderungen, was noch alles notwendig ist.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Dann rü- cken Sie doch mal die Akten raus!)

Auch Ihre letzte Mail von gestern Nachmittag ist von meinen Mitarbeitern bis tief in die Nacht bearbeitet worden. Wir werden die Antwort heute dem Ausschusssekretariat zur Verfügung stellen. Ich habe sie schon dabei.

Meine Damen und Herren, es hilft nichts, es bringt uns nicht weiter, Mitarbeiter, die über hohes Fachwissen verfügen, jeden Tag mit üblen Nachreden zu beschimpfen - denken Sie doch einmal an die Familien, Herr Wenzel! -,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wir setzen uns mit der politischen Spitze ausein- ander!)

ihnen jeden Tag vorzuwerfen, sie würden manipulieren und Menschen Gefahr aussetzen. Das bringt uns nicht weiter. Ihr Verhalten in dieser Frage ist unmöglich!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Wenzel, Sie wissen vielleicht, dass wir lange geprüft haben. Wir können als Niedersächsische Landesregierung gar nicht alleine entscheiden, sondern wir müssen unsere Entscheidung zur Genehmigung erst dem Bundesministerium übermitteln. Vom Bundesministerium haben wir gestern die Mitteilung bekommen, dass dieser Transport durchgeführt wird. Herr Kollege Hocker und Herr Kollege Bäumer haben darauf hingewiesen, aber ich sage es nochmals: In diesem Vermerk des Bundesumweltministeriums ist noch einmal klar und deutlich dargestellt worden, dass eine internationale, völkerrechtlich bindende Verpflichtung gilt, alle Abfälle aus Frankreich - La Hague - bis 2011 zurückzunehmen. Wenn Sie das auch nicht mehr akzeptieren - - -

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Dann legen Sie das doch mal offen vor!)

Meine Damen und Herren, deswegen konnten wir die Frage, die wir gestern zu prüfen hatten, auch nur so beantworten.

Herr Wenzel, ich will Ihnen aber auch eine Chance geben, wenn Sie konstruktiv an der Sache weiterarbeiten. Denn ich habe ja nicht mehr so lange die Gelegenheit - zumindest nicht von dieser Stelle aus -, Ihnen Hilfen zu geben. Herr Herzog, mit der Altersweisheit ist das ja immer so eine Sache. Das ist ja zum Teil ein Übergang, das kann gefährlich werden.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wenzel, wenn ich klar und deutlich sage, dass das politisch falsch ist, dann will ich damit zum Ausdruck bringen, dass wir es aus niedersächsischer Sicht nicht weiter ertragen können, die Last der Endlagerung alleine zu übernehmen, sondern das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Da haben alle Bundesländer ihre Pflicht zu erfüllen.

Mit diesem Transport muss in Niedersachsen Schluss sein. Nun kommt es wieder zu einem ganz einfachen Verfahren. Wenn wir andere Standorte für eine Zwischenlagerung nehmen wollen, dann muss man dies beantragen. Das Bundesamt für Strahlenschutz muss dementsprechend die Genehmigung erteilen. Das kann relativ einfach erfolgen.

Meine Damen und Herren, wir sind uns doch einig: Wir wollen die Transporte nicht, die Polizisten wollen sie nicht, die Anwohner im Wendland wollen sie nicht. Deswegen ist es unerträglich, was wir der Bevölkerung seit mehr als 30 Jahren zumuten.

Wir sollten nach vorne blicken, Herr Kollege Wenzel. Ich habe mit meinem Kollegen in BadenWürttemberg, Minister Untersteller, sehr schnell telefonisch Kontakt aufgenommen, um herauszufinden, ob andere Möglichkeiten ernsthaft geprüft werden sollen. Er hat sein Konzept vorgelegt, das sehr bemerkenswert ist; denn er will eine Endlagersuche unter Einbeziehung von Gorleben. Das sollten Sie zumindest zur Kenntnis nehmen. Er hat allerdings nicht - das ist aus niedersächsischer Sicht nicht verantwortbar - über andere Formen der Endlagerung, der Zwischenlagerung gesprochen, z. B. die Frage der Rückholung. Das ist für Niedersachsen ein ganz wichtiges Element bei der weiteren Prüfung und auch der Erkundung von Gorleben.

Nachdem man sich am 8. Juli im Bundesrat geeinigt hat, bis 2020 aus der Kernenergie auszusteigen, ist es doch unabdingbar, dieses wichtige Thema ebenfalls in Angriff zu nehmen. Sonst kommt der Zeitpunkt 2020, und das eine Problem ist gelöst, das andere aber nicht. Das ist unabhängig von den derzeitigen Regierungen in BadenWürttemberg, in Hessen oder auch in Niedersachsen zu behandeln, Herr Wenzel. Am Ende muss ein Standort gefunden werden. Das muss gemeinsam erfolgen. Ich bedaure es auch, dass wir dort nicht weiterkommen und die Zeit schon wieder etwas verstrichen ist. Gerade wir Niedersachsen müssen ein Rieseninteresse daran haben. Wir müssen der Motor sein, wenn es darum geht, die Frage der Endlagerung für die nächste Generation in den Griff zu bekommen, und zwar parteiübergreifend. Lassen Sie uns doch den Versuch unternehmen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Tanke möchte für die SPD-Fraktion noch den Rest seiner Redezeit nutzen. Sie haben noch knapp 30 Sekunden. Bitte schön, Herr Tanke!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Sander, wir kritisieren nicht Ihre Mitarbei

ter, sondern wir kritisieren Sie für Ihre Entscheidung, die NLWKN-Daten nicht bis zur heutigen Sitzung vorgelegt zu haben. Sie haben sie dabei und verwehren uns den Zugang. Das ist nicht in Ordnung. Wir vermissen die Transparenz in diesem Vorgang.

Sie sind die Atomaufsicht. Sie konnten und mussten den Castortransport aufgrund der Messwerte absagen. Wir entlassen weder Sie noch den Ministerpräsidenten aus der politischen Verantwortung für die Fehlentscheidung, den Castortransport zu genehmigen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zu dem Tagesordnungspunkt 3 b liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich stelle fest, dass dieser Punkt erledigt ist.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 c auf: