Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 c auf:

Lehren aus Eurokrise: Niedersachsens Sparkassen und Genossenschaftsbanken stärken - Großbanken vergesellschaften - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4165

Dazu hat sich Herr Dr. Sohn für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir arbeiten ziemlich intensiv mit der CDU und auch ganz gut mit der SPD zusammen. Der Beweis ist die heutige Aktuelle Stunde. Über diesen und die beiden folgenden Punkte der Aktuellen Stunde kann man eine gemeinsame Überschrift setzen, nämlich: Lehren aus der Eurokrise! - Die eine Lehre thematisiert die CDU, die schreibt: Wir müssen die Wachstumskräfte in Deutschland stärken. - Das muss man angesichts der Meldungen über einen Reallohnrückgang von 7 % natürlich machen. Also heißt Wachstumskräfte stärken - ohne dem vorzugreifen -, dass Sie vor allen Dingen die Reallöhne erhöhen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die zweite Überschrift zum Lernen aus der Eurokrise hat die SPD mit dem Thema Mindestlohn anklingen lassen. Früher einmal waren Sie dage

gen; zu Zeiten der Großen Koalition haben Sie im Bundestag dagegen gestimmt. Aber Sie haben völlig recht, den gesetzlichen Mindestlohn brauchen wir unbedingt.

(Stefan Schostok [SPD]: Das glauben aber nur Sie!)

Eine der Lehren aus der Eurokrise ist auch, Niedersachsens Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu stärken - wie es in unserem Antrag heißt - und Großbanken zu vergesellschaften.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Bemerkenswerte daran ist: Über den ersten Teil, die Sparkassen zu stärken - die Genossenschaftsbanken laufen meistens mit -, sind wir alle in diesem Haus uns im Grunde einig. - Sogar Herr Bode nickt. Herr Möllring würde auch nicken, wenn er da wäre.

(Zuruf: Er ist da! Dort steht er, direkt vor Ihnen!)

- Wunderbar, Herr Möllring nickt auch. - Nein, Herr Möllring kniet vor mir; das ist ein Unterschied.

Alle sind sich da also einig. Die Frage ist natürlich: Was heißt das konkret? - Wir hätten dazu einen Vorschlag, anstatt nur schöne Möllring-Worte zu hören. Unser Vorschlag zur Sparkassenstärkung ist, den Sparkassen - natürlich vor allem unserer NORD/LB - die Gewährträgerhaftung zurückzugeben, die den Landesbanken und den Sparkassen über den EU-Hebel genommen wird. Den Hebel nutzt man ja gerne, um über Bande zu spielen. Berlin wünscht sich etwas, traut sich nicht und sagt in Richtung Brüssel: Verordnet das doch, bitte! - Dann kommt es aus Brüssel, und danach sagt man: Das ist EU-Recht, dagegen können wir nichts machen.

Der Wegfall der Gewährträgerhaftung für öffentlich-rechtliche Banken ist damals gegen den Widerstand der Linken und der Gewerkschaften durchgesetzt worden, nachdem sich ganze Kaskaden über uns ergossen haben, was daran alles europafeindlich ist. Wir könnten das durch Bundes- und Landesgesetz zurücknehmen. Das würde einen ordentlichen Kampf in Brüssel geben. Aber der Kampf ist ja das Lebenselixier aller politischen Arbeit. Die Folge wäre übrigens, Herr Schostok, dass es dann in Zukunft keinen melodramatischen Merkel-Steinbrück-Auftritt mehr gäbe wie damals, als sie gesagt haben: Die Spareinlagen sind gesichert! - Das war ein wunderbarer Auftritt. Das

könnte man sich sparen, weil die öffentliche Hand dann per Gesetz in der Haftung wäre.

Mit der Wiedereinführung der Gewährträgerhaftung hätten Sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, nämlich erstens der schönen einheitlichen Wortmeldung „Sparkassen stärken!“ Butter bei die Fische gegeben und zweitens die Spareinlagen der Bürgerinnen und Bürger gesichert. Die FDP kann das aufgrund ihrer - so würde Herr Töpfer sagen - marktideologischen Verweigerungshaltung natürlich nicht mitmachen.

(Minister Jörg Bode [FDP]: Was wür- de Herr Töpfer sagen?)

- Marktideologische „Verweigerungshaltung“ hat er gesagt. Diesen wunderbaren Begriff habe ich mir sofort gemerkt. Aber es kommt natürlich trotzdem, weil wir wissen, liebe FDP: Letztlich wird sich die Vernunft durchsetzen.

(Jens Nacke [CDU]: Warum versu- chen Sie immer, fremden Leuten et- was in den Mund zu legen?)

Der zweite konkrete Vorschlag steht in unserer Überschrift zur Aktuellen Stunde: Großbanken verstaatlichen. - In der Traditionslinie der SPD, die vor 120 Jahren ihr wunderbares Erfurter Programm verabschiedet hat, Herr Aller, haben wir vor zwei Wochen auch unser Erfurter Programm verabschiedet. Ich zitierte daraus:

„DIE LINKE tritt für ein Bankensystem aus drei Säulen ein: Sparkassen, Genossenschaftsbanken und staatliche Großbanken.“

(Beifall bei der LINKEN)

- Dieser Beifall ist ein Teil der 97 %, mit denen wir das Programm verabschiedet haben. -

„Ein funktionierender Finanzsektor ist ein öffentliches Gut, seine Bereitstellung daher eine öffentliche Aufgabe. Das europäische Banken- und Finanzsystem gehört dauerhaft unter gesellschaftliche Kontrolle.“

(Beifall bei der LINKEN)

Damit reagierten wir in gewisser Weise schon vorher auf das, was Herr Haasis vom Sparkassen- und Giroverband zur Einschätzung des unseligen G-20-Gipfels in Cannes gesagt hat, nämlich dass dieser weit „hinter den Erwartungen zurückgeblieben“ sei. Insbesondere die Regulierungsbemühungen im Bereich der Schattenbanken seien „nicht von der Stelle gekommen“, so Herr Haasis.

In der Tat, diese Zockerbanden zocken völlig ungehemmt weiter. Weil sie das tun, gehören die Großbanken verstaatlicht. In der Kombination - Wiedereinführung der Gewährträgerhaftung und Verstaatlichung der Großbanken - stärken wir die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Das ist der Weg, den wir Ihnen vorschlagen und der sich durchsetzen wird.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Schostok das Wort.

(Heinrich Aller [SPD] begibt sich zum Redepult)

- Herr Schostok ist bei mir für Punkt 3 c angemeldet.

(Stefan Schostok [SPD]: Für 3 e!)

- Dann wäre Herr Klein der nächste Redner. - Wir müssen uns wirklich darauf einigen, wie man ein c und wie man ein e schreibt.

(Heiterkeit - Stefan Schostok [SPD]: Oder darauf, wie man es liest!)

Herr Aller, dann übernehme ich Sie. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut uns leid, dass e und c unleserlich gewesen sein sollen.

Ich möchte zwei Vorbemerkungen zu dem machen, was Herr Dr. Sohn hier vorgetragen hat.

Erstens. Es war hundertprozentig sicher, dass die Linke im Niedersächsischen Landtag nach dem Erfurter Parteitag ein entsprechendes Thema für die Aktuelle Stunde bzw. einen Entschließungsantrag bringen würde, damit auch im Niedersächsischen Landtag das Ergebnis des Erfurter Parteitages pflichtgemäß zum Gegenstand einer Debatte gemacht wird.

Herr Dr. Sohn, wir sind enttäuscht, dass Sie keinen Entschließungsantrag eingebracht haben.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Der kommt noch!)

Dann nämlich hätten wir in der Sache diskutieren und darüber abstimmen können. Stattdessen haben Sie sich darauf verständigt, nur die Botschaft

vom Erfurter Parteitag zu verbreiten. Das ist nach unserer Einschätzung zu wenig.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das war erst der Anfang!)

Zweitens. Sie haben mehrfach das Dreisäulensystem angesprochen. Wir müssen uns darüber verständigen, ob wir über das gleiche Dreisäulensystem reden, also über das System aus öffentlichrechtlichen Banken, aus genossenschaftlichen Banken und aus privaten Banken. Wir haben im Landtag immer gemeinsam die Meinung vertreten, dass diese drei Säulen zusammen den deutschen Finanzplatz und das deutsche Kreditwesensystem im Vergleich zu vielen anderen stark machen.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Wenn Sie sich aus diesem Verständnis verabschieden, indem Sie die dritte Säule verstaatlichen oder, wie Sie sagen, vergesellschaften wollen, dann müssen Sie die Frage beantworten, ob das Vergesellschaftete immer und in allen Punkten richtig und erfolgreich gewesen ist. Aber diese Debatte führen Sie vorsichtshalber gar nicht.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Doch!)

Ich sage in aller Deutlichkeit: Die Aussage „too big to fail and too public to fail“ ist richtig und gilt weltweit. Unsere politische Aufgabe ist es, das Ganze unter den Bedingungen unseres Dreisäulensystems so zu regeln, dass wir im Wettbewerb innerhalb Europas, im Wettbewerb der drei Säulen untereinander, aber vor allen Dingen auch im globalen Kontext noch optimal handlungsfähig bleiben.

Mit dem Patentrezept, das Sie eben genannt haben - Rückholen der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung auf der einen Seite und Vergesellschaftung auf der anderen Seite -, tun Sie so, als sei das im Handstreich zu erledigen. Aber tatsächlich ist das völliger Unsinn, ist das völlig gegen die Rechtslage und entspricht überhaupt nicht den europäisch durchgeklagten Rahmenbedingungen für das Kreditwesen innerhalb Europas.