Mit dem Patentrezept, das Sie eben genannt haben - Rückholen der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung auf der einen Seite und Vergesellschaftung auf der anderen Seite -, tun Sie so, als sei das im Handstreich zu erledigen. Aber tatsächlich ist das völliger Unsinn, ist das völlig gegen die Rechtslage und entspricht überhaupt nicht den europäisch durchgeklagten Rahmenbedingungen für das Kreditwesen innerhalb Europas.
Diese Art von Showpolitik, die Sie hier betreiben, tut so, als seien die Vorteile des öffentlichrechtlichen und des genossenschaftlichen Kreditwesens nicht Argument genug, aus Deutschland heraus in anderen Teilen Europas für diesen Weg, den wir vertreten, zu werben.
Es mag Sie irritieren, und auch mich hat es irritiert, aber in Großbritannien hat die konservativ-liberale
Regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung die Schaffung und Unterstützung von sogenannten mutuals, also Genossenschaftsbanken, angekündigt, angelehnt an das grundsätzliche Programm der öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland. In Großbritannien hat man gemerkt, dass die Großbanken die Bereitstellung von Krediten und die Finanzunterstützung für den privaten Sektor nicht allein leisten können. Auch dort findet also ein Umdenkungsprozess statt.
Kommen wir zurück auf die These „too big to fail and too public to fail“! Für mich ist völlig klar, dass die Politik die Spielregeln zu organisieren hat, damit beide Systeme funktionieren. Da haben wir aus der Eurokrise - insofern ist die Überschrift Ihrer Aktuellen Stunde richtig, obwohl es eigentlich „Finanzkrise“ heißen müsste - gelernt. Der Weg dahin ist aber national nicht mehr organisierbar. Herr Dr. Sohn, Sie selber haben es ja zugegeben: Für den Fall, dass wir mit den Gesetzen, die Sie in Deutschland durchsetzen wollen, in den Kampf in Europa und vor dem Europäischen Gerichtshof eintreten müssen, passiert bis dahin gar nichts. Aber wir wollen, dass auch jetzt schon etwas passiert. Deshalb muss die Politik weiter konsequent dafür streiten, die Erfolge, die wir im Bereich der Regulierung und Kontrollierung bis jetzt schon erzielt haben - die neuen Eigenkapitalrichtlinien, die Möglichkeiten der Einlagensicherung und die Fragen der steuerlichen Begleitumstände -, auf eine möglichst breite Basis zu stellen.
Was Sie aber machen, ist die Abmeldung aus diesem alltäglichen handwerklichen Arbeiten. Ich bedauere das, weil wir sicherlich davon ausgehen können, dass Sie das öffentlich-rechtliche und das genossenschaftliche Kreditwesen an sich unterstützen wollen. Hier jedoch eröffnen Sie einen Nebenkriegsschauplatz, der am Ende zu keinem Erfolg führen wird, jedenfalls nicht so einfach, wie Sie es dargestellt haben.
auch europäische Dauerkrise, in der wir uns nach wie vor befinden und mit der wir wahrscheinlich noch eine Weile zu tun haben werden. Damals gab es parteiübergreifend - einschließlich der Bundeskanzlerin - ein großes Versprechen: So etwas darf nie wieder passieren! Wir werden dieses Finanzkasino schließen!
Wie viele andere auch haben wir in unserem Antrag damals darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, schnell zu handeln; denn jeder Tag, der nach der Lehman-Brothers-Pleite verginge, würde dieses Vorhaben erschweren. Wir haben Recht gehabt. Heute zeigt sich, dass es wichtig gewesen wäre, schnell zu handeln.
Die Bankenlobby hat die Zeit genutzt und beharrlich gegen die erforderlichen Regulierungen intrigiert. Inzwischen zählt man in Brüssel 700 Finanzindustrielobbyisten. Diese haben direkt gedroht - mal mit der Gefährdung der Altersversorgung und mal mit Kostenüberwälzung -, sie haben aber auch sehr subtil gehandelt, indem sie gesellschaftlichen Gruppen, aber auch den Kommunen eingeredet haben, ihre Interessen seien durch Bankenregulierung gefährdet. Ich komme darauf noch zurück.
Auch die Politik, Schwarz-Gelb in Berlin, hat sehr stark assistiert. Dass die FDP auf der Dauerbremse steht, war zu erwarten. Aber auch die inzwischen schon sprichwörtliche Zöger- und Zauderpolitik der Bundeskanzlerin hat dazu beigetragen, dass die Stichworte zur Bankenregulierung heute heißen: verhindert, reduziert, verwässert, mit Ausnahmen durchlöchert und auf die lange Bank geschoben.
Am Samstag gibt es in Berlin und Frankfurt die ersten großen Demos unter dem Motto: „Banken in die Schranken“. Ich bin geneigt zu sagen: Das wurde auch Zeit!
Meine Damen und Herren, die Menschen merken, dass die Rückversicherer für die Banken im heutigen System die Steuerzahler sind. Herr Kollege Sohn, wenn Sie die Gewährträgerhaftung für die Landesbanken wieder einführen würden, würden Sie dieses Prinzip sogar zur Institution machen. Das kann es nicht sein.
Wir wissen, dass diese Rückversicherung Geld kostet und dass diese Kosten zulasten der Ansprüche der Menschen auf soziale Sicherheit und auf Bildungs- und Teilhabechancen gehen. Dabei geht es natürlich nicht nur um die Hypo Real Esta
te und die Commerzbank. Auch unsere NORD/LB ist mit im Spiel. Es ist noch nicht lange her, dass 500 Millionen Euro unserer zusätzlichen Steuereinnahmen in diese Richtung flossen - 500 Millionen Euro, die heute für Bildung, Forschung und Entwicklung verloren sind.
Insofern finde ich es nicht objektiv - ich könnte auch sagen, ich finde es naiv -, wenn in dieser Aktuellen Stunde die Botschaft vermittelt wird, Sparkassen und Volksbanken sind gut, und private Banken sind böse. Das kann es nicht sein. Zumindest kann man damit nicht unbedingt begründen, dass es für diesen Bereich ständig Ausnahmen geben soll.
Ich will das einmal am Beispiel von Basel III deutlich machen. Wir haben dort eine Erhöhung des risikogewichteten Eigenkapitals mit Zuschlägen für systemrelevante Banken. Damit wird das risikoarme Geschäft der Sparkassen berücksichtigt.
Wir haben die Erprobung der Leverage Ratio mit 3 %, die ausschließlich bei hoch verschuldeten Banken zum Tragen kommt. Sie spielt bei Sparkassen und Volksbanken überhaupt keine Rolle, ist aber wichtig, weil wir wissen, dass die HRE ihr Geschäft mit 1 % Eigenkapital entsprechend gehebelt hatte.
Wir haben den Liquiditätspuffer, der für die Sparkassen auch kein Problem ist. Aber die Bankenlobby redet den Kommunen ein, die kommunalen Kredite würden teurer, sie bekämen keine mehr und Ähnliches. - Das ist doch Unsinn! Jedenfalls ist das nicht zwangsläufig so.
Diese Politik führt zu einer Bevorzugung von NullRisiko-Papieren. Null-Risiko-Papiere sind z. B. Kommunalkredite. Das heißt, die Banken werden sogar eher bereit sein, solche Kredite in ihr Portfolio zu nehmen.
Warum soll denn die Stärkung des Eigenkapitals einer Bank, was zu einem besseren Rating der Bank führt, das Ganze teurer machen? - Im Gegenteil: Mit einem besseren Rating werden Banken ihre Fremdfinanzierung verbilligen, also ihre Produkte im Grunde genommen billiger anbieten können. Selbst unser Wirtschaftsweiser Lars Feld sagt, wir müssten Basel III sogar noch verschärfen, damit das Ganze wirksamer wird.
fail“. Diese Problematik, Herr Dr. Sohn, lösen Sie nicht, indem Sie die Ackermänner durch lauter Schäubles ersetzen. Das lösen Sie vielmehr dadurch, dass Sie entsprechende Maßnahmen ergreifen. Großbanken in kleinere Einheiten zerlegen, Investmentbanking vom normalen Bankgeschäft trennen, Eigenhandel und spekulative Finanzgeschäfte verbieten sowie eine Finanztransaktionssteuer einführen - das sind die Maßnahmen die erfolgen müssen.
(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung von Dr. Gabriele Andretta [SPD] und Johanne Modder [SPD])
Meine Damen und Herren, noch einen Satz zum Schluss. Auch für die Bankenregulierung gilt natürlich: Wer einen Sumpf austrocknen will, der sollte sich zumindest nicht allein von den Fröschen beraten lassen. Das gilt auch für die Sparkassen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Aller außerordentlich dankbar dafür, dass er die Dinge hier einigermaßen zurechtgerückt hat. Ich freue mich darüber, dass er die FDP dieses Mal geschont hat.
(Lachen bei der SPD - Gerd Ludwig Will [SPD]: Da muss man ja schon froh sein! - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Das erledigt sich von selbst!)
Auch ich habe versucht, mich auf diese Aktuelle Stunde einzustellen, und den Blick ein wenig auf die Vorgeschichte und den nationalen Finanzmarkt gelegt. Angefangen hat ja alles mit der sogenannten Finanzmarktkrise und Turbulenzen, die sowohl das private als auch das öffentliche deutsche Bankensystem nicht verschont gelassen haben.
Die Reaktion der Politik war dann das Finanzmarktstabilisierungsgesetz mit verschiedenen Instrumenten im Hinblick auf staatliche Kontrollen und die Eigenkapitalausstattung. Um insbesondere die Vertrauenskrise aller Marktteilnehmer ohne
Verzögerung zu beheben, haben seinerzeit Bundestag und Bundesrat das Finanzmarktstabilisierungsgesetz verabschiedet, durch welches negative Auswirkungen auf den Finanzmarkt Deutschland und auf die Realwirtschaft vermieden werden konnten.
Wesentlicher Bestandteil des Finanzmarktstabilisierungsfonds, der als Instrument dazu eingerichtet worden ist, waren folgende Punkte: Erstens. Beteiligung an der Rekapitalisierung von Unternehmen des Finanzsektors. Zweitens. Übernahme von Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro. Der Zwischenstand, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist wie folgt: Es sind ca. 30 Milliarden Euro Bürgschaften und 20 Milliarden Euro Kapitalmaßnahmen abgeflossen, davon je ungefähr zwei Drittel in den privaten Bankensektor und ein Drittel in den öffentlichen Sektor. So viel zur Stärke der deutschen Banken.
Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag und auch die FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag haben das Finanzmarktstabilisierungsgesetz mitgetragen. Aber wir weisen nach wie vor darauf hin, dass dies nicht ein Einfallstor zur Verstaatlichung des Bankensystems werden darf. Wer die Marktwirtschaft für die Finanzkrise verantwortlich macht, verwechselt Ursache und Wirkung.
Auch eine marktwirtschaftliche Ordnung funktioniert nur im Rahmen eines Regelwerkes. Darüber hinaus - als Folge der EU-Gesetzgebung - wurden beispielsweise Maßnahmen zur Einlagensicherung eingeleitet, die die Kritik der Sparkassenorganisation hervorriefen, weil innerhalb dieses Systems bereits entsprechende Sicherungen der Spareinlagen eingebaut waren. Insgesamt gesehen handelte es sich um Eingriffe des Gesetzgebers, aber nicht um die Verstaatlichung des gesamten Bankensystems.
Nicht wettbewerbsfähige Volkswirtschaften wie beispielsweise die PIGS-Staaten in Südeuropa mit ihren hochdefizitären Haushalten verunsicherten allerdings die Märkte. Ratingagenturen deckten diese Schwächen schonungslos auf.
Schaffung eines langfristigen europäischen Stabilitätsmechanismus - ESM - die Krise in den Griff zu bekommen ist.
Der Sog, der sich bis jetzt aufgetan hat, hat allerdings auch das deutsche Bankensystem nicht ganz verschont gelassen. Sowohl öffentliche Institute als auch der private Bankensektor mussten ihr Engagement bei griechischen Staatsanleihen wertberichtigen, die NORD/LB beispielsweise in Höhe von 50 Millionen Euro. Die deutschen Banken tragen insgesamt etwa 5 Milliarden Euro Risiko aus diesem Bereich.
Dennoch konnte die Finanzmarktkrise dank der stabilen deutschen produzierenden Industrie und dank des Dreisäulensystems bei den Banken überwunden werden. Ganz Europa - dies ist hier schon mehrfach gesagt worden - beneidet Deutschland um sein Dreisäulenmodell bei den Banken, nämlich Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken.