Dennoch konnte die Finanzmarktkrise dank der stabilen deutschen produzierenden Industrie und dank des Dreisäulensystems bei den Banken überwunden werden. Ganz Europa - dies ist hier schon mehrfach gesagt worden - beneidet Deutschland um sein Dreisäulenmodell bei den Banken, nämlich Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken.
Konjunkturell läuft die deutsche Wirtschaft einschließlich des Arbeitsmarktes gut. Es gibt auch keine Kreditklemme. Wir brauchen keinen Staatssozialismus mit Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und auch keine Vergesellschaftung der Banken, sondern freien Wettbewerb nach den Regeln der sozialen Marktwirtschaft.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Lehren aus der Eurokrise: Niedersachsens Sparkassen und Genossenschaftsbanken stärken“ - der erste Teil dieser Überschrift der Aktuellen Stunde ist sicherlich ein berechtigtes Anliegen.
Das Dreisäulensystem der Bankenlandschaft in Deutschland hat uns sehr geholfen - dies ist unter allen Experten einhellige Meinung -, die Finanzmarktkrise zu bewältigen. Diese Konstruktion hat für Stabilität gesorgt. Die drei Säulen aus Genossenschaftsbanken, öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Großbanken bilden ein widerstandsfähiges und in jeder Hinsicht gut aufgestelltes Bankensystem für Deutschland.
Gerade die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen haben mit ihrem Regionalprinzip dazu beigetragen, den Mittelstand in der Fläche auch in Krisenzeiten mit Krediten und Bankdienstleistungen zu versorgen.
Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass Großbanken verstaatlicht werden müssen. Die Lehre, die aus der Kapitalmarktkrise zu ziehen ist, kann nur lauten, dass wir eine effektive und stärkere Kontrolle der Finanzmärkte brauchen, und das wiederum kann nur bedeuten, dass wir klarere Restrukturierungsverfahren und eine Finanzaufsicht für ganz Europa benötigen. Dazu sind Maßnahmen eingeleitet worden, nämlich das Restrukturierungsgesetz, die Richtlinien zur Unterlegung von Eigenkapital bei Banken - Stichwort „Basel III“ - und die Regelung zu Leerverkäufen.
Auch bei der Bankenabgabe haben wir eine gute Abwägung getroffen, die gerade Institute wie Sparkassen sowie Volks- und Genossenschaftsbanken nicht über Gebühr in Anspruch nimmt, weil sie nämlich eigene Sicherungssysteme haben. Die Großbanken sind entsprechend ihres Risikos stärker an diesem Fonds beteiligt, und das ist auch richtig. Diese großen Anstrengungen sind notwendig, weil man für die Finanzwirtschaft ein Korsett braucht, das deutlich gestrafft werden muss, und weil man auch die Fehlentwicklungen bekämpfen muss.
Herr Dr. Sohn, ich kann verstehen, dass Sie die Beschlüsse, die Sie auf Ihrem Parteitag gefasst haben, nun auch der breiten Öffentlichkeit und diesem Haus zuführen wollen.
- Ja, das stimmt. Das habe ich mir angeguckt. Man hat es nicht einmal für notwendig gehalten, den Antrag, den Sie eingebracht haben, im Finanzausschuss zu diskutieren, weil man ihn für so abwegig gehalten hat.
Wir alle würden sicherlich gerne die Gewährträgerhaftung wieder einführen. Diese ist aber mit dem EU-Recht, insbesondere mit dem EU-Wettbewerbsrecht, nicht vereinbar. Deshalb muss man seine Abschaffung akzeptieren und andere Schlüsse aus der Situation ziehen. Wir haben damals mit einem neuen Sparkassengesetz, einer neuen Ausrichtung des Sparkassenwesens und einer neuen Ausrichtung der Kapitalunterlegung der NORD/LB dafür gesorgt, dass der öffentlich
rechtliche Bankensektor hier bei uns mit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung zurechtgekommen ist. Dieser Sektor ist gut aufgestellt. Er kann so sogar gut arbeiten, versorgt unsere mittelständische Wirtschaft mit Krediten und unsere Bürgerinnen und Bürger mit Bankdienstleistungen.
Der zweite Schluss, nämlich die Großbanken zu verstaatlichen, entspricht Ihrem üblichen Feindbild und ist die Lösung, die Sie üblicherweise anbieten, getreu dem Prinzip „der Staat kann alles besser, der Staat weiß es besser“. Für das Verhalten in den Banken ist es aber überhaupt nicht von Bedeutung, ob die zentralen Entscheidungen von staatlichen Leuten oder von Aktionären getroffen werden. Wichtig ist vielmehr, welche Bedingungen geschaffen werden, welche Kontrollen bestehen und welche Restriktionen dem Kapitalmarkt auferlegt werden.
- Bei der IKB saßen doch überwiegend Vertreter des Staates. Dort ist es auch nicht besser gelaufen. Das können wir gerne thematisieren, wenn Sie meinen, dass das funktioniert.
Großbanken zu verstaatlichen würde bedeuten, dass auch diese Ihrem Konzept der Gewährträgerhaftung unterliegen. Dann wären die Genossenschaftsbanken die einzigen nicht staatlichen Banken. Das wäre dann Ihr System.
Ich glaube aber nicht, dass wir mit staatlichen Banken weiterkommen. Wir brauchen vielmehr Banken, die nach einem klaren Reglement arbeiten, aber auch Banken, die in der Lage sind, internationale Geschäfte zu tätigen. Die Großbanken sind gerade diejenigen, die auch der Großindustrie zur Seite stehen, die internationale Geschäfte begleiten und die Großfinanzierungen ermöglichen; solche Großfinanzierungen haben sich regionale Banken nicht zur Aufgabe gemacht. Solche Großbanken brauchen wir, sie müssen auch Gewinne machen dürfen, weil Gewinne nichts Böses sind. Aber diese Gewinne sollen eben nicht durch das Eingehen systemrelevanter Risiken erzielt werden. Wer Gewinne in dieser Größenordnung macht und diese nur erzielen kann, indem er systemrelevante Risiken eingeht, dem muss man einen Riegel vorschieben.
Das haben wir gemacht. Die Regeln wurden entsprechend geändert. Damit sind wir ganz eindeutig auf dem richtigen Weg. Das ist besser als die Verstaatlichung. Wir setzen auf den Wettbewerb. Wir setzen auf ein klares Reglement der sozialen Marktwirtschaft. Das ist ein Kernpunkt der sozialen Marktwirtschaft. Daran wollen wir uns auch weiterhin orientieren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Sparkassen und Volksbanken sind stark. Sie brauchen nicht die Visionen von Herrn Sohn, sondern sie brauchen einfach Verständnis dafür - auch in Europa -, dass sie im Regulierungsverfahren mit den Besonderheiten, die das System in Deutschland hat, so behandelt werden, dass sie vernünftig zurechtkommen können, wie es ihnen gebührt.
Ich bin Herrn Aller für seinen Beitrag sehr dankbar. Ich kann es nicht mit absoluter Sicherheit sagen, aber ich glaube, dass 99 % dessen, was er gesagt hat, von der Landesregierung unterschrieben werden könnten, weil wir an dieser Stelle exakt der gleichen Meinung sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die von den Linken geforderte Verstaatlichung des Bankensektors ist mit Sicherheit keine Lösung. Dem widersprechen schon unsere Überzeugungen, die sich aus unserem Grundgesetz ergeben: der Schutz des Privateigentums und die Vertragsfreiheit. Mit einer Verstaatlichung würde das Fundament unserer sozialen Marktwirtschaft unterhöhlt.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Was ist mit „Eigentum verpflichtet“? - Hans- Henning Adler [LINKE]: Was ist bei der Commerzbank passiert?)
Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Eine freiheitliche Gesellschaft in Deutschland braucht eine freiheitliche Wirtschaftsordnung und umgekehrt. Deshalb wären solche Maßnahmen nur dann vertretbar - Sie haben gesagt, Eigentum verpflichtet -, wenn alle anderen Maßnahmen, die man zuvor zum Erhalt einer Bank oder zum Erlangen der Kontrolle durch den Staat ausgeschöpft
hätte, nicht zum Erfolg geführt hätten und der Finanzsektor nicht anders funktionsfähig bleiben könnte. Aber es gibt genügend andere Maßnahmen.
Herr Sohn, ich möchte Ihnen das einmal an einem ganz anderen Beispiel darstellen. Nehmen wir einmal an, Ihr Genosse Dieter Dehm spielt mit 1 Million Euro Lotto.
- Nach allem, was ich in den Illustrierten lese, müsste das ein Betrag sein, der für ihn im Fall eines Verlusts beim Lottospiel nicht system- und existenzrelevant wäre.
Zu dem Beispiel gehört auch, dass Sie, Herr Sohn, gleichsam als Bank fungieren. Wenn Sie nun die Kasse der Linksfraktion nähmen, bei allen Ihren Landtagskollegen die Sparguthaben einsammelten und dann mit der eingesammelten Million - ich weiß nicht, ob es so viel wären, aber nehmen wir das einmal an -,
Lotto spielen und genauso wie der Genosse Dehm verlieren würden, dann wäre das für die Fraktion DIE LINKE ein Problem. Denn in der Sekunde, in der Sie diese Million zusammengetragen hätten, wären Sie für die Fraktion systemrelevant, und durch das verlorene Lottospiel würden Sie sie in eine systemrelevante Krise stürzen.
Und wie lautet nun Ihre Antwort, damit Herr Sohn keine Krise der Linken auslösen kann? - Ihre erste Antwort lautet, dass Herr Dehm kein Lotto spielen darf; denn das Lottospiel habe die Krise ausgelöst. Ihre zweite Antwort lautet, Herr Sohn müsste verstaatlicht werden - oder aufgespalten; das wäre die Option der Grünen.
Beide Varianten sind sicherlich nicht denkbar. Was muss man also tun, damit das nicht passieren kann? - Ich will es Ihnen sagen: Wenn Sie gleichsam als Bank fungieren, muss man dafür sorgen, dass Sie derartige Risiken nicht mit dem Geld Fremder eingehen können, sondern nur mit Ihrem eigenen Geld. Das heißt, nicht das Lottospiel an sich ist das Problem, sondern der Einsatz des Geldes fremder Leute ohne entsprechende Risikobepreisung.
Das Problem ist, dass dies in den Regulierungssystematiken noch nicht vorgesehen. Und warum ist das so?
Das ist nicht so, weil böse Banken das verhindert haben, sondern weil die Politik in Europa diese Schritte nicht gegangen ist. Als es die Schuldenkrise gab, als die Konjunkturpakete aufgelegt worden sind, als alle Staaten dringende Finanzierungsbedürfnisse hatten, wurde einfach entschieden, dass Staatsanleihen, egal von welcher Nation, in den Bankbilanzen mit null Risiko im Hinblick auf das hinterlegte Eigenkapital zu bewerten sind. Dabei wurde davon ausgegangen, dass Griechenland genauso risikobehaftet ist wie Deutschland oder Niedersachsen.
Dass das falsch ist, wissen wir nicht erst seit heute, sondern das hat man auch damals schon gewusst. Es waren aber politische Vorgaben, die man aufgestellt hat, weil man eine gewisse Reaktion des Bankenbereichs erwarten wollte.
Genau diese Maßnahmen sollten wir gemeinsam wieder stärker in den Vordergrund stellen. Das, was bei der EBA im Zusammenhang mit der Kapitalunterlegung von Geschäftsmodellen und Produkten passiert, ist gerade nicht das, was Sparkassen und Volksbanken heute tatsächlich brauchen, sondern es ist eher kontraproduktiv. Und für diejenigen, für die der Risikoschutz benötigt wird, ist er nicht ausreichend.
Deshalb haben wir hier gemeinsam noch einiges zu tun. Ich würde mich freuen, wenn wir nicht die Wege zum Kommunismus, die die Linke hier vorgeschlagen hat, gehen, sondern gemeinsam mit allen anderen Fraktionen das tun, was erforderlich ist, um das Dreisäulenmodell in Deutschland erfolgreich und sicher zu machen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Wieder aus der Klamottenkiste!)
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deswegen erkläre ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 3 c für abgeschlossen.