Insgesamt ist es für jeden aber nur eine Minimalentlastung, die durch die Steigerung der Beiträge zur Pflegeversicherung wieder mehr als aufgefressen wird. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat zu Recht prognostiziert, dass diese Steuersenkungen nahezu vollständig verpuffen werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte ein anderes Thema ansprechen: Welchen Eindruck machen wir jetzt auf unsere europäischen Nachbarn? - Die Kanzlerin fordert von unseren europäischen Nachbarn alle denkbaren und die schärfsten Sparbemühungen. Gleichzeitig signalisiert sie aber: Wir leisten uns eine Steuersenkung für Gutverdienende, damit wir die Wahlversprechungen einer Klientelpartei erfüllen können.
Meine Damen und Herren, um es ganz klar und deutlich zu sagen, bevor hier jetzt ein anderer Hinweis kommt: Wir sind nicht gegen die Anhebung der Freibeträge für das Existenzminimum.
Sie vergessen ja auch immer wieder, darauf hinzuweisen, dass dies ein Automatismus ist, der sich regelmäßig auf der Grundlage der Existenzminimumsberichte ergibt und der für das Jahr 2014 eh vorgesehen gewesen wäre. Sie ziehen hier lediglich etwas vor. Wir sind aber dagegen, dass Sie das auf Pump finanzieren. Sie sind doch diejenigen, die hier immer wieder deutlich machen, dass Steuergeschenke auf Pump Gift sind.
Meine Damen und Herren, ich habe in diesem Hause schon wer weiß wie oft gehört, dass Sie als bürgerliche Fraktionen quasi die Gralshüter für Recht und Verfassung seien.
Was machen Sie im Moment? - Sie zwingen den Finanzminister Schäuble dazu, gegen seine eigene Überzeugung gegen die Verfassung zu verstoßen. Was steht denn im Grundgesetz zum Thema Schuldenbremse? - Dort steht, dass konjunkturbedingte Mehreinnahmen in erster Linie zur Schuldentilgung einzusetzen sind.
Meine Damen und Herren, mit Ihrer Zustimmung zu dem unsinnigen Betreuungsgeld, das die Haushalte dauerhaft belasten wird, haben Sie sich die Zustimmung zu Ihren Steuersenkungen erkauft. Das heißt, Sie machen ein Loch auf und fügen ein zweites hinzu. Ich kann nur sagen: Seriöse Haushaltspolitik sieht anders aus. Was Sie dort machen, ist unverantwortlich.
Ich bin davon überzeugt, dass diese Vitaminspritze für die FDP Herrn Rösler vielleicht noch über den nächsten Parteitag hilft. Sie wird aber auf keinen Fall die Wachstumskräfte in Deutschland dauerhaft stärken. Sie wird aber auch die Wachstumskräfte
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Nordwest-Zeitung von gestern und sicherlich auch in anderen Zeitungen war eine hoch interessante Karikatur des Karikaturisten Haitzinger. Dort konnte man sehen, wie zwei quengelnden Säuglingen jeweils ein Schnuller in den Mund gestopft wird, damit sie endlich Ruhe geben. Der eine Säugling ist Herr Seehofer, der nun seine Herdprämie bekommt, und der andere Säugling ist Herr Rösler, dem man mit den Steuersenkungen, die jetzt beschlossen worden sind, den Mund gestopft hat. Die angekündigte Steuersenkung, die ab 2013 vorgenommen werden soll, ist nichts anderes als ein Rettungsschirm für die FDP, um sie vor ihrem absehbaren Aus zu bewahren.
(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist aber kei- ne komplette Darstellung, nur die hal- be Wahrheit! - Jens Nacke [CDU]: Frau Merkel war auch noch auf der Karikatur! Das einzige Lustige haben Sie nicht erzählt!)
(Jens Nacke [CDU]: Oder haben Sie die Karikatur nicht verstanden? Das kann natürlich auch sein! - Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)
Aber was ist denn nun genau angekündigt worden? Schauen wir uns die Steuererhöhungen einmal im Einzelnen an! Frau Geuter hat es bereits angedeutet. Zunächst einmal ist da die Erhöhung des Grundfreibetrages. Die Erhöhung des Grundfreibetrages ist von Verfassungs wegen ohnehin geboten. Das ist also keine besondere Leistung dieser Regierung. Außerdem ist eine Verschiebung des gesamten Tarifs um 350 Euro vorgesehen. Das aber führt, wie der Bund der Steuerzahler vorgerechnet hat, in der Tat dazu, dass die unteren Einkommensschichten weniger entlastet werden als die höheren. Ich will Ihnen das an einem deutlichen Beispiel vorrechnen, das in der FAZ von
gestern nachzulesen ist. Wer 20 000 Euro Jahreseinkommen hat, der wird im Jahre 2013 um sage und schreibe 39 Euro entlastet. Wer dagegen 100 000 Euro Einkommen im Jahr verzeichnen kann, der wird um 116 Euro im Jahr entlastet.
Was man wirklich machen könnte, wäre, den Grundfreibetrag auf 9 300 Euro und die Spitzensteuer auf 53 % anzuheben, wie es die Linke fordert. Davon würden tatsächliche Wirkungen ausgehen, um Wachstumskräfte zu stärken; denn wenn man das erreichen will, muss man diejenigen entlasten, die ihr Einkommen dafür verwenden, zu konsumieren, und diejenigen belasten, die Teile ihres Einkommens dafür verwenden, zu sparen. Wir wissen doch, was sie mit ihrem gesparten Geld machen. Sie investieren ja nicht alle in Arbeitsplätze, wie die FDP immer sagt, sondern ein Großteil von ihnen spekuliert damit an den internationalen Finanzmärkten. Das muss sich ja nun auch bei Ihnen herumgesprochen haben.
Wenn man also die Wachstumskräfte stärken will, muss es darum gehen, die Binnenkaufkraft zu stärken, und zwar vor allen Dingen bei denjenigen, die konsumieren. Das müsste das Ergebnis einer Steuerreform sein. Dabei müsste man die unteren Einkommensschichten steuerlich stärker entlasten und die höheren eher belasten.
Man muss einmal gucken, welche Wirkungen das, was jetzt beschlossen ist, auf den Bundeshaushalt hat. Die Bundesregierung hat beschlossen, dass sich die Nettokreditaufnahme in 2012 auf 25 Milliarden Euro belaufen soll. In der Situation beschließen Sie eine Steuersenkung. Aber noch viel schlimmer sind die Wirkungen auf die Länder. Ich hätte vor dem Hintergrund der vieldiskutierten Schuldenbremse, die genauer gesagt eigentlich ein Kreditverbot ist,
und der zusätzlichen Last, die uns hier aufgebürdet wird, erwartet, dass der Ministerpräsident sofort sagt: Halt! Wir haben uns hier in Niedersachsen ein ehrgeiziges Ziel gesetzt! - Herr McAllister, da hätten Sie doch fragen müssen, wo die Kompensation dafür ist, dass jetzt eine Mehrbelastung auf das Land Niedersachsen zukommt. - Aber von diesen warnenden Stimmen hörte man aus ande
ren Bundesländern, nicht nur aus SPD-regierten Bundesländern, sondern z. B. auch aus dem CDUregierten Saarland. Von Herrn McAllister aber kam nichts, um die Interessen des Landes zu wahren. Denn das wäre in diesem Fall notwendig gewesen. Ich glaube aber, Herr McAllister, das liegt daran, dass Sie ohnehin nur bis zum Jahre 2012 denken; denn in den Jahren 2013 und 2014 - wenn diese Änderungen wirksam werden sollen - sind Sie ohnehin nicht mehr Ministerpräsident. Davon gehen Sie wohl realistischerweise aus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft in Deutschland mit einer vernünftigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zu stärken, wäre das Gebot der Stunde, nicht aber mit einer Mini-Steuerreform vorrangig zugunsten von Besserverdienenden.
Anders kann man das, was CDU und FDP im Bund da am Wochenende ausgekocht haben, doch nicht nennen. Wenn jemand mit z. B. 13 000 Euro Jahreseinkommen, der dafür in Vollzeit für 7 Euro malochen muss, durch Ihre Steuerreform lächerliche 60 Euro im Jahr zusätzlich bekommt und Besserverdienende, wie z. B. Landtagsabgeordnete, 248 Euro, also mehr als das Vierfache, zusätzlich in der Tasche haben, dann ist das ganz klar eine Steuerreform zugunsten der Besserverdienenden.
Damit nicht genug, Herr Kollege Dürr. Wenn unser 7-Euro-Malocher auch noch eine Familie zu ernähren hat, ist er Aufstocker nach Hartz IV und dann wird ihm das, was er durch die Steuerreform zusätzlich in der Tasche hat, bei den Zuschüssen, die er bekommt, gleich wieder abgezogen. Das ist also für die Geringverdienenden ein Nullsummenspiel. Das genau ist die Folge dessen, was CDU und FDP hier machen: nur zugunsten der Besserverdienenden und nichts zugunsten der Geringverdienenden.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Das völli- ger Unsinn! Das ist Unfug!)
- Genau so ist es! - Stattdessen wäre die Einführung eines Mindestlohns, zu dem mittlerweile auch einige in der CDU-Fraktion neigen, die richtige Maßnahme, um die Kaufkraft in unserem Land tatsächlich zu stärken, ohne dass zugleich die Finanzkraft der öffentlichen Hand insbesondere in der fragilen Zeit, in der wir uns befinden, noch zusätzlich geschwächt wird. Das meint nicht nur Minister Busemann, der heute leider verhindert ist, sondern auch EU-Sozialkommissar László Andor hat uns das ins Stammbuch geschrieben. Herr Andor sieht positive Auswirkungen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung bei der Einführung eines Mindestlohnes. Die Brüsseler EU-Kommission unterstützt die Pläne einiger Vernünftiger im Bund zur Einführung der Lohnuntergrenze. Andor sagte der Welt: „Ich begrüße die Entwicklungen in Deutschland zur Einführung eines Mindestlohnes“. Sie werden „zu nachhaltigem Wachstum führen“. Nach Ansicht von Kommissar Andor führen Mindestlöhne auch zu einer Einkommenssicherheit, die für die Konsumnachfrage und für das Wirtschaftswachstum von großer Bedeutung ist. Das sollten Sie - auch die Damen und Herren von der FDP - vielleicht einmal in Erwägung ziehen.
Auch die G-20-Staaten fordern Länder mit noch relativ guten öffentlichen Haushalten auf, die Inlandsnachfrage anzukurbeln. Neben China ist da vor allen Dingen Deutschland gefordert. Beide sollen mehr für das Wachstum tun. Viele Industrieländer und Schwellenländer sind der Meinung, Deutschland solle größere Anstrengungen unternehmen, um die Binnenkonjunktur anzuheizen. Ja bitte! Wenn ich das z. B. auf mein eingangs angeführtes Beispiel beziehe und dem Malocher statt der 7 Euro endlich der Mindestlohn von 8,50 Euro zusteht, nachdem Sie ihn als allgemeinen Mindestlohn hoffentlich endlich mit uns auf Bundesebene eingeführt haben, dann bekommt er nicht 60 Euro im Jahr zusätzlich, sondern dann hat er durch die Einführung des Mindestlohns 2 880 Euro zusätzlich. Das kurbelt die Wirtschaft in unserem Land nachhaltig an;
denn Menschen mit geringem Einkommen legen das Geld nicht auf die hohe Kante oder investieren im Ausland, sondern brauchen es zum Leben hier. Das wäre richtig, um die Gerechtigkeitslücke in
unserem Land mit dem Auseinanderfallen zwischen Arm und Reich endlich wieder ein wenig zu schließen. Deswegen ist ein vernünftiger Mindestlohn das beste Konjunkturprogramm für Deutschland.
Forderungen nach Steuersenkungen in der derzeitigen Situation sprechen der Verpflichtung zu nachhaltigem Haushalt tatsächlich Hohn. Da hat Frau Kollegin Geuter völlig recht. Deutschland hat mit der Umsetzung der Energiewende eine große Aufgabe vor sich, die hohe Investitionen von Bund und Ländern erfordern. Gleichzeitig kann nur mit einem stringenten Defizitabbau - wie ihn die Schuldenbremse vorsieht, auch von Schwarz-Gelb stark unterstützt - die Grundlage für Stabilität und Wachstum geschaffen werden. Wie soll das denn mit Steuersenkungen zusammen funktionieren?