Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Ich rufe die Eingaben aus der 39. Eingabenübersicht in der Drs. 16/4140 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wer zu diesen Eingaben der Ausschussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann haben wir so beschlossen.

Wir kommen nun zur Behandlung der strittigen Eingaben. Hierzu liegen insgesamt drei Änderungsanträge vor.

Zunächst erteile ich der Kollegin Groskurt zur Eingabe 2290/08/16 das Wort.

Danke schön. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit dieser Eingabe setzt sich der Petent für die Fortführung des NiKo-Projekts über den 31. Dezember 2011 hinaus ein. Das ist auch vor dem Hintergrund logisch, dass die Landesregierung mehrfach auf Anfragen der Abgeordneten dieses Hauses unterschrieben hat, dass das NiKoProjekt erfolgreich umgesetzt wird. Das zuständige Ministerium bestätigt, dass das Projekt einen wichtigen Beitrag leistet, Bildung, Förderung, Erziehung, gesundheitliche Entwicklung und gesellschaftliche Integration von gefährdeten jungen

Menschen insbesondere in sozialen Brennpunkten zu verbessern.

Also: Die Landesregierung, Abgeordnete aller Fraktionen - ich war auch mit einem CDU-Kollegen in Belm, wo wir uns das angeschaut haben -, Verbände, praktisch wirklich alle, die das Projekt kennen, sind sich einig: Das Ziel, die Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten von gefährdeten jungen Menschen in sozialen Brennpunkten, wird durch dieses Projekt erreicht.

Warum diese positive Beurteilung des Projekts durch die Landesregierung nicht zu einer Weiterführung führt, ist nicht nachvollziehbar und unverständlich.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die NiKo-Fachkräfte haben in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet und unter Zugrundelegung des Inklusions- und Integrationsgedankens zielgruppenorientierte Konzepte entwickelt, die sie auch umsetzen. Die Landesregierung hat sogar eine Fortbildung der Fachkräfte im NiKoProjekt an der Leuphana Universität durchgeführt. Hier wurde vernünftigerweise noch einmal gutes Geld in die Arbeit des Projektes investiert. Das muss doch einen Sinn haben! Davon muss das Land doch profitieren wollen! Es macht doch überhaupt keinen Sinn, Fachkräfte zu schulen und dann die Kompetenz nicht zu nutzen.

Es macht hingegen unbestritten Sinn, die durch das Projekt gewachsenen Strukturen in der Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Schule und Familien weiterhin zu erhalten und sogar auszubauen. Mit unermüdlicher Arbeit der Fachkräfte konnte das sehr schwierige und oft passive Freizeitverhalten der Kinder und Jugendlichen aufgebrochen werden.

Die Verweigerungshaltung vieler Jugendlicher, dauerhafte Verbindlichkeiten einzugehen, entwickelte sich bei vielen zu einer begeisterten Teilnahme. Doch bedarf dies einer ständig wiederholten Ansprache. Die Schulabbrecherquote, Ausbildungsabbrecherquote und Kleinkriminalität sind messbar zurückgegangen. Die Vermittlung in Ausbildungsberufe ist deutlich gestiegen. Der Beweis wird in den jährlichen Sachberichten festgehalten. Die Ergebnisse drängen zur unbedingten Fortschreibung und Weiterentwicklung des NiKo-Konzeptes.

Sehr geehrte Landesregierung, es kann nicht sein, dass hier und überall immer wieder die Probleme

angesprochen werden, die Jugendliche haben und Jugendliche machen, aber dass Sie dann mit einem Federstrich dieses Projekt streichen. 1,8 Millionen Euro sind eine gute und unentbehrliche Investition in unsere Kinder und Jugendlichen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie sind in der Verantwortung für unser Land. Ich bitte Sie eindringlich: Nehmen Sie die Verantwortung wahr!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, stimmen Sie mit uns für die Berücksichtigung dieser Petition! Wir haben heute schon ein paar Mal gehört - das kann ich unterstreichen -: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. - Ich würde mich freuen, wenn Sie den Weg mit uns gehen würden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ebenfalls zur Eingabe 2290/08/16 erteile ich dem Kollegen Humke das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir Linke haben die Mehrheitsentscheidung der Fraktionen von CDU und FDP über die vorliegende Eingabe des Gemeindejugendrings Belm strittig gestellt und in unserem Änderungsantrag „Berücksichtigung“ beantragt, und das aus gutem Grund.

Hintergrund dieser Eingabe und sehr zahlreicher Anrufe, Briefe und Gesprächsergebnisse - Sie alle werden diese Erfahrungen gemacht haben - sowie eigener Erfahrungen als Kommunalpolitiker vor Ort ist das Auslaufen des NiKo-Projektes zum 31. Dezember 2011 in ganz Niedersachsen.

Ob das Projekt - wie hier - eine tragende Säule der Jugendarbeit im Zusammenwirken mit der Umsetzung des Programms „Soziale Stadt“ war oder ob anderenorts andere Präventionsprojekte gefördert werden konnten - überall hinterließ und hinterlässt NiKo Spuren. Kurz gesagt: Es war bisher ein voller Erfolg und in einer Breite aufgestellt, dass am Bedarf orientierte Projekte gefördert werden konnten. Das unterstützen wir Linke im Landtag und setzen hier auf Nachhaltigkeit.

Nun aber lässt die konservative Landesregierung das Programm auslaufen, ohne für eine Kompensation zu sorgen, damit die erfolgreiche Arbeit fort

gesetzt werden kann. Das führt leider vielerorts zu einem Sterben der Projekte oder bestenfalls zu deutlich abgespeckten Varianten, bei denen derzeit vollkommen offen ist, ob diese erfolgreichen Ansätze auf einer zumutbaren Sparflamme erfolgreich fortgeführt werden können. Sie lassen damit engagierte Projekte mit einer Vielzahl von Ehrenamtlichen im Regen stehen. Das wollen wir Linke nicht zulassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir Linke wollen auch nicht zulassen, dass Sie z. B. gerade ausgebildete Schulsportassistenten - um bei einem Beispiel im Landkreis Northeim zu bleiben - wieder abwickeln, diese jungen Menschen vor den Kopf stoßen und in Kauf nehmen, dass die Jugendlichen gegebenenfalls auch dem ehrenamtlichen Engagement dauerhaft verloren gehen.

Wir Linke plädieren hier für Berücksichtigung und werden genauso wie im letzten Jahr in den Haushaltsberatungen wieder Mittel für die Fortführung der vielfältigen Projekte beantragen. Das sind wir den jungen Menschen in Niedersachsen schuldig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich appelliere noch einmal an Sie: Geben Sie sich einen Ruck! Machen Sie es möglich! Meine Vorrednerin hat den Betrag genannt. Das sollten uns die Jugendlichen wert sein. Das sollte uns Bildungs- und Präventionsarbeit wert sein. Dies ist auch zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements und einer Zusatzqualifikation von jungen Menschen notwendig. Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie dem Antrag auf „Berücksichtigung“ zu!

(Beifall bei der LINKEN)

Ebenfalls zur Eingabe 2290/08/16 erteile ich dem Kollegen Focke von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Petent, der Gemeindejugendring Belm, möchte, dass das niedersächsische Bildungs- und Kooperationsprojekt an schulischen Standorten - NiKo - fortgesetzt wird.

Als das Projekt 2007 ins Leben gerufen wurde, war klar, dass dieses Projekt fünf Jahre läuft, nämlich bis zum 31. Dezember 2011.

Unbestritten leistet dieses Projekt einen großen Beitrag zur Verbesserung der Situation von Kindern in sozialen Brennpunkten. Das Land hat in den letzten fünf Jahren 10 Millionen Euro in das Projekt investiert. Den Kommunen wurde hier in Zusammenarbeit ein Weg aufgezeigt, wie man erfolgreiche Jugendarbeit machen kann. Die Kommunen wurden in den letzten fünf Jahren bei ihrer originären Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt und haben es jetzt in der Hand, die Ergebnisse des Projekts aufzuarbeiten und die Ansätze fortzusetzen.

Das Land hat zusammen mit den Kommunen also die notwendige Infrastruktur geschaffen. Eine Fortsetzung über den 31. Dezember 2011 hinaus ist nicht vorgesehen. Der Ball liegt bei den Kommunen. Deswegen kann bei der Petition nur der Beschluss „Sach- und Rechtslage“ richtig sein.

Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ebenfalls zu dieser Eingabe erteile ich der Kollegin Staudte das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, auch wir Grünen unterstützen die Petition des Gemeindejugendrings Belm, der sich für die Fortsetzung des NiKoProjekts einsetzt.

Herr Focke, ich muss Ihnen widersprechen. Es geht nicht darum, dass das Land den Kommunen zeigt, wie diese Arbeit gemacht werden kann, sondern es geht darum, dass das Land signalisiert: Wir werden euch auch weiterhin finanziell dabei unterstützen.

Meine Kollegin Filiz Polat und ich waren vor Ort und haben uns die Arbeit des Projekts in Belm vorstellen lassen. Belm ist ein Ort mit 14 000 Einwohnern. 1 700 von ihnen leben in einem Gebiet, das man als sozialen Brennpunkt bezeichnen muss.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Es besteht hauptsächlich aus Hochhäusern, die allerdings saniert werden. Es gibt einen sehr hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, Aussiedlern und Menschen aus dem Ausland. Das hat in der Vergangenheit zu großen sozialen

Spannungen geführt, bis das Projekt PRINT und das Nachfolgeprojekt NiKo eingeführt worden sind.

Frau Polat und ich waren wirklich beeindruckt von dem vielfältigen Angebot. Es gibt dort einen Mitmachzirkus, Ernährungsprojekte, Drogen- und Gewaltpräventionsprojekte, Hausaufgabenhilfe - - -

(Anhaltende Unruhe)

Frau Kollegin, ich darf kurz unterbrechen. - Zweifellos ist die Mittagspause sehr interessant gewesen; denn der Gesprächsbedarf ist erkennbar hoch. Dennoch würde ich darum bitten, die Gespräche einzustellen, damit die Rednerin entsprechendes Gehör findet. - Bitte!

- vielen Dank, Herr Präsident -, Berufsorientierungskurse, Bewerbungstrainings. Das alles findet im Einklang der Kulturen statt. Menschen mit 36 verschiedenen Nationalitäten wohnen in diesem kleinen Ort. Auch der Bürgermeister ist von der Integrationsarbeit begeistert, die dort von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet wird.

70 % der Kinder, die dort leben, haben allerdings nur eine Hauptschulempfehlung. Das macht deutlich, dass diese Kinder auch weiterhin unterstützt werden müssen, dass sie einen Anlaufpunkt brauchen, an dem sie gefördert und gefordert werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Doch all das soll jetzt eingestampft werden. Dabei ist dieses Projekt in Belm nur eines von 72 in Niedersachsen, für die Ende des Jahres Zapfenstreich ist und keine Förderung aus Landesmitteln mehr erfolgt.