Ich habe in meiner Rede soeben deutlich gemacht, dass dies im Prinzip nur durch eine einzelfallbezogene Untersuchung festgestellt werden kann. Es ist nicht auszuschließen, dass es Missbräuche gibt. Auch das habe ich sehr deutlich gesagt. Es ist aber - das muss einzelbetriebsbezogen ermittelt werden - ebenfalls nicht auszuschließen, dass im Laufe einer Therapierung das Antibiotikum zur besseren Einstellung auf den jeweiligen Bakterienstamm gewechselt wird. Man wird die Behauptungen nicht einfach pauschal in den Raum stellen können,
dass dies in aller Regel missbräuchliche Ursachen hat. Bevor ich Menschen beschuldige, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, möchte ich wissen, dass sie dies tatsächlich getan haben, und möchte keine Behauptungen in den Raum stellen, die ich nicht belegen kann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Lindemann, vor dem Hintergrund Ihrer Einleitung und Ihrer Antwort auf die Frage von Frau Staudte möchte ich eine vertiefende Nachfrage zum besseren Verständnis stellen - schließlich gibt es Schnittstellen zwischen der Landwirtschaft und dem Gesundheitsbereich -: Wie erklärt sich die Landesregierung den parallelen und spürbaren Anstieg der Häufigkeit multiresistenter Keime in der Tierhaltung und in den Krankenhäusern? Diesen Zusammenhang hatten Sie nicht bestritten.
Warum entwickelt die Landesregierung erst jetzt - Sie hatten das in Ihren einleitenden Ausführungen ausdrücklich gesagt - - -
- Lassen Sie mich einfach einmal ausreden! - Vorhin hatten Sie, Herr Minister, in Ihren einleitenden Ausführungen angekündigt, dass Sie ein Konzept zur Bekämpfung multiresistenter Keime entwickeln wollen. Warum passiert das erst jetzt, und wie sieht das konkret aus? - Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dazu ausführen würden.
Der Anstieg der Häufigkeit multiresistenter Keime im landwirtschaftlichen Umfeld hat nach unserer Überzeugung in der Tat etwas mit dem dortigen Antibiotikaeinsatz zu tun. Das habe ich zu keinem Zeitpunkt bestritten. Genau das ist der Grund, warum wir seit dem letzten Jahr die Minimierungsstrategie entwickeln und fahren. Wenn das nicht der Fall wäre, bräuchten wir das alles nicht.
Nun habe ich soeben in meiner Rede die Minimierungsstrategie mit drei Punkten erläutert und vorgestellt. Ich wollte das eigentlich nicht wiederholen. Wenn Sie das aber möchten, hole ich gleich das Konzept hier her und lese Ihnen das noch einmal vor.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: Zurückgezogene Vorlagen lesen Sie, aber Konzepte nicht!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie kontrolliert sie die Abgrenzung des Einsatzes von Antibiotika zur Therapie von erkrankten Tieren gegenüber
dem vorsorglichen Einsatz bei allen Tieren eines Betriebes, um Umsatzausfälle zu verhindern oder um sogar das Tierwachstum zu beschleunigen?
Wir überprüfen die Verschreibungen und die Erregeridentifizierungen und können daraus ableiten, welche Einschleppungsursache bzw. welches Bakterium dort zugrunde liegt. Im Übrigen müssen die Tierärzte jenseits der DIMDI-Erfassungen entsprechend der Hausapothekenverordnung über die von ihnen verschriebenen Arzneimittel genau Buch führen. Die Verschreibungen werden von den unteren Veterinärbehörden mit kontrolliert, und als Gegencheck müssen die Mäster von Tieren dann, wenn sie ihre Tiere beim Schlachthof abgeben, gegenüber den Behörden bei der Lebendbeschau nachweisen, welche Medikamente die Tiere im Laufe ihres Lebens bekommen haben. Das wird auch gegengescheckt, und wenn es Hinweise auf einen Missbrauch gibt, wird dies gegebenenfalls auch strafrechtlich verfolgt. Wenn in den Tieren bzw. im Fleisch bei der Untersuchung Antibiotikareste nachgewiesen werden, liegt eine Straftat vor, die von den Staatsanwaltschaften auch als solche verfolgt wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung zu dem Zusammenhang zwischen der Massentierhaltung und dem gehäuften Auftreten von Antibiotika. Vor dem Hintergrund, dass der Minister eben erfreulicherweise über die Studie berichtet hat, die für Niedersachsen einen 85-prozentigen und damit höheren Antibiotikaeinsatz ausweist als für Nordrhein-Westfalen, und ferner gesagt hat, dass im Trend der Antibiotikaeinsatz umso höher war, je größer auch die Tierdichte war, frage ich den Herrn Minister, wie er beurteilt, dass Frau Dr. Petermann aus dem LAVES schon vor zwei Jahren geschrieben hat, dass eine der Ursachen für den hohen Antibiotikaeinsatz die zunehmend intensiveren Haltungsbedingungen
mit hohen Besatzdichten sowie die extrem leistungsfähige Genetik heutiger Broilerlinien - also die Hochzüchtung - sind, und ob die Landesregierung daran etwas ändern und die Massentierhaltung in Zukunft so gestalten will, dass weniger Antibiotika erforderlich sind.
Herr Kollege Meyer, ich habe in meiner Antwort soeben deutlich gemacht, dass es unabhängig von den Stallgrößen durchaus auch eine ganze Reihe von Betrieben gibt, in denen im Laufe eines Mastdurchgangs überhaupt keine Antibiotika eingesetzt werden. Das gilt für kleine wie auch für große Betriebe.
Das Umgekehrte gilt ebenfalls für kleine wie auch für große Betriebe, dass nämlich Antibiotika unter bestimmten Rahmenbedingungen im Laufe eines Mastdurchgangs offenbar vielfach eingesetzt werden müssen.
Antibiotika werden nicht betriebsspezifisch eingesetzt, sodass kein Rückschluss darauf gezogen werden kann, dass in Zukunft bestimmte Tierhaltungsgrößen oder -formen vom Grundsatz her nicht mehr zugelassen werden sollten.
Ob im Laufe der Bearbeitung des Tierschutzplans bei den Tierhaltungen an der einen oder anderen Stelle, was ich annehme, deutliche Veränderungen vorgenommen werden müssen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Daran arbeiten zurzeit die Facharbeitsgruppen sehr zielgerichtet. Das finde ich gut und in Ordnung.
Lassen Sie mich nun noch ein Wort zu Frau Petermann sagen, die ich sehr schätze und die ich an die Stelle, auf der sie jetzt arbeitet, als Abteilungsleiter 1 bzw. Staatssekretär des Ministeriums selbst gesetzt habe. Die Studie, die wir erstellt haben, bestätigt jedenfalls nicht das von ihr Gesagte in vollem Umfang. Insoweit gehe ich davon aus, dass Frau Petermann als Wissenschaftlerin klug genug ist, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse auch immer wieder unter neuen Gesichtspunkten gegen
zuchecken, sodass wir uns dann sehr profund darüber unterhalten können, wie wir in dieser Sache weiter agieren.
Dass wir in Niedersachsen andere Zahlen haben als Nordrhein-Westfalen, dürfte Ihnen auch schon deshalb nicht verwunderlich vorkommen, weil wir in Niedersachsen praktisch sämtliche Nutztiergruppen untersucht haben, während in NordrheinWestfalen nur die Masthähnchen untersucht worden sind.
Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Meyer Gelegenheit, eine Zusatzfrage zu stellen. Bitte schön, Herr Meyer!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich frage die Landesregierung, ob sie die Aussage von Professor Hartung von der Tierärztlichen Hochschule bestätigen kann, dass jährlich ca. 750 t Antibiotika im Tierbereich und die gleiche Menge noch einmal im humanmedizinischen Bereich eingesetzt werden. Kann sie erklären, wie es angesichts dieser Menge von Antibiotika, die nicht mehr mastfördernd eingesetzt werden dürfen, möglich ist, dass die Menge der eingesetzten Antibiotika in den letzten Jahren gleichwohl gestiegen ist? - Das ist ja von Ihrem Ministerium bestätigt worden.
Sehr geehrter Herr Meyer, ich habe in meiner Antwort soeben die Mengen, die uns mit Blick auf die Bundesebene bekannt sind, zitiert. Das sind für den gesamten Veterinärbereich in der Tat 750 t gewesen. Die Untersuchung bezieht sich ja auf den zurückliegenden Zeitraum von 2007 bis 2009. Im
Humanbereich sind das nicht die von Ihnen genannten 750 t, sondern es sind nur 260 t. Im Humanbereich sind es also signifikant geringere Mengen als im Veterinärbereich. Das gibt natürlich Veranlassung, dort genauer hinzugucken.
Dabei müssen Sie aber immer berücksichtigen - das habe ich ja auch deutlich gesagt -, dass die auf den Veterinärbereich entfallenden Mengen nicht nur in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung eingesetzt werden, sondern die entsprechenden Daten enthalten auch alle Verschreibungen für Heimtiere. Ich habe die Zahl der Hunde nicht mehr im Kopf. Ich glaube aber, dass es insgesamt 5,4 Millionen Hunde und eine vergleichbare Zahl an Katzen sowie 1 Million Pferde und Ponys gibt, die ebenfalls mit einbezogen sind.
Diese Zahlen - ich will hier nur sagen, Frau Schröder-Ehlers, dass die Nutztiere mit involviert sind - wird man nicht einfach und schlicht gegenüberstellen und sagen können: Da besteht ein signifikanter Unterschied. Im Veterinärbereich deutet alles auf einen Missbrauch hin. Im Humanbereich aber ist alles in Ordnung. - Man muss dieses Problem meines Erachtens ein bisschen differenzierter angehen.
Weil die Menge der verabreichten Antibiotika gestiegen ist, reagieren wir darauf. Gleichzeitig ist der Anstieg dieser Mengen aber auch ein Indikator dafür, dass der Infektionsdruck gestiegen ist. Jetzt muss man danach fragen, warum er gestiegen ist. Sie fordern als Antwort darauf - Herr Meyer, Sie nicken gerade - in aller Regel die Agrarwende. Wir aber sagen: Lasst uns mal ein bisschen genauer hingucken; denn dann wird deutlich, dass es über alle Haltungsformen hinweg eine vergleichbare Entwicklung gibt.