Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

Ich bitte herzlich darum, dem Redner jetzt zuzuhören. Bitte schön!

Herr Hoppenbrock. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Ich weiß nicht, ob es für Sie entscheidend ist, ob es 3 Euro oder 5 Euro sind.

(Editha Lorberg [CDU]: Sie haben von 3 Euro gesprochen!)

- Ist es für Sie würdiger, wenn die Menschen 5 Euro bekommen? Ich weiß nicht wo Ihr Problem liegt. Sitzen denn hier Leute im Parlament, die sich wirklich Gedanken darüber machen, ob 5 Euro würdiger sind als 3 Euro? Es ist unwürdig, wenn Menschen weniger als 8,50 Euro verdienen! Das ist die klare Aussage! Will das denn nicht in Ihren Kopf? Ich verstehe das nicht!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Sie haben im Parlament die Unwahrheit gesagt! Sie machen hier eine Castingveranstaltung! Das ist die Wahrheit!)

In Deutschland gibt es Menschen, die für 3 Euro in der Stunde arbeiten. Das ist die klare Aussage. Das können wir tariflich belegen.

(Anhaltende Zurufe - Glocke des Prä- sidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich unterbreche Sie, Herr Kollege Lies. Es hängt immer von beiden Seiten ab. Man darf sich nicht wundern, wenn bestimmte Reaktionen aus dem Parlament kommen.

(Zustimmung bei der CDU - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das ist ja unglaublich!)

Ich bitte beide Seiten, sich jetzt um einen pfleglichen Ton zu bemühen, sodass wir in der Sache weiterkommen. - Jetzt hat Herr Lies das Wort. Bitte schön!

Dann widme ich mich jetzt dem Redner, für den ich eigentlich ans Pult gekommen bin, nämlich dem Minister. Das wäre, denke ich, wichtig.

(Minister Jörg Bode: Es war doch ganz spannend!)

- Es war auch durchaus spannend, zu hören, was Sie hier gesagt haben.

(Jens Nacke [CDU]: Soll ich hinaus- gehen, damit Sie so lange ungestört sind, Herr Kollege?)

Bitte, Herr Kollege Nacke, lassen Sie doch jetzt Herrn Lies sprechen. - Bitte!

Herr Nacke, Sie können gerne hinausgehen. Ich glaube, Sie sind sowieso lernunfähig. Es wird sowieso nichts nützen, wenn Sie hier sitzen bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bode, lassen Sie mich an dieser Stelle ergänzen. Vielleicht entschärft das ein bisschen den Ton.

(Ulf Thiele [CDU]: Ein bisschen Ni- veau wäre gut!)

Herr Bode, Sie haben hier im Parlament gesagt, dass es für Menschen ein Teil der Würde ist, in Arbeit zu kommen. Aber Sie haben an keiner Stelle davon gesprochen - das ist das, was ich nicht verstehen kann -, wie wichtig es ist, dass sie für ihre Arbeit auch würdevoll entlohnt werden.

Sie haben davon gesprochen, dass die Menschen auf eigenen Beinen stehen sollen. Herr Bode, auch mit 5 oder 6 Euro in der Stunde kann man nicht auf eigenen Beinen stehen. Sorgen Sie mit Ihrer Politik endlich dafür, dass die Menschen mit einem würdevollen Lohn wirklich auf eigenen Beinen stehen können! Behaupten Sie nicht, es sei gut für die Menschen, wenn sie sich den Rest von der Arbeitsagentur holen können! Das ist unwürdig! Das ist nicht unsere Vorstellung von Arbeit. Das ist der Grund, warum Sie hier bald nichts mehr zu sagen haben, Herr Bode.

Danke schön.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Clemens Große Macke [CDU]: Mannomann! - Jens Nacke [CDU]: Mensch, ist das leicht, den auszuhebeln!)

Auf den Beitrag von Herrn Lies liegt eine Wortmeldung für eine Kurzintervention vor, und zwar von Herrn Toepffer. Herr Toepffer, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

(Unruhe)

- Einen kleinen Moment, Herr Toepffer! - Alle wollen wieder ein Stück weit herunterkommen. Bitte etwas mehr Ruhe!

Herr Toepffer, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! „Herunterkommen“ ist das Stichwort, Herr Lies. Als ich Ihnen gerade zugehört habe, ist mir deutlich geworden, warum wir vermeiden wollen, dass solche Fragen hier im Parlament diskutiert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Körtner [CDU]: Ganz genau!)

Wenn ich erlebe, wie wir uns hier - noch relativ weit von einem Verfahren entfernt, in dem ein Mindestlohn, eine Lohnuntergrenze oder was auch immer festgelegt werden soll - über Beträge streiten, dann frage ich mich, wer mir eigentlich sagen will, wo die Würde des Menschen anfängt: bei 7 Euro, bei 8 Euro oder bei 9 Euro? Wollen wir hier künftig darüber streiten, ob sie bei 9,33 Euro anfängt?

Ihr Beitrag, lieber Herr Lies, hat deutlich gemacht, dass wir dazu nicht in der Lage sind. Ich bitte Sie, wenn Sie jetzt auf diese Kurzintervention antworten, mir in aller Ehrlichkeit zu sagen, warum wir die Festlegung der Lohnhöhe nicht den Tarifpartnern überlassen sollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Lies möchte auf diese Kurzintervention antworten. Auch Sie haben eine Redezeit von 90 Sekunden. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Toepffer, wenn jemand mehr für seine Arbeit bekommt als das, was er an Sozialleistungen bekommen würde, oder wenn es die gleiche Höhe wie die Sozialleistungen hat, ist das für Sie ein Maßstab, den Sie ansetzen würden? Würden Sie sagen, dass da die Würde des Menschen beginnt?

(Rainer Beckmann [CDU]: Er hat Ih- nen eine Frage gestellt!)

- Ich rede doch mit ihm. Wo ist denn das Problem?

(Zuruf von der CDU: Weil Sie gar kei- ne Antworten haben!)

- Was ist denn hier los? Nur weil Sie auf dem Holzweg, auf dem falschen Weg sind, brauchen Sie doch nicht nervös zu sein! Gleiten Sie auf den richtigen Weg, den Grüne, SPD und Linke vorgegeben haben, dann sind Sie schon auf dem besseren Weg!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Toepffer, ist es für Sie der Maßstab, dass das, was an Sozialleistungen quasi der Grundmaßstab ist, auch ein Teil von Würde ist, dass derjenige, der den ganzen Tag arbeiten geht, seine Würde nicht dadurch ein Stück weit verliert, dass er sich den Rest vom Sozialamt dazuholen muss?

Warum sind Tarifvertragsparteien nicht in der Lage? - Gucken Sie sich einmal die Tarifverträge in Niedersachsen, aber auch deutschlandweit an! Es gibt Tarifverträge, in denen ein Lohn von 3,50 Euro pro Stunde geregelt ist. Wir haben die Situation, dass es nicht überall starke Tarifvertragsparteien gibt, die in der Lage sind, Mindestlöhne auszuhandeln, die auf diesem Niveau sind. Genau aus diesem Grund - das ist die Aufgabe der Politik und des Parlaments - dient es dem Schutz der Menschen, dafür zu sorgen, dass ihre Arbeit wirklich in Würde stattfindet und dass der Lohn auch diesem Maßstab entspricht.

Wenn wir uns darauf verständigen können, Herr Toepffer - ich glaube, da sind wir gar nicht so weit auseinander -, dass das, was diese Sozialgrenze angeht, Grundlage für Würde ist, dann sollten wir uns hier im Parlament darauf verständigen, sie gesetzlich festlegen. Das sind 8,50 Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich habe jetzt noch eine Wortmeldung vorliegen, und zwar von Herrn Rickert für die FDP-Fraktion.

Ich möchte noch etwas klären: Es wird noch ein Beitrag von Herrn Bley gewünscht. Ist das richtig? - Okay.

Herr Kollege Rickert, Sie haben nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine zusätzliche Redezeit von anderthalb Minuten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was nützt uns diese Aufgeregtheit? - Natürlich gibt es Lebensverhältnisse und Lebenssitu

ationen, in denen ein Mensch, eine Person oder eine Familie von dem, was durch die Arbeit verdient wird, seinen bzw. ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten kann.

Nehmen wir einmal eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die 20 Stunden in der Woche in einer Boutique arbeitet. Sie wird niemals in der Lage sein, ihre Miete, ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu gewährleisten.

(Olaf Lies [SPD]: Da reichen auch 4 Euro die Stunde nicht!)

Das wird also um Leistungen unseres Sozialversicherungssystems ergänzt werden müssen.