Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

Das wird also um Leistungen unseres Sozialversicherungssystems ergänzt werden müssen.

(Olaf Lies [SPD]: Darum geht es doch nicht!)

Meine Sorge ist: Wenn wir die Lohnuntergrenze, von der hier die Rede ist, in Form eines gesetzlichen Mindestlohns zu hoch ansetzen, dann ist die Schranke für den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu hoch; es wird ihn nicht geben. Wird der Mindestlohn zu niedrig angesetzt - das habe ich schon einmal gesagt -, dann nützt er überhaupt nichts.

(Beifall bei der FDP)

Auch die CDU-Fraktion hat einen Antrag auf zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung gestellt. Sie bekommen zwei Minuten. Bitte schön, Herr Bley!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lies, dass Sie sich in Ihrem Redebeitrag auf die Antwort von Herrn Bode so aufgeplustert haben, kann ich verstehen; denn der 27. November ist nicht mehr weit weg.

(Olaf Lies [SPD]: Mir geht es um die Interessen der Menschen!)

Wenn man Spitzenkandidat werden will, greift man manchmal zu Mitteln, die einem später leidtun.

Ich persönlich komme aus einer schwarzen Region - dort haben wir schwarze Politik gemacht -, nämlich dem Oldenburger Münsterland. Dort gibt es Vollbeschäftigung. Wir haben eine Arbeitslosenquote von nur 3, 4 oder 5 %. Wir dürfen nicht die falschen Instrumente wählen und dann auf Parteitagen und im Parlament um Euro und Cent feilschen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Ich habe hier eine Liste mit Mindestlöhnen in Europa. In Luxemburg beträgt der Mindestlohn 10,16 Euro und in Bulgarien 71 Cent. Was ist die richtige Entlohnung?

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Luxem- burg!)

Wir sind gemeinsam auf dem richtigen Weg. Wir müssen die richtigen Instrumente wählen, damit die unwürdigen Lohnzahlungen beendet werden. Wir wollen einen auskömmlichen, einen gerechten Lohn. Den werden wir auf den Weg bringen.

Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sagen Sie doch einmal, wie viel das ist! - Patrick-Marc Humke [LINKE]: Sagen Sie doch ein- mal, was die Armutsgrenze ist, die Sie selbst definieren!)

Jetzt ist jemand anderer dran, Herr Humke! - Die CDU-Fraktion hat insgesamt zwei Minuten Redezeit zur Verfügung gestellt bekommen. Es verbleiben noch 54 Sekunden. Die möchte Herr Matthiesen nutzen. Bitte schön!

Danke, Herr Präsident. - Ich möchte an die Reihen der Opposition deutlich sagen: Sie brauchen sich um die CDU in Niedersachsen keine Gedanken zu machen. Unser Landesausschuss hat beschlossen, dass wir eine Lohnuntergrenze haben möchten, die die Tarifpartner in einer Kommission bestimmen, und zwar orientiert am Tarifabschluss in der Leiharbeit. Das ist ein klarer, allgemeiner Wert, der im Westen bei 7,78 Euro liegt.

Das ist eine ganz klare, allgemeine Ansage, die genau das behandelt, Herr Kollege Lies, was Sie gerade gesagt haben, nämlich dass wir oberhalb der Sozialleistungen liegen wollen. Das ist unser Ziel. Das ist deutlich so beschlossen worden. Damit geht die CDU in Niedersachsen auf den Bundesparteitag. Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.

(Glocke des Präsidenten)

In einer großen demokratischen deutschen Volkspartei ist es eine Ehre, so miteinander zu diskutieren und die Positionen mit anderen zu verbinden, die der Kollege Rickert gerade deutlich gesagt hat.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Das sind die Argumente, die vertreten werden. Wir haben uns in Niedersachsen dafür entschieden und werden das jetzt so vertreten.

(Beifall bei der CDU)

Auf den Redebeitrag der CDU-Fraktion - ich weiß jetzt nicht, ob auf Herrn Bley oder auf Herrn Matthiesen, auf jeden Fall zur CDU-Fraktion - hat Frau Weisser-Roelle eine Kurzintervention angemeldet. Sie erhalten eine Redezeit von 90 Sekunden.

Danke, Herr Präsident. Der Beitrag passt zu beiden Vorrednern. - Herr Bley, ich weiß nicht, ob dies das Niveau sein soll, von dem vorhin gesprochen worden ist. Wenn Sie Vergleiche anstellen, ob wir 71 Cent wie in Bulgarien oder 10 Euro wie in Luxemburg wollen, dann ist das ein Niveau, auf das wir uns auf keinen Fall begeben werden, weil es zu niedrig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sprechen immer von einem Lohn, von dem man leben können muss. Warum akzeptieren Sie nicht, dass es in Deutschland eine Definition der Armutsgrenze gibt?

Es gibt auch eine Pfändungsfreigrenze. Die Pfändungsfreigrenze beschreibt ein gesetzliches Minimum für das Einkommen von Erwerbstätigen. Das ist gesetzlich festgeschrieben. Ein Gerichtsvollzieher, der pfändet, muss einem Alleinstehenden einen Betrag von mindestens 1 030 Euro brutto im Monat lassen. - So schreibt es das Gesetz vor.

Mit Ihrer Forderung, den Stundenlohn aus der Leiharbeitsbranche - ich glaube, 7,50 Euro - als Untergrenze heranzuziehen, würden Sie unter dieser Freigrenze liegen, die gesetzlich festgeschrieben ist. Das ist für mich sittenwidrig. Also bewegen Sie sich zurzeit in einer Diskussion, die absolut sittenwidrig ist. Das ist nicht meine Behauptung, sondern das beschreibt das Bürgerliche Gesetzbuch.

Aus diesen 1 030 Euro je Monat ergibt sich bei einer Beschäftigung von 38 Stunden pro Woche

ein Stundenlohn von 8,62 Euro. Und da sagen Sie mir, 7,50 Euro seien eine gute Grundlage!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Matthiesen möchte antworten. Auch Sie bekommen 90 Sekunden Redezeit.

Frau Kollegin Weisser-Roelle, Sittenwidrigkeit ist etwas völlig anderes. Das wäre ein Stundenlohn von 1 oder 2 Euro. Das sagen auch die Gerichte.

Was wir jetzt brauchen, ist diese allgemeine Lohnuntergrenze. Sie liegt in der Leiharbeit im Westen bei über 7,50 Euro, nämlich bei 7,78 Euro. Dazu ist auch zu sagen: Es muss eine allgemeine Untergrenze eingezogen werden. Herr Kollege Schminke hat es richtig gesagt: Den Tarifpartnern steht es offen, darüber hinaus zu gehen. Das ist deren Angelegenheit.

(Zustimmung bei der CDU)

Es muss eine allgemeine Untergrenze eingezogen werden. Das ist das Ziel. Wenn wir das schaffen, sind wir einen großen Schritt weiter.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Jetzt hat sich Herr Minister Bode zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt viel über CDU-Parteitage gelernt, wie es dort abgeht. Herr Lies, ich weiß nicht, wie das bei den SPD-Veranstaltungen mit Ihnen und Herrn Weil tatsächlich ist.

(Johanne Modder [SPD]: Sie können ja kommen und dabei etwas lernen!)

Aber hier ist es so: Wenn man hier nach vorne kommt und etwas behauptet - Sie haben das gemacht, als Sie gesagt haben, dass in Niedersachsen für 3 Euro gearbeitet wird -, dann muss man sie auch belegen können.

(Olaf Lies [SPD]: In Deutschland! Sie haben nicht zugehört! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Er hat „Deutschland“ gesagt, Herr Bode!)

Denn wenn Sie gefragt werden, warum Sie das behaupten, und Sie darauf keine Antwort geben können, dann könnte man auch zu dem Verdacht kommen, dass der Rest, den Sie hier erzählt haben, ebenfalls nicht stimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte aber auf Ihre Forderung eingehen, die Sie hier ebenfalls aufgestellt haben. Sie wurden des Weiteren gefragt: Was ist für Sie ein faires Einkommen? Wie hoch ist der faire Stundenlohn, der für Sie nicht sittenwidrig ist? - Sie haben hier mit 8,50 Euro geschlossen.

Nun habe ich mir einmal angeschaut, was das WSI bei den Modellrechnungen ermittelt hat, was erforderlich ist, um auf den Betrag zu kommen, dass ein Einkommen in der Höhe der Grundsicherung herauskommt. Um laut WSI auf das Niveau der Grundsicherung, zu kommen, das jemandem über das ALG II zusteht, benötigt ein alleinstehender Beschäftigter bei 38 Wochenstunden einen Bruttolohn von 8,91 Euro je Stunde.

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Lies, das, was Sie hier gesagt haben, reicht für das, was Sie selbst wollen, noch nicht einmal aus.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Des- halb fordern wir 10 Euro!)

Deshalb ist es wichtig, dass man nicht mit Plattitüden und nicht auf Parteitagen mit besonderen Zahlen zur Lohnfestsetzung arbeitet, sondern sich die Problemlage in Deutschland genau anschaut, um die wir uns kümmern müssen.