Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

gemeldet. Bitte schön, Sie haben für 90 Sekunden das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Hocker, mir ist bei den Beratungen aufgefallen, dass Sie und auch Ihre Kollegen von der CDU immer wieder versuchen, den Grenzwert am Zwischenlager in Gorleben als zu niedrig darzustellen. Damit wollen Sie eigentlich die ganze Geschichte mit den Grenzwertüberschreitungen zur Seite schieben. Das kommt in Ihren Statements immer wieder zum Tragen.

Nachdem ich schon beim letzten Plenum ausgeführt habe, was das Forschungszentrum CERN zu der biologischen Wirksamkeit von Neutronenstrahlung gesagt hat - es hat einen „Schädlichkeitsfaktor“ der Neutronenstrahlung ermittelt, der deutlich über den hinausgeht, der im Moment staatlicherseits angesetzt wird -, sage ich Ihnen ein Weiteres - das gebe ich Ihnen alles gerne, damit Sie die Zahlen der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg vielleicht verstehen -: Es gibt eine Dissertation von Anna Heimers - ich gebe Ihnen das -, die statt auf den jetzt angesetzten Wirkungsfaktor 15 auf den Faktor 100 kommt. Das ist das Sechsfache dessen, was im Moment angesetzt wird.

Nun rechnen Sie bitte einmal die Werte der aus den Castoren austretenden und auf die sie begleitenden Polizisten einwirkenden Strahlung

(Glocke der Präsidentin)

mit diesem sechsfachen Faktor durch! Rechnen Sie aus, auf welche Werte Sie da kommen! Und dann sagen Sie mir bitte einmal, was konservative Sichtweise ist, welche - - -

(Beifall bei der LINKEN - Die Präsi- dentin schaltet dem Redner das Mik- rofon ab)

Herr Dr. Hocker möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Lieber Kollege Herzog, zu Ihrem Vorwurf, ich würde die Grenzwertdiskussion zur Seite schieben. Wir haben vorgestern, am Mittwoch, in der Aktuellen Stunde eingehend über dieses Thema diskutiert. Deswegen habe ich mich heute auf das Thema Endlagerung konzentriert. Dass Sie diese beiden Dinge miteinander vermengen wollen, zeigt,

dass es Ihnen in die Karten spielt, dass wir diese beiden Anträge, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben, zusammen diskutieren.

Sie führen wiederum eine wissenschaftliche Erhebung - eine Dissertation - an, die angeblich die wahren Ergebnisse widerspiegelt. Ich muss Ihnen sagen: Wir haben nur eine unabhängige Größe, der wir alle Vertrauen schenken müssen: das Umweltministerium und den NLWKN.

(Rolf Meyer [SPD]: Oh Gott! Dann sind wir arm dran!)

Sie können Greenpeace heranziehen. Sie können die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg heranziehen. Sie können auch selber Messungen durchführen. Unabhängig sind nicht Sie, und unabhängig ist auch nicht Greenpeace. Unabhängig sind unsere Behörden in Niedersachsen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Rolf Meyer [SPD]: Ach du liebe Zeit!)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Hocker. - Nun hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Bäumer das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen an dieser Stelle über zwei Anträge - mein Kollege Dr. Hocker hat es vorhin gesagt -, die man eigentlich separat behandeln müsste. Aber Gorleben ist eben zum einen das Synonym für das Zwischenlager, in dem die Castorbehälter stehen, und zum anderen das Synonym für ein Bergwerk, in dem man erkundet, ob es als Endlager für radioaktive Abfälle geeignet ist. Das Zwischenlager - das wissen die Experten vor Ort - liegt auf der einen Seite der Straße, das Bergwerk auf der anderen Seite der Straße. Die Castoren stehen über der Erde; unter der Erde, im Bergwerk, liegt bis auf den heutigen Tag kein Abfall, obwohl manche durchaus diesen Eindruck gewinnen könnten.

Lassen Sie uns deshalb zunächst über die Castoren diskutieren, obwohl wir dieses Thema schon am Mittwoch hatten. Im Kern geht es im Antrag der Opposition um die Frage, ob der Grenzwert für die Strahlung in Höhe von 0,3 mSv pro Jahr in Gorleben überschritten wird oder nicht und ob in der

Folge der Castortransport durchgeführt werden kann oder nicht.

Auslöser für Ihren Antrag war die Befürchtung des NLWKN, dass der Wert in diesem Jahr überschritten werden könnte - ich betone: könnte. Einige von Ihnen haben damals schon frohlockt, weil sie hofften, dass der Castortransport in diesem Jahr ausfallen könnte. Das zeigt, wie schizophren die Welt im Landkreis Lüchow-Dannenberg geworden ist.

(Kurt Herzog [LINKE]: Vorsicht!)

Da freut man sich inzwischen, wenn Grenzwerte überschritten werden sollen. Wenn dann festgestellt wird, dass die Grenzwerte nicht überschritten werden, dann ist die Freude plötzlich weg.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Es ist unredlich, was Sie da machen! - Miri- am Staudte [GRÜNE]: Schämen Sie sich! - Kurt Herzog [LINKE]: Unver- schämt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass die Prognose des NLWKN dazu geführt hat, dass sich der TÜV und die PTB intensiv mit der aktuellen Höhe der Strahlung beschäftigt haben und dass die Messungen der PTB gezeigt haben, dass die Strahlung in diesem Jahr sowohl unter dem Eingreifwert von 0,2 mSv pro Jahr als auch unter dem Grenzwert von 0,3 mSv pro Jahr liegen wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Der Umweltausschuss - davon war vorhin schon die Rede - hat sich das Behälterlager und die Messhäuschen in Gorleben angesehen und sich die Messmethoden umfassend erläutern lassen. Im Nachgang dazu haben wir in dieser Woche sogar die Messreihen des NLWKN vom Jahr 1985 bis heute für die Überwachung der Umgebung am Messhaus 2 und an drei Referenzorten erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Ihnen lange Zahlenkolonnen ersparen

(Kurt Herzog [LINKE]: Die verstehen Sie auch nicht!)

und dazu nur so viel sagen: Der Gammamesswert am Messhaus 2 lag im Jahr 1985 bei 0,54 mSv pro Jahr und liegt heute nach den Aufzeichnungen des NLWKN bei 0,59 mSv pro Jahr. In dieser Zeit gab es Schwankungen von 0,38 bis 0,74 mSv pro Jahr. Die Werte an den drei Referenzorten lagen im Jahr 2010 mit einer Toleranz von plus/minus 10 % bei

den Ursprungswerten aus dem Jahr 1985, also nahezu stabil.

Gestiegen ist - das ist logisch - die Gesamtdosis am Castorlager in Gorleben. Das hängt damit zusammen, dass dort Castoren eingelagert worden sind, die radioaktive Abfälle in sich tragen. Aber auch diese Werte steigen nicht proportional, sondern degressiv. Sie liegen immer noch unter den vorhin genannten Eingreif- und Grenzwerten.

Leider, meine Damen und Herren, werden die Messwerte der PTB von einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen nicht anerkannt - Menschen, die behaupten, dass allein sie in der Lage seien, richtig zu messen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, würden die Werte der PTB wohl auch dann in Frage gestellt, wenn sie über 0,3 mSv pro Jahr lägen?

(Ursula Körtner [CDU]: Nein! Natürlich nicht!)

Vermutlich nicht; denn dann hätte man einen Grund, den Castortransport abzusagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber wie glaubwürdig, meine sehr geehrten Damen und Herren von der linken Seite - keine Zwischenfragen! -, ist solch ein Verhalten, wenn man unabhängigen staatlichen Stellen nur dann traut, wenn die „richtigen“ Zahlen geliefert werden?

Wir sollen der PTB misstrauen, aber den Messungen der Fachgruppe Radioaktivität der BI LüchowDannenberg trauen, ohne zu wissen, wie diese Fachgruppe gemessen hat und mit welchen Geräten die Gruppe gemessen hat. Hat man am Ende vielleicht mit Geräten gemessen, die von der PTB kalibriert wurden?

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, an den von der PTB gemessenen Werten zu zweifeln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese liegen auch in diesem Jahr unter 0,27 mSv pro Jahr. Deshalb besteht kein Grund, den Castortransport abzusagen, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zu dem zweiten Antrag kommen. Da geht es um die Zukunft der Endlagerung ato

maren Mülls. Es war jahrelang Konsens, von einer Endlagerung zu sprechen, also einer Lagerung, bei der der Müll am Ende der Einlagerungsphase dauerhaft von der Biosphäre abgeschlossen wird. Die dafür am besten geeignete Methode schien Einlagerung in Salz zu sein, weil nur Salz die Eigenschaft hat, eingeschlossenes Material im Laufe der Zeit zu umfließen.

Nach den Erfahrungen mit der Asse, wo man sich heute eine unkomplizierte Rückholbarkeit wünschen würde, haben sich die Anforderungen an die Lagerung verschoben. Heute findet die Rückholbarkeit der Abfälle großen Zuspruch, weil dafür keine endgültigen Entscheidungen getroffen werden müssen und der technische Fortschritt dafür sorgen kann, dass nachfolgende Generationen auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse Gefahren im Umgang mit dem Atommüll vermeiden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Endlagerfrage gibt es kein Richtig oder Falsch. Denn jede Gesteinsart hat ihre Vor- und Nachteile. Deshalb muss vor Beginn der Suche nach einem Endlager eine grundlegende Frage beantwortet werden: Will man eine dauerhafte Endlagerung, bei der eine Rückholung ausgeschlossen ist, oder will man eine dauerhafte Zwischenlagerung mit Rückholbarkeit? - Auch hier gibt es Vor- und Nachteile: Dauerhafte Endlagerung bietet bestmöglichen Schutz und erschwert den Zugriff auf Spaltmaterial. Aber zurückholen kann man den Müll dann eben nicht.

Eine Zwischenlagerung wird immer mit laufenden Betriebskosten verbunden sein, bietet aber eine Option auf technischen Fortschritt.

Was die Rückholbarkeit angeht, ist diese CDUFraktion klar positioniert: Wir wollen eine rückholbare Lagerung des Atommülls. Einer der Ersten, der hier im Plenum davon gesprochen hat, war unser damaliger Ministerpräsident Christian Wulff.

Nach dem vorliegenden Antrag möchte die SPD in Niedersachsen anscheinend auch eine rückholbare Lagerung. Aber dann müssen Sie eines erklären: Woher soll denn der technische Fortschritt kommen, mit dem Sie in Zukunft die Abfälle schneller abbauen wollen? - Wenn die Transmutation funktionieren soll, dann braucht es dringend und schleunigst Aktivitäten im Bereich der Forschung auf diesem Gebiet.

(Beifall bei der CDU)