Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

noch nicht aufgegeben, dass wir in dieser Frage zu einer gemeinsamen Einschätzung kommen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Andrea Schröder- Ehlers [SPD])

Als nächster Redner hat sich Herr Herzog für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Herr Herzog, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Umweltausschuss kürzlich das Zwischenlager Gorleben besichtigte, berieten wir das Gesehene anschließend im Lüchow-Dannenberger Kreishaus. Herr Bäumer, Sie prägten dabei den inhaltsschweren Satz in meine Richtung: „Sie tun ja gerade so, als ob in Ihrem Kreisatomausschuss mehr Sachverstand vorhanden ist als im niedersächsischen Umweltministerium.“

Herr Bäumer, mir ist jetzt klar geworden, warum Sie so darauf beharren, dass die Ausschusssitzungen des Landtages nicht öffentlich sein sollen.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE] und von Christian Meyer [GRÜNE])

Das Niveau, auf dem Sie im nicht öffentlich tagenden Landtagsausschuss agierten, war um Klassen schlechter als das im öffentlichen Ausschuss auf Kreisebene.

(Zustimmung bei der LINKEN - Cle- mens Große Macke [CDU]: Das ist ei- ne Unterstellung! Typisch Herr Her- zog!)

Beispiel: ungünstigster Messpunkt. Sie wollen einfach nicht begreifen, dass der selbstverständlich dort liegt, wo am Eingang - 60 m ohne Wall - die Strahlung ungehindert austreten kann. Ebenso wenig nehmen Sie wahr, dass am ungünstigsten Messpunkt der Summenwert für vier Atomanlagen gilt - das Fasslager, das Castorlager, für die noch nicht im Betrieb befindliche Pilot-Konditionierungsanlage und für die Konditionierungsanlage, die demnächst gebaut werden soll.

Beispiel: TÜV-Prognose für die Strahlenentwicklung nach Eintreffen des neuen Castorzugs. Danach soll die Strahlung aus dem Lager um fast 7 % steigen, bei einer Messunsicherheit von 10 %.

Allein mit diesen Werten läge die Prognose über dem Eingreifwert und würde den Castor unmöglich machen. Wie es dann aber der Vertreter des niedersächsischen Umweltministeriums schafft, lächelnd die heile Atomwelt wieder herzusalbadern, ist allerdings atemberaubend.

Beispiel: Hintergrundstrahlung. Sie lassen die PTB so lange rechnen, bis die Gammastrahlung des Schotterwegs neben dem Castorlager die Strahlung aus dem Lager aufhebt. Das traut sich nicht einmal der Betreiber und auch nicht der TÜV. Die eigentlich zuständige Messbehörde, das NLWKN, geht nach eigenem Anspruch konservativ an das Messverfahren und kommt deswegen zu den Grenzwertüberschreitungen.

Das, und nur das, ist rechtskonform. Denn das Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts macht folgende Vorgaben, Herr Bäumer: Unsicherheiten ist durch hinreichend konservative Annahmen Rechnung zu tragen. Bei etwa bestehenden Unsicherheiten ist stets die sichere Annahme zugrunde zu legen, und es ist unerlaubt, exakt bis an die Gefahrengrenze zu gehen.

Statt dies aber zu beachten, treibt der Innenminister die Einsatzkräfte in einen Gefahreneinsatz, obwohl auch deren Gewerkschaftsvertreter diesen Einsatz eindeutig ablehnen, solange die Zahlen nicht deutlich unter dem Grenzwert liegen.

Herr Innenminister, wir brauchen keine atompolitischen Pirouetten, sondern einen Minister, der die Bevölkerung und die Polizisten schützt.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Deshalb fordert der Kreistag Lüchow-Dannenberg in seinem ersten Beschluss in dieser Wahlperiode mit überwältigender Mehrheit unabhängige Messungen durch von ihm bestellte Institutionen.

102 Castoren stehen im Zwischenlager. Ca. 2 000 würden es werden, wenn die anstehenden strahlenden Berge im Salzstock Gorleben versenkt würden. 50 Jahre lang vier solcher Transporte pro Jahr wie jetzt Ende November, dazu ein verzehnfachtes einzulagerndes Volumen, weil z. B. Abfälle aus Gronau nicht mehr in der russischen Weite verklappt werden dürfen, dazu 10 Millionen m

3 freigemessener Atommüll, der flächendeckend die Umwelt verseuchen wird, weil er eben sehr wohl Radioaktivität enthält - wieder die gleichen Flaschenhälse für Atommüll wie schon seit Jahrzehnten.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP] und Pro- fessor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Das ist doch freigemessen!)

Herr Thümler, deshalb ist Ihre absolute Kehrtwende bei der Endlagerung auf den ersten Blick ziemlich beachtlich. Sie sagen, Salz ist als Medium ungeeignet, und deswegen ist auch Gorleben ungeeignet. - Ja, dann handeln Sie doch auch so, und werden Sie vom schwarzen Loch zur niedersächsischen Speerspitze! Lassen Sie uns alle zusammen einen entsprechenden Antrag verabschieden.

(Beifall bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Kann es sein, dass Sie Dinge sehen, die nicht da sind?)

Wie aber, Herr Nacke, passt die GorlebenGrätsche Ihres nicht vorhandenen Nachbarn dazu, dass Sie trotzdem in Gorleben weiterbauen wollen? - Sie schieben Schadenersatzforderungen vor, die gestellt würden, wenn man dieses aussichtslose Abenteuer abbräche. - Ich sage Ihnen: Andersherum wird ein Schuh daraus. Wer dieses Wahnsinnsprojekt nicht umgehend beendet, wird für Schadenersatz sorgen müssen. Nein, lämmerschwänzig zu kneifen, zählt nicht, Herr Thümler. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrer Vortänzerin. Die schaltet AKW mit hohem Sicherheitsrisiko ab.

Es muss Schluss sein mit dem politischen Flaschendrehen beim Atommüll: Zurück auf Los, genaue Analyse aller Fehler, exakte Bilanzierung des Atommülls, eine nationale öffentliche Debatte über sämtliche Konzepte, und vor allem: Gorleben muss raus aus dem Topf.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Andrea Schröder-Ehlers [SPD])

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Hocker das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich es schade finde, dass diese beiden Anträge gemeinsam beraten werden.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist richtig!)

Der eine Antrag bezieht sich auf die bevorstehenden Castortransporte, der andere setzt sich mit

Gorleben als potenziellem Endlagerstandort auseinander. Die Castortransporte im November haben nichts, aber auch gar nichts mit der Erkundung des Salzstocks Gorleben als Endlager zu tun und bedeuten keinerlei Vorfestlegung auf irgendeinen Endlagerstandort.

(Lachen bei den GRÜNEN - Rolf Meyer [SPD]: Dann ist ja gut! Dann haben wir ja Glück gehabt!)

Wer diesen Eindruck gewinnt, weil wir diese Punkte gemeinsam beraten, der liegt definitiv falsch.

Meine Damen und Herren, weil wir vorgestern ausreichend über die Strahlenprognose am Zwischenlager diskutiert haben, möchte ich es zu diesem Punkt heute kurz machen. Auch die gestrige Übersendung der eigenen Aufstellung der Messwerte der Bürgerinitiative Umweltschutz in Lüchow-Dannenberg konnte mich nicht davon überzeugen, dass man Greenpeace und Bürgerinitiativen mehr Objektivität bei der Messung der Strahlenwerte unterstellen kann als dem Umweltministerium und dem NLWKN.

Herr Wenzel, dass Sie den Castortransport um ein Jahr verschieben wollen, weil Sie sich davon bessere Chancen bei der Landtagswahl versprechen, ist aus taktischen Überlegungen her nachvollziehbar. Das Problem lösen Sie damit allerdings nicht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Herr Ho- cker! Wir können ihn auch um zwei, drei oder fünf Jahre verschieben!)

Gestatten Sie mir, dass ich das Hauptaugenmerk aber auf den Antrag der SPD zur Erkundung Gorlebens richte, weil wir vorgestern schon eingehend über die Castortransporte diskutiert haben.

In der Vergangenheit hat sich die Opposition in diesem Punkt stets einig gezeigt, einig bei der Forderung, die Erkundung Gorlebens ohne Ergebnis abzubrechen, einig bei der Forderung, keine weiteren Castorbehälter in Gorleben zwischenzulagern, einig aber auch in der Ablehnung, über technische Möglichkeiten zu diskutieren, mit denen man die verbliebene Energie der Brennelemente nutzen und die Dauer der Gefahr von 1 Million auf 100 Jahre reduzieren könnte. Das ist übrigens der vierte Spiegelstrich im Antrag der SPD.

Lieber Kollege Bosse, ich möchte Ihnen deswegen ausdrücklich für Ihren Mut danken, diesen Antrag so vorzulegen; denn wir beide wissen, was sich hinter diesem vierten Spiegelstrich, der den „Einsatz modernster Technologien zur Vermeidung der

Gefahren durch den atomaren Abfall“ in Wahrheit verbirgt.

(Kurt Herzog [LINKE]: Na?)

Natürlich geht es hier um nichts anderes als um Technologien zur Transmutation, die von Grünen und Linken gemieden werden wie vom Teufel das Weihwasser. In der ursprünglichen Fassung Ihres Antrags tauchte der Begriff „Transmutation“ sogar noch auf. Ich bin gespannt, wie die anderen beiden Oppositionsfraktionen Ihren mutigen Vorstoß werten und wie sie mit Ihnen als Querulant unter den Oppositionsfraktionen umgehen werden.

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat z. B. noch am 25. Oktober diesen Jahres die Transmutation als Irrweg bezeichnet, der „vor allem in den Köpfen einiger Atomwissenschaftler herumspukt, die sich um Forschungsgelder bemühen.“

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Man muss also kein Prophet sein, um zu erkennen: Den Weg, den Sie hier gehen wollen, Herr Kollege Bosse, werden weder die Grünen noch Herr Herzog mitmachen können. Umso mehr hoffe ich, dass Sie, Herr Kollege Bosse, es wirklich ernst meinen mit Ihren Vorstellungen und dass wir nicht im Ausschuss oder gar schon heute werden erleben müssen, dass Sie krampfhaft zurückrudern müssen, weil Sie die Dinge dann doch nicht so gemeint haben.

(Rolf Meyer [SPD]: Wir mussten über- haupt noch nicht zurückrudern! Das seid doch ihr! Ihr rudert doch wie die Weltmeister!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich freue mich, wie Sie aus der Technikfeindlichkeit der Grünen und der Linken ausscheren wollen. Wir nehmen Ihren Vorstoß, der von den Grünen vor dem Hintergrund ihrer eigenen Beschlüsse als Tabubruch empfunden werden muss, ernst und werden deswegen im Ausschuss Ihre Forderung nach Technologien und nach der Transmutation ernsthaft diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hocker. - Zu einer Kurzintervention auf Ihre Rede hat sich Herr Kollege Herzog von der Fraktion DIE LINKE zu Wort

gemeldet. Bitte schön, Sie haben für 90 Sekunden das Wort.