Es mag jeder in diesem Hause selber beurteilen, ob es guter Stil ist, hier heute über die Teilnahme von Minister Sander an der internationalen Klimaschutzkonferenz in Südafrika zu debattieren in dem Wissen, dass der Minister gerade heute aus diesem dienstlichen Grunde nicht zugegen sein kann. Ich jedenfalls finde, dass es von mangelndem politischen Stil zeugt, unbedingt über jemanden diskutieren zu wollen, der überhaupt nicht anwesend sein kann, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Wenzel, im Blätterwald hört man es rauschen, dass Sie so gern irgendwann einmal Umweltminister in Niedersachsen sein möchten. Ich bin davon überzeugt, dass es hierzu niemals kommen wird.
Aber ich kann Ihnen versprechen, auch in Zukunft keine Debatten über Sie als Vorsitzenden einer Oppositionsfraktion führen zu wollen, wenn Sie überhaupt nicht anwesend sind. Ich glaube nicht, dass das nicht der richtige Stil ist, erst recht nicht, wenn Sie entschuldigt fehlen, und zwar nicht, weil ich es so gut mit Ihnen meine, Herr Kollege Wenzel, sondern weil das schlechter Stil ist und ich mich nicht auf dieses Niveau herabbegeben möchte.
Aber selbst diesen Ausrutscher können Sie noch überbieten, wenn auch nicht explizit. So wollen Sie zumindest zwischen den Zeilen den Anschein erwecken, dass nicht der Schutz des Weltklimas Gegenstand der Reise von Minister Sander sei, sondern dass der Minister auf Kosten der Steuerzahler die Welt bereist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer den Minister kennt und auch nur ein bisschen Menschenkenntnis besitzt, der weiß, dass er seine Dienst- wie seine Urlaubszeiten am liebsten mit seiner Frau und seiner Familie auf dem heimischen Hof in Golmbach im Weserbergland verbringt, anstatt die große weite Welt erobern zu wollen, meine Damen und Herren. Wenn er die Wahl gehabt hätte, dann hätte er Minister Röttgen und die Teilnehmer der Umweltministerkonferenz samt Entourage wie auch alle anderen Konferenzteilnehmer am liebsten bei sich in Golmbach in Empfang genommen und die Debatte dort geführt, weil das nämlich Steuergelder gespart hätte.
Endlose Flugreisen sind für ihn ein Gräuel, und er ist jedes Mal wieder froh, wenn er festen Boden unter den Füßen hat.
Aber, Herr Kollege Wenzel, man möge sich einmal vorstellen, wie Sie sich hier heute echauffieren würden, wenn der Minister nicht nach Südafrika zur Klimaschutzkonferenz gefahren wäre.
Sie wären doch ganz schnell mit dem Wort der Ignoranz dabei gewesen: Der Klimaschutz interessiere ihn nicht, und gerade Niedersachsen werde doch von den Klimafolgen besonders in Mitleidenschaft gezogen: steigender Meeresspiegel etc. pp. - Jetzt fährt Minister Sander nach Durban - das übrigens 1 600 km entfernt vom Kap der Guten Hoffnung liegt - und machen Sie sich über seine letzte Mission lustig. Ganz im Ernst: Ich würde mir von jedem Mitglied dieses Hauses so viel Pflichtgefühl und Dienstbeflissenheit wünschen wie von Hans-Heinrich Sander, der um die halbe Welt fliegt, um in Durban niedersächsische Interessen zu vertreten.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Oh! bei der SPD und bei den GRÜ- NEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Und das in seinem Alter! - Zuruf von der SPD: Der Arme!)
Herr Kollege, eines verstehe ich jetzt nicht: Dass Ihre eigene Fraktion Ihren Beitrag mit Zwischenrufen und intensiven Unterhaltungen stört, muss an sich nicht sein. Sie kennen meine ausdrückliche Bitte. - Bitte schön!
Herr Kollege Wenzel, wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen. Ich habe mich mal erkundigt, wie sich die Gruppe der Bundestagsabgeordneten zusammensetzt, die an dieser Reise teilnehmen.
Herr Minister Röttgen wird vonseiten der Umweltministerkonferenz von den Ministern aus Niedersachsen, Hessen und Brandenburg begleitet sowie von neun Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Darunter sind zwei Sozialdemokraten, zwei Linke, ein Liberaler und auch ein Grüner, Herr Kollege Wenzel, und zwar der Kollege Dr. Ott, MdB aus Wuppertal, aus Nordrhein-Westfalen. Kollege Ott scheint an Flugreisen zu entlegenen Orten in dieser Welt übrigens sehr viel mehr Gefallen zu finden als Minister Sander. Sein Blog von der Klimakonferenz in Cancun in Mexico vor einem Jahr ist bis vor Kurzem noch im Internet zu finden gewesen. Da kann man sich wirklich fragen, wie es sich miteinander verträgt, sich für den Klimaschutz engagieren zu wollen und dann jedes Jahr zu solchen Konferenzen zu fahren.
Lieber Kollege Wenzel, ich hatte mich eigentlich sehr darauf gefreut, mit Ihnen in der Aktuellen Stunde über den Castor diskutieren zu dürfen.
Dass Sie heute aber auf Ihr Leib- und Magenthema verzichten und die Ministerreise auf die Tagesordnung gesetzt haben, zeigt nur eines: Sie selbst scheinen den Glauben daran zu verlieren, dass Sie mit dem überholten Thema der Castortransporte auch nur noch einen hinter dem Ofen hervorlocken.
Weil Sie aber nach dem nächsten Plenum keine Gelegenheit mehr haben werden, sich über den Minister aufzuregen, haben Sie dieses Thema trotz der Abwesenheit des Ministers noch schnell in die Aktuelle Stunde des Dezember-Plenums gedrückt. Dass Sie diese letzte Möglichkeit, sich an dem Minister abarbeiten zu können, trotz seiner Abwesenheit unbedingt nutzen wollen, zeigt, wie sehr Hans-Heinrich Sander für Sie eine besondere Reizfigur innerhalb des Kabinetts ist. Das ist ein wahrer Ritterschlag für jeden liberalen Umweltminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sagt man: Reisende soll man nicht aufhalten. - Aber angesichts des letzten Coups von HansHeinrich Sander kommen wir um eine Würdigung seiner neun Jahre als Umweltminister Niedersachsens nicht ganz herum.
Was ist von einem Minister in Durban beim Klimagipfel zu erwarten, dessen für mich auffälligstes Merkmal es war, sich immer dann wegzuducken, wenn auch nur ein Hauch von politischem Brandgeruch in der Luft lag, ein Meister des politischen Cocooning?
Verehrter virtueller Minister Sander, gestatten Sie, dass ich Sie im Folgenden direkt anspreche. Das erste Mal erlebte ich Sie, Herr Sander, als sie zu Beginn des Asse-Skandals quasi in den Tiefenaufschluss abtauchten und Ihren frisch gebackenen Staatssekretär Birkner, immerhin Ihr designierter Nachfolger, mit diversen Fehleinschätzungen und Unkenntnis ins offene Medienmesser laufen ließen.
Bei den Grenzwertüberschreitungen am Zwischenlager hätten Sie für Niedersachsen Geschichte schreiben können. Sie hatten es in der Hand, diesen Castortransport zu verhindern. Aber Sie zogen
es vor, den Castor nach Gorleben zu rangieren und lieber Ihre eigene Messbehörde von hinten zu demontieren.
Dabei liebten Sie sich durchaus als Medienstar im Blitzlichtgewitter: beim Grundsteinlegen für eine Kohledreckschleuder genauso wie als Rambo im Elbdeichvorland, als Sie die Motorsäge durch den medialen Blätterwald brüllen ließen.
Auch mit verwirrenden Begrifflichkeiten waren Sie erfindungsreich: „Rückholbarer Atommüll“ war für Sie lediglich derjenige, den man wieder aus der Garage fahren könnte, solange das Tor offen ist.
Aber was wollen Sie in Durban? - Ich habe nichts gegen Fortbildung und nichts gegen die Erweiterung des eigenen tief hängenden Horizonts. Aber von Ihrer Vorsitztätigkeit im Umweltausschuss des Bundesrats bekam die Öffentlichkeit so viel mit wie von einer heimlichen Schwangerschaft.
Oder ist es die Rache des kleinen Mannes, dem sein Chef gekündigt hat? Oder ist es einfach die Flucht davor, hier für einen grottenschlechten Haushalt einstehen zu müssen? Vor vier Jahren klebten Sie sich großspurig noch das Etikett „Klimaschutz“ an, schwadronierten aber weiter über die „goldene Zukunft für Niedersachsen“ mit sieben neuen Kohlekraftwerken. Sie wollten uns schon einmal die dreckige, gefährliche CCS-Technologie, die den Wirkungsgrad der Kraftwerke auf unter 30 % senkt, als hoch effizient verkaufen.
Sie waren dann als atompolitischer Brückenbauer fulminant, bis Ihnen Fukushima die Atomsuppe versalzen hat. Ihr Klimaschutz bestand aus rein reaktiven Maßnahmen, z. B. die Deiche um einige Zentimeter zu erhöhen. Angesichts des z. B. von Professor Schellnhuber prognostizierten Meeresspiegelanstiegs um 7 m blieben Sie Verdrängungskünstler und Optimist. Es ging Ihnen nicht darum, ob ein Glas halb leer oder halb voll ist, sondern bei Ihnen war auch ein leeres Glas immer voll.
Nein, Herr Minister Sander, ein Klimaschutzminister muss ein bisschen verrückt sein, nämlich verrückt vom Mainstream, muss den Schoß der Brüderles verlassen, selbstkritisch an eigene industriestaatliche Nasen fassen und den Landsleuten auch mal den einen oder anderen sauren Drops verpassen, ihnen erklären, warum man jetzt mit dem Schiff durch offenes Wasser bis auf 150 km an den Nordpol heranfahren kann. Stattdessen gleiten Sie jetzt mit einem gepflegten „Ihr könnt mich mal - gerne haben“ in den absoluten Ruhestand, nachdem man schon seit Jahren den Eindruck hatte, sie befänden sich in der Ruhephase der Altersteilzeit.
Ich gebe zu, beeindruckt hat mich Ihre gewisse Art von Cleverness, nicht aber die Kaltschnäuzigkeit, mit der Sie Umweltzonen als Teufelszeug und Quatsch abtaten, sondern wie Sie emotional, beinahe koboldhaft-listig am Thema vorbei redeten. Nein, clever war es auch, dass Sie, anders als Ihr Nachfolger, nicht darauf warten, abgewählt zu werden.
Nein, das ist keine Mission in Durban, mit der Sie sich klammheimlich vor dem Landtagsplenum drückten. Der Wissensdurst auf den letzten Metern - auch das überzeugt nicht. Vielmehr wollen Sie Ihre heile Welt retten, an die Sie sich beinahe autistisch klammern.
Aber wo war der Visionär, der sich mit den Wissenschaftlern Schellnhuber und Latif zoffte und vereinte, wo war der politische Tiefgang, wenn es z. B. um die Vertiefung von Ems, Weser und Elbe ging? Ein Klimaminister, der keine einzige Arbeitsnarbe aufweist? - Herr Sander, Ihr Nachfolger wird es nicht leicht haben, in Ihre Schuhe zu schlüpfen. Diese sind klein, schmal und ohne Abdruck.