Herr Kollege Rickert, Sie können davon ausgehen, dass Sie die restlichen vier Minuten noch bekommen. - Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE rufe ich jetzt die Kollegin Flauger auf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verschränke die Themenbereiche ein bisschen, indem ich mit dem Thema Medien anfange und mit dem Thema Europa aufhöre. Danach kommen wieder Beiträge zum Thema Medien; dann ist alles schön verzahnt.
Liebe Landesregierung, den niedersächsischen Bürgermedien machen Sie das Leben nicht gerade leicht. Auf der einen Seite haben Sie die Konkurrenz durch kommerzielle lokale Rundfunksender möglich gemacht. Auf der anderen Seite sind die Bürgersender sowieso immer vom finanziellen Aus bedroht, und sie leiden unter einem übertriebenen Formalismus bei der Beantragung von Projektgeldern. Da wären Erleichterungen und sichere Finanzierungen dringend nötig.
Das wäre auch deshalb wichtig, weil die Bürgermedien einen großen Beitrag zur Medienkompetenz leisten. Was Medienkompetenz angeht, muss die Landesregierung noch einiges nachholen und dringend tätig werden. Da reicht es nicht, wenn Sie in einer Broschüre konzept- und zusammenhanglos Maßnahmen zusammenschreiben. Hier braucht es ein durchdachtes Konzept mit klaren Zielen und einem daran orientierten Maßnahmenpaket. Wir haben für den Start eines solchen Konzepts unter Einbindung der Bürgermedien zunächst 50 000 Euro beantragt.
Für uns Linke bedeutet Medienkompetenz nicht nur, zu lernen, wie man mit Medien technisch umgeht, wie man das Internet, Computer oder anderes nutzt. Für uns bedeutet Medienkompetenz auch, dass Kinder und Jugendliche früh lernen, kritisch mit Inhalten der Medienangebote umzugehen und nicht alles zu glauben, sondern zu begreifen, dass hinter bestimmten Darstellungen bestimmte Ziele stehen könnten.
Ich komme zum Thema Netzpolitik. Bisher habe ich bei der Landesregierung den Eindruck, dass sie dem Thema Internet gegenüber eher negativ und ängstlich eingestellt ist. Was wir von Ihnen zu diesem Thema bisher gehört haben, zeigte Ihr Bild vom Internet als einem Hort vieler böser Dinge, vor denen man die Menschen schützen muss. Unzweifelhaft gibt es im Internet auch Gefahren, wie überall im Leben. Aber Sie stehen mit Ihrem einseitigen Bild vom Internet einer jungen Generation gegenüber, für die dieses Netz ein selbstverständlicher Teil des Lebens ist. Diese jungen Menschen sehen die Möglichkeiten des Internets grundsätzlich erst einmal positiv und selbstverständlich. Sie machen an diesen Menschen vorbei Politik, Sie machen gegen sie Politik, wenn Sie das Internet in erster Linie als Gefahrenpotenzial sehen.
Zum Glück scheint das Thema Netzsperren vom Bundestag erst einmal einhellig gekippt worden zu sein, nachdem wir noch vor wenigen Wochen von der CDU heftig beschimpft wurden, als wir uns gegen Netzsperren aussprachen.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Europapolitik. Gestern standen in der Wildeshauser Zeitung zwei Artikel.
Die Überschrift über dem ersten lautete: „Der Plan ‚Merkozy’ soll Europa stabiler machen“. Der Artikel enthält Ausführungen dazu, dass Länder jetzt automatisch bestraft werden sollen, wenn sie gegen die Verschuldungskriterien verstoßen. Direkt darunter: „Die Schere klafft immer weiter auseinander“, „Ungleichheit beim Einkommen wächst“. Es ist gut, dass diese beiden Artikel so dicht nebeneinander stehen, weil sie inhaltlich miteinander zu tun haben. Ich will das erläutern.
Wir sind mitten in einem Teufelskreis der Krise. Der erste Schritt in diesem Teufelskreis: Ungleichheit von Vermögen und Einkommen. Wenn Einkommen und Vermögen sehr ungleich verteilt sind, dann sinkt die Massenkaufkraft. In Deutschland sind die Löhne seit dem Jahr 2000 real um 4,5 % gesunken.
Zweiter Schritt im Teufelskreis, der sich unmittelbar daraus ergibt: Es gibt wenig Wachstum und viele Schulden. Durch die sinkende Massenkaufkraft werden nämlich immer weniger Kredite für Investitionen in der Realwirtschaft verwendet, aber immer mehr für Finanzmarktspekulationen. Von der Bilanzsumme der Deutschen Bank im Jahr 2008, die 2,2 Billionen Euro betrug, wurden nur ca. 5 % als Kredite für reale Investitionen vergeben.
Dritter Schritt im Teufelskreis - er folgt aus dem zweiten -: eine Finanz- und Bankenkrise. Nach übermäßigem Preisanstieg brechen die Kurse ein. Nachdem in Irland die Immobilienblase 2007 geplatzt ist, sind die Immobilienpreise in kurzer Zeit um die Hälfte eingebrochen. Kredite wurden faul, der Staat musste Banken stützen. Einmal mehr wurden Profite privatisiert und Verluste sozialisiert.
Vierter Schritt im Teufelskreis der Krise: Die Staatsschulden steigen. Bankenrettungen und Konjunktureinbruch belasten den Staatshaushalt. Seit dem Beginn der Finanzkrise ist die Staatsverschuldung in Deutschland durch die Bankenrettung um 300 Milliarden Euro gestiegen.
Fünfter Schritt im Teufelskreis: eine falsche sogenannte Sparpolitik - in Wirklichkeit: Kürzungspolitik - mit Deregulierungen, Sozialabbau und Lohnsenkungen. Beim letzten Kürzungsprogramm im Jahr 2010, dem größten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, in Höhe von 80 Milliarden Euro wurde im Sozialbereich massiv gekürzt, auf Kosten von Hartz-IV-Empfängern, Arbeitslosen und Familien, und es wurden massiv Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut.
Sechster Schritt im Teufelskreis der Krise - das ist wieder der erste Schritt; denn hier schließt sich der Kreis -: noch größere Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen. So geht es immer weiter, wenn dieser Teufelskreis nicht durchbrochen wird.
Helmut Schmidt hat auf dem SPD-Bundesparteitag richtig gesagt, dass wir eine schwerwiegende Fehlentwicklung haben, nämlich anhaltende Überschüsse in unserer Handels- und Leistungsbilanz. Er hat richtig gesagt, dass alle unsere Überschüsse in Wirklichkeit die Defizite der anderen sind und dass die Forderungen, die wir an andere haben, deren Schulden sind. Aber dann hat er abgebrochen und nur noch von einer ärgerlichen Verletzung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts gesprochen, statt Ursachenanalyse zu betreiben. Eine Hauptursache des Außenhandelsungleichgewichts ist nämlich die Agenda 2010:
Durch die Deregulierung des Arbeitsmarktes wurden die Gewerkschaften geschwächt und ein gigantisches Lohndumping eingeleitet. Deutschland ist Lohndumpingweltmeister. Wenn die Löhne sinken, dann wird weniger gekauft. Das betrifft auch importierte Waren, und so wird anderen Ländern der Export ihrer Ware nach Deutschland schwerer gemacht, auch z. B. Griechenland. Was Sie wollen, also Ihr Weg, Staaten zu zwingen, Massenkaufkraft zu zerstören und sich damit noch tiefer in die Probleme hineinreiten - und das auch noch automatisch -, ist grundfalsch. Sie beschleunigen höchstens noch den Teufelskreis, den ich dargestellt habe. Sie machen diese Länder weiter kaputt.
Meine Damen und Herren, wir haben die nächste Förderperiode der EU vor uns. Ich habe Sie hier schon im letzten Jahr aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Förderpolitik auf Nachhaltigkeit und regionale Wirtschaftskreisläufe ausgerichtet wird, auf den Ausgleich sozialer Ungleichheiten, auf die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen statt auf Leuchtturmprojekte zu Ihrer Profilierung. Ich fordere Sie erneut auf, sich auf Bundes- und EU-Ebene für diese Ausrichtung und auch für die Ausgestaltung der Landesprogramme entsprechend zu positionieren. Bisher scheinen Sie nur Ihren bisherigen Kurs weiterverfolgen zu wollen, als hätten Sie aus der Krise nichts gelernt.
Ich erwarte, dass Sie dafür kämpfen, nicht mehr allein das Bruttoinlandsprodukt als Indikator für die Verteilung der Fördermittel heranzuziehen. Es gibt Indikatoren, die z. B. die Ungleichheit der Einkommensverteilung mitbewerten, wie etwa der GiniKoeffizient. Solche Indikatoren sind besser geeignet als das Bruttoinlandsprodukt. So können Sie gegen die soziale Ungleichheit ankämpfen, die Teil des dargestellten Teufelskreises ist.
Vor allen Dingen kümmere ich mich um die Lautstärke hier im Plenarsaal. Ich dachte, das wäre vorrangig auch Ihr Interesse, Frau Kollegin.
Kümmern Sie sich um anständige Löhne, statt hier neue Arbeitsplätze zu bejubeln, von denen niemand leben kann und bei denen die Löhne mit Steuergeldern aufgestockt werden müssen. Das ist staatlich subventioniertes Lohndumping!
Durchbrechen Sie endlich den Teufelskreis, statt immer nur nach dem Motto zu handeln: „Mehr von dem, was schon bisher nicht geholfen hat“! Befreien Sie sich aus der Diktatur der Banken und Konzerne, und lassen Sie sich nicht mehr von Ratingagenturen auf der Nase herumtanzen!
Meine Damen und Herren, ein wertvoller Beitrag, dass sich mehr Menschen mit der Europäischen Union auseinandersetzen, sich mit den auftretenden Problemen befassen und sich eine Meinung dazu bilden, statt rätselnd davorzustehen, wäre die Stärkung des Europäischen InformationsZentrums. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich die Arbeit des Europäischen Informations-Zentrums noch einmal loben. Davon können wir mehr gebrauchen, z. B. mehr Veranstaltungen in Niedersachsen, die vom Europäischen InformationsZentrum äußerst gut organisiert werden. Deshalb haben wir beantragt, 83 000 Euro mehr als von Ihnen vorgesehen in den Haushalt einzustellen, nämlich insgesamt 150 000 Euro. Diese Aufstockung um 83 000 Euro entspricht in etwa dem, was wir beim Posten zur Information über das Land
Niedersachsen und die Tätigkeit der Landesregierung einsparen, indem wir da den Iststand von 2010 vorsehen.
Ich will zum letzten Punkt meiner Ausführungen kommen. Wir haben bei den Zuschüssen für laufende Zwecke im Ausland für einen Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit in einem ersten Schritt 150 000 Euro zusätzlich im Haushalt vorgesehen. Das wäre ein Schritt zu mehr Solidarität mit den armen Ländern dieser Welt. Dazu würde übrigens auch eine Neuausrichtung der EU-Subventionen gehören. Ich empfehle Ihnen, in meiner Rede vom letzten Jahr nachzusehen, was ich Ihnen da über das Kaputtmachen der Geflügelwirtschaft in Ghana durch eine fehlgesteuerte Subventionspolitik dargelegt habe. Das gilt immer noch; das hat sich nicht geändert. Da müssen Sie sich neu ausrichten, solidarisch innerhalb Europas und solidarisch auf der Welt.
Vielen Dank. - Wir kommen jetzt zu der Aussprache zum Medienbereich. Ich erteile der Frau Kollegin Behrens von SPD-Fraktion das Wort. Auf dem Weg zum Rednerpult kann ich Ihnen übermitteln: Die restliche Redezeit der SPD-Fraktion beträgt 6:40 Minuten.
Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Doppelhaushalt 2012/2013 ist, medienpolitisch betrachtet, unauffällig. Die Landesregierung lebt von der Hand in den Mund und macht das Nötigste, aber darüber hinaus nichts. Wichtige Fragestellungen in der Medienpolitik werden nicht beantwortet, geschweige denn gelöst. Es gibt, auch wenn Sie sich den Doppelhaushalt 2012/2013 anschauen, keine wahrnehmbaren medienpolitischen Initiativen, obwohl wir das erwarten könnten. Dabei gibt es genug zu tun. Ein paar Beispiele:
Der Jugendmedienschutz muss nach dem gescheiterten Staatsvertrag auf neue und vor allem tragende Füße gestellt werden. Initiativen dazu sind aber nicht erkennbar. Bei der Weiterentwick
lung der Bürgermedien - Kollegin Flauger sprach es an - hält sich die Landesregierung zurück. Vor allem für die notwendige technische und digitale Nachrüstung der Bürgersender ist in diesem Doppelhaushalt keine Perspektive erkennbar. Gebraucht wird aber eine Unterstützung über die Möglichkeiten der Niedersächsischen Landesmedienanstalt hinaus.
Die Aktivitäten zur Medienkompetenzvermittlung erscheinen mehr als Loseblattsammlung und weniger als ein strategisches, integratives und nachhaltiges Konzept. Die Landesregierung hat - das will ich ihr gerne zugestehen - bei diesem Thema dazugelernt und hat erkannt, dass man Medienkompetenz vermitteln muss, dass das also nicht mehr zufällig geschieht. Sie erinnern sich, werte Kolleginnen und Kollegen, an die Debatte vor anderthalb Jahren und an die durchaus merkwürdigen Antworten auf die Große Anfrage der SPDFraktion. Aber auch das, was jetzt vorliegt, schreibt nicht fest, was gemacht werden soll, welche Ziele erreicht werden sollen, wie die Aktivitäten, die es im Land Niedersachsen gibt, vernünftig vernetzt werden. Es gibt im Grunde kein wirkliches Konzept dazu, vor allen Dingen nicht die notwendigen Bausteine.
Sie wissen: Meine Fraktion hat einen Antrag zur Vermittlung von Medienkompetenz vorgelegt. Wenn Sie in den Antrag meiner Fraktion zum Haushalt 2012/2013 schauen, dann sehen Sie, dass Medienkompetenz als Bildung gewertet wird. Bildung ist für SPD-Fraktion eine prioritäre Aufgabe, die wir auch in den nächsten zwei Jahren verstärkt angehen müssen.
Betrachtet man die Möglichkeiten der Kreativwirtschaft in Niedersachsen, so tut die nordmedia bezüglich der Film- und Medienförderung sicherlich ihr Bestes. In den kommenden Jahren werden jeweils 1,7 Millionen Euro in diesen Bereich fließen. Das finden wir gut, und das unterstützen wir. Doch eine Verstärkung des Medienstandortes Niedersachsen kann sicherlich durch eine noch bessere Vernetzung von freien Produzenten, von Kreativen und vor allen Dingen der Medienstudiengänge an unseren Hochschulen erfolgen. Das wird aber vernachlässigt. Die Landesregierung - so muss man den Eindruck haben - scheint an einer Weiterentwicklung der Kreativwirtschaft und auch an einer Weiterentwicklung der nordmedia kein