Jetzt kommen wir zu dem Fall aus Cuxhaven. Ich habe das Ersuchen der Härtefallkommission natürlich angenommen, weil die Familie integriert ist. Das ist überhaupt gar keine Frage. Aber auch hier gilt das Recht, dass man Pässe haben muss. Die Pässe sind nicht von der Ausländerbehörde weggeschmissen worden, wie es hier dargestellt wurde, sondern die Familie wurde bereits einmal abgeschoben, und die Pässe sind in der Russischen Föderation einbehalten worden; das ist der Punkt. Weil das Recht so ist, haben wir gesagt, dass sie sich Pässe besorgen müssen.
Leider bekommt man die Pässe nicht im Konsulat, sondern es besteht die Vorschrift, dass man den Antrag im Herkunftsland stellen muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass die ganze Familie dorthin fahren muss. Wir sind im Gespräch und haben auch über den Landkreis vermittelt, dass einer dorthin fahren und es beantragen muss. Wir würden sofort ein Aufenthaltsrecht geben, sodass er anschließend wieder zurückkommen kann und es in diesem Zusammenhang überhaupt keine Problematik gibt. Dann hat man die Pässe. Insofern wird dann das Aufenthaltsrecht sofort erteilt. Dies ist ihnen mehrfach mitgeteilt worden. Wir sind jetzt wieder dabei, dies mit dem Landkreis Cuxhaven noch einmal darzustellen.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum man nicht auch im Generalkonsulat die Pässe ausstellen kann. Aber der niedersächsische Innenminister kann, so leid es mir tut, die Vorschriften der Russischen Föderation nicht verändern. Sie sind nun einmal so. Ich kann sie für schlecht halten, ich kann sie aber schlichtweg nicht verändern. Deshalb müssen wir das so hinnehmen und einen vernünftigen Weg vorgeben, wie wir der Familie hier ein Aufenthaltsrecht geben können. Darum geht es, nicht mehr und nicht weniger.
Abschließend: Das Ausländerrecht ist kompliziert, keine Frage. Aber ich kann Ihnen nur sagen, dass sich Rechtsstaatlichkeit in diesem Land bewährt hat. Gerade im Ausländerrecht gibt es Möglichkeiten, auch darüber hinaus aus humanitären Grün
den etwas zu tun. Aber das bewegt sich nur in einem ganz engen Rahmen. Genau den schöpfen wir aus. Dazu, wie es Herr Oetjen gesagt hat, jeden, der zwingend ausreisepflichtig ist und eigentlich abgeschoben werden sollte, vorher darüber zu informieren, dass er als letzte Möglichkeit noch ein Härtefallersuchen stellen kann, ist zu sagen, dass es so etwas in keinem anderen Bundesland gibt. Wir sagen: Wenn es das Recht gibt, dann soll man sie darüber auch vernünftig informieren.
Meine Damen und Herren, hören Sie also auf mit den Unterstellungen! Schauen Sie sich das Recht einmal genau an, und hören Sie auf, Stimmung zu machen! Das hilft Ihnen in der politischen Bewertung vielleicht nicht, aber das politische Klima in unserem Land beim Ausländerrecht ist mir wichtiger als Ihre Effekthaschereien.
Meine Damen und Herren, da der Herr Minister seine Redezeit erheblich überschritten hat, gebe ich jetzt Frau Leuschner von der SPD-Fraktion auf ihren Wunsch hin zusätzliche Redezeit. Sie haben drei Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, zu Ihren Ausführungen, was die Rechte der Härtefallkommission betrifft, muss ich noch etwas sagen. Sie haben das als Instrument dargestellt, durch das nach humanitären Gründen im Interesse der Flüchtlinge prima entschieden werden kann. Das ist es ja nicht. In Niedersachsen gibt es die Vorprüfung, wir haben ein hohes Quorum - von acht müssen wenigstens sechs für eine Positiventscheidung stimmen -, und, Herr Minister, Sie haben die Letztentscheidung; das liegt in Ihren Händen. So viele Rechte hat die Härtefallkommission also nicht. Auch den neuen Entwurf, um die Rechte auszudehnen, halten wir für nicht angemessen. In der Vergangenheit sind viele Mitglieder der Härtefallkommission ausgetreten oder haben diese Position öffentlich kritisiert. - Das ist der erste Punkte.
Ihr Ministerium berät Ausländerbehörden bei Anfragen. Leider hat das nicht immer im Interesse der Betroffenen stattgefunden, sondern man hat den Ausländerbehörden zum Teil Handreichungen gegeben - Stichwort „Göttingen“ -, die von der Familie als Schikane verstanden werden konnten.
Abschließend noch ein Hinweis zur Familie aus Cuxhaven. Sie haben gesagt: Hierzu soll im Gegensatz zur üblichen Praxis auch eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 a für sechs Monate in Aussicht gestellt werden, damit die Wiedereinreise nach der Passbeschaffungen erfolgen kann. - Sie haben ja keine Pässe. Nach Ihrer Auskunft ist es derzeit einfach nicht möglich, Pässe zu erhalten. Sie müssen ausreisen. Da sie wirtschaftlich und gesellschaftlich integriert sind, haben sie dadurch Einnahmeverluste. Das können sie sich zum Teil nicht leisten.
Meine Damen und Herren, Frau Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält ebenfalls zusätzliche Redezeit. Sie haben zwei Minuten.
Ich möchte den Innenminister insofern korrigieren, als ich sage, dass es für vollziehbar ausreisepflichtige Personen im Aufenthaltsgesetz nicht nur die Möglichkeit gibt, die Härtefallkommission anzurufen. Die Fachleute sitzen ja hinter Ihnen. Es gibt den § 25, das Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen.
Das ist für vollziehbar ausreisepflichtige Personen geschrieben worden. Die Kollegen von der FDP fordern ebenfalls Nachbesserungen im § 25 Abs. 5, wo es um Unmöglichkeit versus Unzumutbarkeit geht. Das ist auch eine Frage der Auslegung dieses Gesetzes. Hamburg und RheinlandPfalz machen das anders. In Niedersachsen wird es dagegen sehr restriktiv ausgelegt.
Darüber können wir uns streiten, aber im Grunde genommen gibt es hier die Möglichkeit, aus humanitären Gründen die Kettenduldung abzuschaffen.
Herr Oetjen nickt an dieser Stelle. Nichts anders wollen wir, damit wir diese Einzelfälle nicht immer wieder so lösen, dass Sie zuerst abschieben und wir sie dann zurückholen müssen. Alle Kollegen wissen das. Jeder kämpft in seinem Wahlkreis für diese Familien. Das kann nicht sein. Es gibt ungefähr 12 000 ausreisepflichtige Personen. Davon sind fast 60 % Kinder und junge Erwachsene. Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll. Sollen wir jeden Fall so lösen wie bei der Familien Nguyen? Ich meine, wir haben Ausdauervermögen. So ist das nicht.
Lassen Sie mich noch einmal zu der Familie Nguyen kommen, weil Sie das immer wieder betonen. Ich finde es unmöglich, das hier so darzustellen. Auf vier Wochen war die freiwillige Ausreisepflicht durch das Verwaltungsgericht oder Oberverwaltungsgericht festgelegt worden. Einen Tag, bevor diese freiwillige Ausreisepflicht abgelaufen ist - Herr Minister, ich würde jetzt nicht den Kopf schütteln, weil das eine Vorlage aus Ihrem Innenministerium ist -,
Es ist üblich - deswegen habe ich den Erlass zitiert -, dass man wartet, bis diese freiwillige Ausreisefrist abgelaufen ist, und dann den Abschiebetermin festlegt.
Hier hat die Ausländerbehörde parallel zu dem Schreiben an die Familie, die Ausreisepflicht werde verlängert, den Termin mit dem LKA festgelegt. Damit war der Ausschlussgrund, den Sie in Ihrer Verordnung festlegen - der muss da nicht hinein -, zur Härtefallkommission gegeben.
Nun zum Fall Slawik C. Das ist ja ein Fall, in dem der Haftantrag aufgrund des § 72 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes für rechtswidrig erklärt wurde. Sie stellen das jetzt als Interpretation des Bundesgerichtshofs dar. Es gibt diese Entscheidung seit OLG Frankfurt 2000, OLG Schleswig-Holstein 2000, OLG Düsseldorf 2001.
Den § 72 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes, an den die Ausländerbehörden gebunden sind, gibt es schon seit anno 1990. Damals ist es der § 64 Abs. 3 gewesen.
(Christian Meyer [GRÜNE]: Da sollten Sie einmal zuhören, Herr Schüne- mann! Da können Sie etwas lernen!)
Da gilt es nicht zu interpretieren. Auch die Ausländerbehörden sind an Recht und Gesetz gebunden. Sie müssen als Fachaufsicht darauf hinweisen. Das tun Sie nicht.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit gebeten. Sie haben zwei Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass im Fall Nguyen eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts getroffen worden ist und die Ausländerbehörden deshalb gar nicht mehr anders konnten. Sie haben aber nicht gesagt, von wann diese Entscheidung ist. Vielleicht hätten Sie bei meiner Rede aufpassen müssen. Ich habe mehrere Gerichtsentscheidungen zitiert. Die waren alle aus dem Jahre 2011. Das hängt damit zusammen, dass sich die Rechtsprechung erst so entwickelt hat.
In einem Punkt haben Sie recht: Das Ausländerrecht ist wirklich kompliziert, und man muss in der Tat auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die sich wandelnde Rechtsprechung berücksichtigen.
Ich will nur sagen: Die Ausländerbehörden hätten anders gekonnt. Sie haben es hier immer so dargestellt, als hätten sie so entscheiden müssen, als sei ihnen das wirklich schwergefallen. - Das stimmt nicht!
Vor dem Hintergrund der von mir zitierten Rechtsprechung hätten sie ausgehend von dem Gedanken der Verwurzelung - ich sage es noch einmal; so heißt das in mehreren Urteilen - in die hiesigen Lebensverhältnisse sagen können: Wenn sich das so entwickelt hat und wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das jetzt so sieht, dann können wir unsere Entscheidung auch nach Recht und Gesetz korrigieren. - Diese Möglichkeit hatten sie. Sie wollten es nicht. Das ist der Punkt.
Herr Minister, der Kollege Nacke hat sich noch gemeldet. Aber Sie dürfen natürlich vorher sprechen. - Herr Nacke, dann haben Sie jetzt das Wort für die CDU-Fraktion. Sie haben ebenfalls drei Minuten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne auf einige Punkte eingehen, die hier angesprochen worden sind.