Man darf übrigens den Europäischen Gerichtshof bitte nicht mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwechseln, über den ich vorhin gesprochen habe; dieser Fehler wird häufig gemacht. Nein, beim Europäischen Gerichtshof in Brüssel sieht es durchaus anders aus. Daher habe ich ein wenig Bedenken, gar nicht so sehr aus juristischer Sicht. Man muss sehen, dass sich die Bundeskanzlerin gegenwärtig mit ihrer etwas arroganten Art, über andere herzuziehen und sie zu schulmeistern, in Europa nicht gerade beliebt macht.
Das kann natürlich auch zu Trotzreaktionen führen. Diese Gefahr muss man einfach sehen. Aus juristischer Sicht erkenne ich da eigentlich wenig Risiken. Aber wenn ich das alles mit berücksichtige, habe ich schon ein paar Bedenken.
Vor allen Dingen finde wichtig: Politisch gesehen - abgesehen von der juristischen Einschätzung -, ist ein solcher Antrag europafeindlich, weil er bei den Menschen Angst vor diesem Europa schürt. Wenn wir den Europagedanken hochhalten wollen, dann müssen wir uns gegen solche Anträge verwahren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fahrzeugproduktion ist mit ihren 110 000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber unseres Landes. Zählt man die Zulieferindustrie hinzu, hängen rund 30 % aller Industriearbeitsplätze in Niedersachsen von der Automobilindustrie ab. VW mit seinen Standorten in Wolfsburg, Emden, Braunschweig, Salzgitter und auch Osnabrück
- Entschuldigung, Hannover habe ich vergessen; bitte sehen Sie es mir nach - zählt allein in Niedersachsen ca. 100 000 Beschäftigte, weltweit ca. 350 000 Beschäftigte. Die Zahl der Beschäftigten steigt ständig; das konnten wir gerade heute den Presseverlautbarungen entnehmen.
Sie wissen, dass die FDP der Beteiligung des Staates an Industrieunternehmen kritisch gegenübersteht. Aber die niedersächsische FDP trägt selbstverständlich den Wunsch der Mehrheit in unserem Lande mit, an der Beteiligung des Landes Niedersachsen an VW festzuhalten. Die FDPFraktion tut dies völlig unbeeindruckt von anderslautenden Empfehlungen aus Brüssel oder Berlin.
Wir sind zwar der Meinung, dass ein weltweit aufgestellter Konzern, der an den Zukunftsmärkten China, Indien und Osteuropa sowie Mexiko oder
Amerika erfolgreich tätig ist, dies auch unabhängig von der Politik leisten kann. Aber ich verstehe den Willen, den Expansionsprozess im Interesse der niedersächsischen Standorte und Arbeitsplätze mit zu beeinflussen.
Nicht das erste Mal befassen wir uns im Landtag mit dem VW-Gesetz und der Kritik der Kommission und des EuGH an den Mehrheitsverhältnissen. Die Bundesregierung hat nach dem EuGH-Urteil zum VW-Gesetz - das ist ca. drei Jahre her - ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, das alle europarechtlichen Vorgaben erfüllt. Die Kritik richtet sich in erster Linie gegen die sogenannte Sperrminorität von 20 %. Aber sie ist legal; denn § 179 des Aktiengesetzes sagt zwar, dass die Sperrminorität generell bei 25 % liegen sollte, lässt aber unterschiedliche Regelungen zur Höhe von Sperrminoritäten zu und steht damit nicht im Widerspruch zum EU-Recht.
Wir sind uns einig, dass es bei diesen Mehrheitsverhältnissen und den damit verbundenen Einflussmöglichkeiten des Anteilseigners Niedersachsen bleiben soll. Nicht umsonst haben wir in der letzten Legislaturperiode Mittel der HannBG von 80 Millionen Euro eingesetzt, um durch Aktienzukauf den Landesanteil von 20 % halten zu können. Die jetzt geäußerte Absicht der Kommission, den Europäischen Gerichtshof erneut anzurufen, verstehe ich überhaupt nicht. Es sind wahrscheinlich nicht nur Eitelkeiten; denn dieser Kommissionsbeschluss ist mit einer Ausnahme einstimmig getroffen worden.
Während wir hier in Deutschland - das ist auch von meinen Vorrednern mehrfach beklagt worden - gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten nach Auswegen aus der Finanzkrise suchen, um die Finanzkraft des Euros zu stabilisieren und damit auch die politische Integration Europas zu sichern, hat die Kommission nichts Besseres zu tun, als sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Scheinbar ist den Verantwortlichen nicht klar, wie das auf die Menschen in Deutschland und Niedersachsen wirkt.
Wir hoffen, dass der VW-Konzern seinen Weg als ertragsstarkes Unternehmen am Weltmarkt fortsetzen kann, und zwar unbehelligt von überflüssigen Einflussnahmen aus Brüssel. Alle - Anteilseigner, Arbeitnehmervertreter und Politik - sollten sich darauf konzentrieren, VW auf diesem Weg alle Hindernisse wegzuräumen, im Interesse des Un
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim VW-Gesetz sind wir uns alle im Landtag einig. Aber um das Gesetz zu sichern, müssen wir andere außerhalb Niedersachsens überzeugen. Da macht oft der Ton die Musik. Der allzu martialische Titel der Aktuellen Stunde auf Antrag der CDU spiegelt aus meiner Sicht leider die Haltung wider, die außerhalb Niedersachsens zu Widerspruch reizt und mit dafür verantwortlich ist, dass es noch immer keine dauerhaft gültige, gütliche Einigung zum VW-Gesetz gibt.
Da müssen Sie schon aufpassen! Ihr Postulat „kein Europa ohne Volkswagen“ provoziert unnötig und wird letztlich beiden Genannten nicht gerecht, weder Europa noch VW. Der Grat zwischen gesundem Selbstbewusstsein und Arroganz ist schmal und droht der Landesregierung und dem VWKonzern so manches Mal zur Stolperfalle zu werden. Wir raten zur verbalen Abrüstung, wenn wirklich das Ziel im Vordergrund der Bemühungen steht und nicht die Pose, aus der man vielleicht kurzfristig politisches Kapital schlagen kann.
Die Fronten zwischen der EU und Deutschland bzw. Niedersachsen sind in der Frage des VWGesetzes verhärtet genug. Die EU droht Deutschland immerhin mit einer Strafzahlung von mehr als 30 000 Euro pro Tag, sollte sie nicht der neuen Forderung nachkommen, das VW-Gesetz zu kippen. Ein wohlwollender Umgang miteinander sieht wahrlich anders aus.
Da drängt sich der Eindruck auf, dass es Brüssel nicht nur um das Prinzip geht, sondern dass hier auch andere Themen mitschwingen. Will EUBinnenmarktkommissar Michel Barnier vielleicht seine Macht über den Nationalstaat Deutschland und seine gewachsenen Strukturen demonstrieren? Sorgt sich die Kommission darum, ernst genommen zu werden, und missdeutet sie Deutschlands Festhalten am VW-Gesetz vielleicht als ein Auf-der-Nase-Herumtanzen, als ein arrogantes
Verhalten, wie es auch Kanzlerin Merkel in ihrer Haltung zur EU-Finanzkrise vorgeworfen wird? Wird am VW-Gesetz also eigentlich eine Stellvertreterauseinandersetzung geführt?
Was immer Herrn Barnier auch treiben mag, wir in Niedersachsen wissen, was auf dem Spiel steht, nämlich Mitbestimmung und Beschäftigungssicherheit beim wichtigsten Unternehmen unseres Landes.
Die Kritiker sitzen aber nicht nur in Brüssel. Jenseits der niedersächsischen Grenzen nehmen das Verständnis und das Wissen um die Bedeutung des VW-Gesetzes mit zunehmender Entfernung von Wolfsburg rapide ab. Überregionale deutsche Zeitungen wie die FAZ oder die Süddeutsche Zeitung schreiben zum VW-Gesetz, es sei überflüssig wie ein Kropf. Von „gesetzlich verbrieften Sonderrechten“ ist da die Rede, „die Gewerkschafter und die niedersächsische Politik partout nicht aufgeben wollten“, wie es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. November heißt. Wir werden als Betonköpfe abgetan, die sich gegen die Zeichen der Zeit stellen.
Hier ist offensichtlich noch viel Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit notwendig, auch seitens des Ministerpräsidenten und auch nicht nur gegenüber der EU-Kommission.
- Dass der richtige Ton entscheidend sein kann, um erfolgreich Unterstützung einzuwerben. Die französische Passage in Ihrer gestrigen Rede, Herr Ministerpräsident, war ein Beispiel dafür,
weil Sie damit deutlich gemacht haben, dass wir gegenüber der EU um Verständnis bitten - anders als es der Titel dieses Themas zur Aktuellen Stunde suggeriert.
Herr Barnier wirft uns vor, dass die Regelungen des VW-Gesetzes Investoren abschrecken, Innovationen behindern und zu steigenden Preisen führen. Ein Beleg dafür fehlt allerdings.
baren Devisenspekulationen für Brüssel doch nicht allen Ernstes weiterhin das Leitbild sein. Dieser Marktradikalismus hat sich doch überholt, nachdem sich die aktionistischen Privatisierungsorgien vergangener Jahre längst als kontraproduktiv erwiesen haben. Smith’s unsichtbare Hand richtet es eben doch nicht ganz allein. Der Markt braucht neue Leitplanken - wie eine Europäische Sozialcharta oder ein VW-Gesetz. Aber das gibt es schon!
Das aktuelle Gefecht um das VW-Gesetz zeigt, dass dieser Paradigmenwechsel noch nicht überall auf der EU-Ebene angekommen ist. Unabhängig vom VW-Gesetz ist es wichtig, in Brüssel deutlich zu machen, dass wir in manchen Bereichen eine stärkere Regulierung statt noch mehr Deregulierung benötigen. Wirtschaft hat den Menschen zu dienen - und nicht umgekehrt! Das VW-Gesetz ist ein Beitrag dazu.
Mir liegt jetzt noch die Wortmeldung des Herrn Ministerpräsidenten vor. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich finde, dass das gestern eine beeindruckende Betriebsversammlung in Wolfsburg war. Ich war am Montag einen halben Tag lang mit Professor Winterkorn sowie mit Bernd Osterloh und Bernd Wehlauer vom Betriebsrat in Polen zusammen. Wir hatten dort die Gelegenheit, über dieses Thema zu sprechen, ebenso wie gestern am Rande der Betriebsversammlung. Die Anwesenheit nicht nur der Landesregierung, sondern auch der Vertreter aller fünf Fraktionen im Niedersächsischen Landtag hat der Betriebsrat als ganz besondere Geste gewertet. Es ist gut und richtig, dass wir in dieser für das Land Niedersachsen so wichtigen Frage ausnahmsweise eine fraktions- und parteiübergreifende Übereinstimmung haben.
Diese Aktuelle Stunde ist von CDU-Fraktion beantragt worden, weil die Kommission am 24. November so entschieden hat, wie sie wohl meinte ent
Die eigentliche Klageschrift liegt noch nicht vor. Bis sie vorliegt, wird es aller Voraussicht nach noch einige Wochen, möglicherweise sogar noch einige Monate dauern. Das heißt, wir können bisher nur entlang der offiziellen Pressemitteilungen der Kommission nachvollziehen, was am VW-Gesetz im Einzelnen gerügt werden soll.