Protokoll der Sitzung vom 07.12.2011

Wir haben durch unsere Kollegin Sigrid Leuschner, die sich um diese Fragen wirklich verdient gemacht hat,

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

jede Gewalttat, jeden Waffenfund im Parlament in Kleinen Anfragen, in Debatten thematisiert. Das wurde heruntergespielt. Die Antwort lautete: keine Gefahr.

Das ist die Realität der letzten Jahre, Herr Schünemann, und die haben Sie mit zu vertreten. Deswegen steht in den Zeitungen auch zu Recht, dass rechtsextreme Gewalt kleingeredet wurde.

Das, meine Damen und Herren, muss ein Ende haben. Wir können es nicht ertragen, dass NPDFunktionäre in unseren Kommunalvertretungen - in anderen Bundesländern in Landtagsfraktionen - auch noch subventioniert werden und als Parlamentarier diesen - ich sage es einmal sehr drastisch - geistigen Dünnschiss verbreiten.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Hey! bei der FDP)

- Ich hoffe, dass wir uns wenigstens darüber einig sind, dass diese Wortwahl, was die NPD angeht, sogar angemessen ist.

Meine Damen und Herren, Sie haben auch den Versuch unterbunden, hier im Parlament eine Debatte über die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus zu führen, weil Nazis auf einer ganz anderen ideologischen Grundlage arbeiten.

Herr Kollege Bachmann, Ihre Zeit ist abgelaufen. Einen letzten Satz, bitte!

Deswegen mein Schlusssatz: Herr Schünemann, handeln Sie, damit wir nicht in Gefahr kommen! Ansonsten müsste das Landesblindengeld auf Sie und den Verfassungsschutz als Anspruchsberechtigte erweitert werden.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Was soll denn diese Unverschämtheit? Das ist völlig unan- gebracht! Das ist doch wirklich nur noch peinlich! - Björn Thümler [CDU]: Pfui! Das mit dem Landesblindengeld war wirklich daneben!)

Als nächste Rednerin hat sich Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

(Unruhe)

- Herr Kollege Wenzel, ich bitte Sie, die Gespräche draußen zu führen. - Frau Zimmermann, bitte!

Danke schön, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Bachmann hat es gerade richtig ausgeführt: V-Leute sind bezahlte NPD-Funktionäre und gehören allesamt abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN - Ingrid Klopp [CDU]: Abgeschafft?)

Frau Zimmermann, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Ich hatte gerade Herrn Wenzel gebeten, die Gespräche einzustellen. Das gilt natürlich auch für Frau Schwarz. Aber bei Herrn Wenzel war das relativ lang und auch ziemlich laut. - Frau Zimmermann, bitte schön!

Danke schön. - Wenn die V-Leute alle abgeschaltet sind, dann können wir auch den Verfassungsschutz abschaffen; denn die Erkenntnisse, die wir daraus gewinnen, sind weniger als mäßig.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, mit jedem Tag wird doch deutlicher, dass die neonazistische Terrorbande in ein ziemlich engmaschiges Netzwerk eingebettet war, und das über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt - unentdeckt von Sicherheitsbehörden. Das kann doch nicht sein, und das macht mich, ehrlich gesagt, auch ziemlich fassungslos.

Meine Damen und Herren, bei allem Streit über die Hintergründe und Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dieser Terrorserie sind meine Fraktion und ich froh, dass es am Freitag - erstmalig bei diesem Thema - gelingt, als Landtag auf Grundlage der Resolution aller Fraktionen des Deutschen Bundestages mit einer Sprache zu sprechen und ein unmissverständliches Signal zu senden. Ich verbinde das mit der Hoffnung, dass bei der Bewertung und der Bekämpfung von Neonazismus,

Antisemitismus und Rassismus in Niedersachsen nun endlich ein Paradigmenwechsel erfolgt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das enthebt uns allerdings nicht der Verantwortung, die Aufklärung über die Verbindungen des Terrornetzwerkes nach Niedersachsen voranzutreiben. Dass diese existieren, wurde nach der Festnahme des in Hannover lebenden mutmaßlichen Unterstützers des Terrornetzwerkes, Holger Gerlach, schnell klar. Die Linksfraktion hat bereits vor einiger Zeit auf militante Neonazistrukturen in Niedersachsen aufmerksam gemacht, welche überregional vernetzt sind.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ha- ben das ignoriert!)

- Genau, Sie haben das ignoriert.

Bereits in unserem im März 2010 vorgelegten Lagebericht „Neonazismus in Niedersachsen“ haben wir vor den Schulungsgruppen „Close Combat School“ und „Warrior Combat and Survival School“ gewarnt, die Wehrsport- und Nahkampfübungen, getarnt als Schulungen, anbieten. Auch diese Gruppen sind dem Umfeld jener Personen zuzuordnen, die Kontakte zu dem Terrornetzwerk hatten.

Das galt auch für die Rolle der NPD in diesem Zusammenhang. Angehörige des militanten Neonazispektrums haben nachweislich auf NPD-Listen kandidiert, beispielsweise Roman Greifenstein. Er hatte 2008 für die NPD kandidiert und ist Mitbegründer der sogenannten Freien Kräfte Munster. Das gilt auch für das heute in Niedersachsen lebende NPD-Bundesvorstandsmitglied Ricarda Riefling. Riefling ist ein Beispiel für die enge Vernetzung der NPD mit militanten Kräften aus dem Umfeld der sogenannten Freien Kräfte. Sie gilt als neonazistische Allrounderin. Diese Zusammenhänge müssen jetzt im Zuge eines neuen NPDVerbotsverfahrens berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, endlich ein neues NPD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen und dafür die vom Bundesverfassungsgericht gemachten Vorgaben - Abzug aller V-Leute aus NPD-Führungsgremien, aber natürlich auch den anderen - zu erfüllen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist auch an der Zeit, dass Innenminister Schünemann seinen Ladenhüter, der NPD durch eine Grundgesetzänderung die finanziellen Grundlagen

zu entziehen, endgültig und komplett versenkt. Denn das ist ein verfassungsrechtlicher Irrweg.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja Unsinn!)

Meine Damen und Herren, bei allen berechtigten Forderungen nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren müssen wir in der Diskussion aufpassen, dass wir unseren Blick nicht einzig und allein darauf verengen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Wir brauchen beim Kampf gegen Neonazismus, Antisemitismus und Rassismus ein ganzes Paket von Maßnahmen; denn das sind keine extremen Randerscheinungen, sondern etwas, was tief in der Mitte unserer Gesellschaft verankert ist.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, beim Kampf gegen Neonazismus, Antisemitismus und Rassismus bedarf es deshalb einer verstärkten länderübergreifenden Zusammenarbeit, der Auflage eines Landesprogramms gegen Neonazismus, Antisemitismus und Rassismus im Zusammenwirken mit Initiativen der Zivilgesellschaft, des Einsatzes für die Rücknahme der jüngst eingeführten Extremismusklausel, mit welcher gesellschaftlich antifaschistische Bildungsarbeit pauschal kriminalisiert und geschwächt wird, und der Einrichtung einer unabhängigen Beobachtungsstelle Neonazismus, Antisemitismus und Rassismus.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung aus ihrer bisherigen Tatenlosigkeit erwacht, aus ihren Fehleinschätzungen endlich die richtigen Schlüsse zieht und in der richtigen Richtung aktiv wird. Wenn das so ist, meine Damen und Herren, dann können Sie auf unsere Unterstützung zählen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Limburg zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Limburg!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Um eines gleich am Anfang meiner Rede

klarzustellen: Ich unterstelle niemandem in diesem Hause, der gegen ein Verbot der NPD argumentiert, dass er oder sie in irgendeiner Form für die NPD wäre. Das wäre völlig abwegig, meine Damen und Herren.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das sollte sich Bachmann auch mal merken!)

Die Punkte sind andere. Sie, Herr Schünemann, lassen sich von Ihrem Verfassungsschutz einflüstern, dass dieser die NPD ganz gut im Griff habe, dass diese Partei gut beobachtet sei und man deshalb an der momentanen Situation - V-Leute in der NPD; Partei legal - nichts ändern müsse. Sie verbreiten diese Wahrheit als Innenminister dann in der Öffentlichkeit. Sie haben erklärt, Sie bräuchten die V-Leute - bezahlte Nazis; Herr Bachmann hat zu Recht darauf hingewiesen -, um schwere Straftaten zu verhindern bzw. aufzuklären.

Die jüngsten Ereignisse aber haben bewiesen, dass diese Aussagen schlicht falsch sind. Ihre V-Leute haben keinerlei Hinweise auf die rechtsterroristischen Straftaten und Netzwerke geliefert. Keinerlei, meine Damen und Herren!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Auch sonst nicht viele Hinweise!)

Mit Holger Stahlknecht, CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt, muss man zu Recht fragen: Was haben die V-Leute in den letzten zehn Jahren eigentlich gebracht? - In Wahrheit ist es doch so: Ihre V-Leute liefern im Wesentlichen Erkenntnisse, die man auch auf anderen Wegen bekommen kann. Fragen Sie einmal die Journalistinnen und Journalisten, die in dem Bereich tätig sind!

(Heinz Rolfes [CDU]: Da sind keine V-Leute!)

Die sind in der Lage, völlig ohne V-Leute und geheimdienstliche Mittel viel mehr Informationen zu bekommen, als Ihr Verfassungsschutz jemals liefern kann, meine Damen und Herren.