Protokoll der Sitzung vom 18.01.2012

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Oesterhelweg,

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Ja, der ist gut, nicht?)

wenn mich nicht alles täuscht, dann tragen als Chefs im niedersächsischen Umweltministerium und beim Bundesumweltministerium Minister der CDU bzw. der FDP politische Verantwortung. Sie tragen hier ja immer gerne zur Parteimitgliedschaft von Beamten vor. Ich halte zwar nichts davon, hier über die Parteimitgliedschaft von Beamten zu diskutieren, aber da Sie das immer wieder erwähnen,

(Zurufe von der CDU)

will ich an dieser Stelle auch sagen, dass derjenige, der das Papier verfasst hat, in dem es um die kommunikative Vorbereitung der Flutung ging, ein Kommunalpolitiker der CDU ist.

(Oh! bei der SPD - Ah! bei den GRÜ- NEN)

Ich glaube allerdings nicht, dass uns so eine Form der Auseinandersetzung weiterhilft.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Miriam Staudte [GRÜNE]: Da ist er plötzlich ganz still!)

Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass nur die Rückholung am Ende Langzeitsicherheit in der Asse schafft. Das war das Ergebnis einer Untersuchung, die uns vor zwei Jahren vorgelegt wurde. Wir haben es hier mit der größten umweltpolitischen Herausforderung in Deutschland zu tun. Das, was dort geplant ist, ist weltweit noch nie gemacht worden - also Neuland für alle Beteiligten. Wir haben hier ein Beispiel dafür, wie desaströs sich menschliche Fehler auswirken können, welche wahnsinnigen finanziellen Folgen Ignoranz oder auch kriminelle Energie am Ende für unser Gemeinwesen, für den Steuerzahler haben können.

Jetzt liegt der Vorschlag auf dem Tisch, ein AsseRecht zu schaffen, ein neues Gesetz zu beschließen oder einen Sonderstaatssekretär einzusetzen. Meine Damen und Herren, wir haben lange dafür gekämpft, dass Atomrecht statt Bergrecht angewendet wird. Jetzt schlagen Sie ein spezielles Asse-Recht vor. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich habe Zweifel, dass alle Beteiligten mit offenen Karten spielen.

(Ingrid Klopp [CDU]: Das haben wir auch!)

Herr Röttgen und Ihr Vorgänger, Herr Minister Birkner, haben oft Äußerungen getätigt, die anderes vermuten lassen. Ihr Vorgänger hat, als dieses Papier an die Öffentlichkeit kam, erst Krokodilstränen geweint, und am nächsten Tag hat er gesagt: Wir haben schon immer gewusst, dass die Rückholung das Gefährlichste ist, was man machen kann.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist wieder Ihre Verschwörungstheorie!)

Aber, meine Damen und Herren, ich nehme den neuen Minister beim Wort. Von daher werden wir uns mit diesem Vorschlag ernsthaft auseinandersetzen.

Leider haben es die Minister in der Vergangenheit an Klarheit fehlen lassen. Herr Röttgen war z. B. noch nie in der Asse - auch das ist bemerkenswert. Auch die Rolle des Vorsitzenden der ESK, Herrn Sailer, ist durchaus merkwürdig. Meines Erachtens

arbeitet er im Auftrag des BMU an einem Sicherheitsnachweis für die Flutung. Das finde ich merkwürdig, meine Damen und Herren. Darüber hätte ich gerne Klarheit.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Ich befürchte, dass Ihr Asse-Recht, von dem Sie sprechen, am Ende die Sicherheitsstandards für die Langzeitsicherheit absenken soll. Aber das wollen wir auf keinen Fall. Wir brauchen endlich personelle und finanzielle Ressourcen, um mit aller Kraft die Rückholung vorzubereiten. Auch das wurde in der Vergangenheit oft verweigert. Wir brauchen eine Prozessplanung, die sicherstellt, dass nicht nacheinander, sondern parallel alle Aufgaben angegangen werden. Von der Anlage eines weiteren Schachtes über die Beseitigung der Laugen, die im Weg stehen, die Vorbereitung der Anbohrung und die Vorbereitung der Technik, die wir brauchen, um es herauszuholen, bis zur Ausbildung und Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Alles muss angegangen werden.

Außerdem brauchen wir teilweise die Anwendung von Gefahrenrecht im Atomgesetz, aber keine Senkung der Sicherheitsstandards für die Langzeitsicherheit. Das darf nicht sein.

Meine Damen und Herren, auch wenn es vielleicht nicht gelingt, 100 % der Fässer herauszuholen: Jedes Fass, das herauskommt, ist ein Sicherheitsgewinn.

Ich sage Ihnen in Bezug auf diesen ganzen Prozess auch - da spreche ich auch Herrn Oesterhelweg an und die Art und Weise sowie die Haltung, mit der er hier eben vorgetragen hat -:

(Hans-Heinrich Ehlen [CDU]: Die war gut!)

Wir haben viele Akteure in diesem Spiel, die die Kraft zur Blockade haben. Aber wir werden die Rückholung nur bewerkstelligen, wenn endlich alle an einem Strang ziehen und gemeinsam versuchen, diese Herausforderung zu bewältigen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich erteile jetzt dem neuen Minister, Herrn Dr. Birkner, das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel der Landesregierung war und ist es, dass die Abfälle, also die 126 000 Fässer, aus der Asse herausgeholt werden können, so wie es das BfS in seiner Studie auch vorgeschlagen hat.

Klar ist auch, dass dies natürlich kein Selbstzweck ist, sondern dass wir als Landesregierung hier die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen vertreten. Dies haben wir getan und werden wir auch künftig sehr vehement gegenüber der Bundesregierung, aber auch gegenüber dem Bundesamt für Strahlenschutz tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ob und inwieweit es am Ende gelingen wird, die Abfälle aus der Asse herauszuholen, wird sich noch zeigen. Das Ziel ist aber klar. Die Frage der Rückholbarkeit muss endlich geklärt werden, und deshalb ist es auch so wichtig, dass wir mit der Faktenerhebung endlich vorankommen.

In diesem Zusammenhang sind meines Erachtens vier Punkte von besonderer Bedeutung:

Erstens. Die Landesregierung stellt natürlich auch weiterhin sicher, dass unter Einhaltung des geltenden, des bestehenden Rechts zügig und möglichst pragmatisch gearbeitet werden kann - so wie wir das auch schon bisher getan haben, beispielsweise bezüglich der Anbohrung der Kammer 7.

Genau daran zeigt sich auch das Dilemma. Das Atomrecht - wir kommen vom Bergrecht, Herr Wenzel; Sie haben darauf hingewiesen - schreibt eben vor, dass wir mit hohen Standards herangehen, dass es eine kerntechnische Anlage ist und dass wir es quasi wie ein Kernkraftwerk behandeln. Das Bergrecht war zu schwach; das ist auch keine Frage. Aber aus diesen Zwängen des Atomrechts heraus müssen wir dann auch entsprechende Auflagen machen, die dem BfS - gelegentlich auch zu unserer Überraschung - offensichtlich mehr Schwierigkeiten machen, als zu erwarten war.

Dahinter ist also alles andere als eine Hinhaltetaktik oder ein Verzögerungsversuch der Landesregierung oder des Umweltministeriums und der Kolleginnen und Kollegen zu vermuten. Vielmehr ist ganz konkret das Ziel, die Dinge pragmatisch abzuarbeiten. Das werden wir auch künftig so tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens. Wir haben festgestellt, dass es offensichtlich zu Schwierigkeiten führt und dass hier die Dinge beschleunigt werden müssen. Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, dass wir ein AsseGesetz bekommen - ein Asse-Gesetz, das, ohne zulasten der Langzeitsicherheit zu gehen, die Dinge regelt, die bei der Asse speziell sind. Es geht darum, die atomrechtlichen Anforderungen, die man für eine kerntechnische Anlage, aber eben nicht für die Situation in der Asse braucht, durch ein Asse-Gesetz zu flexibilisieren und unverhältnismäßige und übertriebene rechtliche Anforderungen zurückzufahren.

Dann sind Verwaltung und Ministerium auch in der Lage, diese gewünschte Flexibilisierung in tatsächliches Handeln umzusetzen. Alles andere würde am Ende dazu führen, dass man ständig sagt: Flexibilisiert doch bitte - nach unserer Auffassung dann unter Umgehung des geltenden Rechts. Das bedeutet nichts anderes, als Verantwortung auf die Verwaltung zu schieben - Verantwortung, die bei der Politik liegen muss. Dieser Verantwortung muss Politik gerecht werden, indem sie ein entsprechendes Gesetz verabschiedet und deutlich macht, wie das hier konkret zu laufen hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Drittens. Wir setzen darauf, dass wir eine konzentriertere und stärkere politische Steuerung des gesamten Prozesses bei der Asse benötigen. Ich greife das gerne auf. Wir brauchen eine Lenkungsgruppe, bestehend aus den Staatssekretären des BMU sowie des niedersächsischen Umweltministeriums, also meines Hauses, und dem Präsidenten des BfS, aber auch unter Einbeziehung des Landkreises Wolfenbüttel, also ganz konkret des Landrates Herrn Röhmann,

(Zuruf von der LINKEN: Und der Bür- gerinitiative!)

damit hier auch die regionale Einbindung gegeben ist. Der Landrat ist ja auch Vorsitzender der AsseII-Begleitgruppe.

(Victor Perli [LINKE]: Die Bürgerinitia- tive muss aber auch einbezogen wer- den!)

Viertens. Bei dem gesamten Prozess und auch in der politischen Auseinandersetzung muss deutlich werden - diesen Punkt sollten wir uns alle auf die Fahne schreiben, meine Damen und Herren -, dass alle Beteiligten konstruktiv und am selben Ziel orientiert arbeiten. Bei der Asse ist in der Vergangenheit leider bereits allzu viel Vertrauen verspielt

worden. Ich denke, dass wir diesen Fehler nicht wiederholen dürfen, sondern jetzt wirklich an einem Strang ziehen müssen und auch sehen müssen, dass das Thema aus der politischen Kampfzone herauskommt.

Ich werde mich, um auch selbst einen Beitrag dazu leisten zu können, natürlich höchstpersönlich weiter um dieses Thema kümmern. Insbesondere werde ich am Samstag - es ist bereits genannt worden -, quasi an dem ersten möglichen Termin, der dafür gegeben ist, in die Asse einfahren und die ersten Gespräche vor Ort führen.

Ich denke, dass wir dann, wenn wir unter Berücksichtigung dieser Punkte und vielleicht auch weiterer Punkte dieses Thema jetzt wirklich konstruktiv gemeinsam voranbringen, den Bürgerinnen und Bürgern in der Region gerecht werden und ihre berechtigten Interessen angemessen berücksichtigen. Die Landesregierung wird das wie bisher tun.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zum Punkt 4 a liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich rufe nun wie verabredet die Punkte 4 c und 4 e gemeinsam auf:

Tandem Wulff/McAllister - Herr Ministerpräsident, was haben Sie gewusst? - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4382