Protokoll der Sitzung vom 18.01.2012

(Björn Thümler [CDU]: Nein! Ich ma- che weiter!)

- Nicht! Dann haben Sie jetzt noch einen Moment Zeit.

Meine Damen und Herren, jetzt noch kurz zu den Grünen. Sie haben ebenfalls einen umfangreichen Fragenkatalog gestellt. Frage:

„Hatten Geerkens steuerrechtlich eine Zugewinngemeinschaft, eine Gütertrennung, eine Gütergemeinschaft oder eine andere Rechtsform nach Schweizer Recht gebildet?“

Abgesehen davon, dass die Landesregierung diese Frage aus rechtlichen Gründen nicht beantworten darf: Woher um Himmels Willen soll die Landesregierung denn wissen, ob nach Schweizer Recht oder anderem Recht, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Christian Meyer [GRÜNE])

Herr Kollege, jetzt sagen Sie bitte Ihren letzten Satz!

Angesichts dessen muss sich die Opposition schon die Frage gefallen lassen, ob sie ihrem erklärten Ziel, Schaden vom Amt des Bundespräsidenten abzuwenden, mit ihrem Verhalten wirklich dient. Ich habe daran meine Zweifel.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE erteile ich nun Herrn Kollegen Adler das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Kann nicht erst Herr Meyer sprechen? Der ruft stän- dig dazwischen!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Übernahme von Hotelkosten wie bei der Reise zum Oktoberfest nach München, die Gewährung eines Darlehens zu vergünstigten Zinsen, die Übernahme von Anzeigenkosten für ein eigenes Buch, ein Upgrade für einen Flug, die kostenlosen Urlaubsaufenthalte - alles das sind Geschenke, die ein Beamter nicht annehmen darf;

(Beifall bei der LINKEN)

ein Minister auch nicht, wenn das Geschenk nicht privater Natur ist, wie z. B. ein Geburtstagsgeschenk, sondern in Bezug auf das Amt gewährt wird. Was heißt „in Bezug auf das Amt“? - Einen Kommentar zum Ministergesetz habe ich in unserer Bibliothek nicht gefunden. Es ist aber auch gar nicht so schwierig, diese Frage zu beantworten, weil sich diese Frage genauso im Beamtenrecht stellt. Dazu gibt es einen Runderlass dieser Regierung. In dem Runderlass über die Annahme von Belohnungen und Geschenken vom 1. September 2009 heißt es:

„In Bezug auf das Amt ist ein Vorteil immer dann gewährt, wenn die zuwendende Person sich davon leiten lässt, dass die Beamtin oder der Beamte ein bestimmtes Amt bekleidet oder bekleidet hat. Ein Bezug zu einer bestimmten Amtshandlung ist nicht erforderlich.“

Also mit anderen Worten: Wenn ein Geschenk so gewährt wird, dass es an den Beschenkten deshalb gewährt wird, weil er Minister oder Ministerpräsident ist, und nicht aus privaten Gründen, dann darf der Minister oder Ministerpräsident es nicht annehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage ist im Grunde genommen auch gar nicht so schwierig zu beantworten, weil wir uns an dem orientieren können, was der Bundespräsident - nein, der ehemalige Ministerpräsident - selbst hier im Januar im Landtag gesagt hat. Dort war er nämlich auf das Upgrade für das Flugticket angesprochen worden. Damals hat er auf die Anfrage des Abgeordneten Wenzel ausgeführt:

„Aber auf Ihre Frage“

- nämlich ob es ein Verstoß gegen das Ministergesetz war -

„antworte ich klar mit Ja.“

„Ich denke, das ist, objektiv gesehen, ein Verstoß gegen das Ministergesetz.“

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Da hatte er ausnahmsweise recht!)

Wegen der Sicherheitsargumente habe er das aber nicht erkannt. - So hat er sich damals herausgeredet. Deshalb blieb es bei dieser Selbstkritik, die auch sehr reumütig vorgetragen worden war. Wir erinnern uns, glaube ich. Das war im Januar 2010.

Gerade mal zwei Monate später nimmt er aber die nächste Vergünstigung in Anspruch, und zwar den Kredit der BW-Bank zu Zinsen, die sonst kein anderer Sterblicher bekommt. Die BW-Bank hat in diesem Zusammenhang selbst von „gehobenem Privatkunden“ gesprochen. Sie hat damit mit anderen Worten also zum Ausdruck gebracht: Hier kriegt jemand etwas extra, weil er ein besonderes Amt hat. - Der Bezug zum Amt ist hier also offensichtlich. Das Ganze nur zwei Monate später, nachdem er vorher einen Verstoß gegen das Ministergesetz eingeräumt hatte.

Wissen Sie, woran mich das erinnert? - Das erinnert mich an einen Straftäter, der vor Gericht mit einem blauen Auge davongekommen und zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden ist. Wenn er zwei Monate später wieder eine Straftat begeht, nennt man ihn in der Strafjustiz „Bewährungsversager“.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ja, Herr Wulff ist ein Bewährungsversager hinsichtlich der Verstöße gegen das Ministergesetz.

Welche Sanktionen gibt es nun beim ersten, zweiten, dritten oder vierten Verstoß? - Gar keine. Jeder Beamte bekommt ein Disziplinarverfahren. Bei wiederholten Verstößen bekommt er natürlich eine höhere Disziplinarstrafe. Der ehemalige Ministerpräsident aber erhält keine Bestrafung. Das ist unerträglich!

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der jetzt noch im Rechtsausschuss beraten wird. An diesem Gesetzentwurf müssen auch wir selbst zugegebenermaßen noch etwas nachbessern. Das Problem aber haben wir angesprochen. Wir brauchen eine Sanktionsmöglichkeit auch für solch einen Fall. Deshalb haben wir auch

beantragt, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dazu kommen wir aber noch.

Eines will ich noch sagen: Der Bundespräsident hat in seinem Interview gegenüber ARD und ZDF wörtlich gesagt:

„Dann ist es jedem freigestellt, den Staatsgerichtshof anzurufen.“

Etwas Ähnliches hat auch Herr Thümler gesagt. Ja, kennen Sie denn gar nicht die Niedersächsische Verfassung? - Es ist nicht jedem möglich, den Staatsgerichtshof anzurufen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Noch nicht einmal einer Fraktion ist dies möglich. Noch nicht einmal der Hälfte dieses Hauses ist dies möglich. Eine Zweidrittelmehrheit ist für das Verfahren der Ministeranklage erforderlich. Die Hürde ist so hoch, dass dies noch nie praktische Anwendung gefunden hat.

(Jens Nacke [CDU]: Es gibt keinen Antrag, Herr Adler! Stellen Sie mal ei- nen! - Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)

- Dann stimmen Sie dem zu! Mit Zweidrittelmehrheit machen wir das Verfahren einer Ministeranklage. Wunderbar. Wenn wir uns darauf verständigen würden, wäre das eine Lösung des Problems.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Wulff kann auch Selbstanzeige machen!)

- Bitte schön! Darauf können wir uns verständigen.

Wissen Sie, das Ganze, was wir hier erleben, ist eine Krise der politischen Institutionen. Diese Krise der politischen Institutionen hängt damit zusammen, dass jahrelang eine Politik verfolgt wurde, die den Eigennutz als stimulierendes Moment der wirtschaftlichen Entwicklung nahezu beschränkungslos gefördert hat. Wenn dann auf einmal ein Minister nach diesem Prinzip handelt und sich aufgrund seines politischen Amtes persönliche Vorteile zuschanzen lässt, dann darf man sich nicht wundern. Nur: Die Bevölkerung akzeptiert das nicht mehr. Und das ist gut so.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion das Wort. Herr Kollege Dürr, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Von der Würde des Amtes ist in den vergangenen Wochen viel gesprochen worden, und das bei Weitem nicht nur von Politikern von Union und FDP. Ich möchte einige Beispiele dazu anführen. Der Kollege Stefan Schostok schreibt am 22. Dezember 2011 in einer Pressemitteilung vom „Interesse der Würde des Amtes des Bundespräsidenten“. Stefan Wenzel unterstreicht am 11. Januar 2012 in der Welt die Würde des Amtes. Im Deutschlandfunk sagt am 5. Januar dieses Jahres der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, es gehe ihm um die Würde des Amtes. Er befürchte eine nachhaltige Beschädigung dieses Amtes. Vor gut einer Woche beschließt der Bundesvorstand der Grünen in Wörlitz eine Erklärung, in der es ebenfalls um die Würde und die Verantwortung des Amtes des Bundespräsidenten geht.

Herr Kollege Wenzel, Sie haben am 6. Januar 100 Fragen an die Landesregierung gestellt. Wissen Sie, was ich mich als erstes gefragt habe, bevor ich mir Ihre Fragen durchgelesen habe? - Ich habe mich gefragt: Warum genau 100 Fragen? Warum nicht 96 oder 114 Fragen? - Ich frage mich: Wie läuft das bei Ihnen eigentlich ab, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Lachen bei der SPD - Olaf Lies [SPD]: Mit was beschäftigen Sie sich eigentlich? Das ist doch unglaublich! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Was für ein Bekenntnis zur Aufklärung ist es, wenn es am Ende des Tages weniger um Aufklärung und Klärung als vielmehr um PR geht?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn es jemanden gibt, der in den vergangenen Wochen durch die Art und Weise, in der er sich öffentlich gegeben hat, und durch die Art und Weise - der Kollege Thümler hat es vorhin deutlich gemacht -, in der er die Fragen an die Landesregierung gestellt hat, deutlich gemacht hat, dass er sich für die Würde des Amtes überhaupt nicht interessiert, dann waren dies SPD und Grüne.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)