Frau Heinen-Kljajić, ich weiß jetzt nicht genau, um welche Statistik es geht. In Bayern war es aber immer so, dass nicht gemessen wird, wie die Studenten in die Hochschule gekommen sind, sondern ob sie berufliche Qualifikationen hatten. Da in Bayern viel weniger Abitur machen und viel über den zweiten Bildungsweg geschieht, ist das kein Indiz dafür, dass die Tore dort weiter offen sind und dass es besser funktioniert. Ich würde sogar sagen: Im Gegenteil!
Erstens. Es ist völlig klar, dass die übliche Organisation an Hochschulen - klassisches Vollzeitstudium - dem nicht gerecht wird. Das bedeutet tatsächlich einen Kulturwechsel in den Hochschulen. Das bedeutet Lehrveranstaltungen in den Abendstunden und an den Wochenenden. Es ist wirklich schwierig, dies zu realisieren.
Aber die Hochschulen sind auch deswegen dazu bereit, weil sie alle rechnen können. Sie alle wissen, wie die Zahl der potenziellen Studenten in Niedersachsen in sieben oder acht Jahren aussieht. Dann ist es zum Teil eine existenzielle Frage, dass eine Hochschule, die nun nicht gleich überlaufen ist, ihre Tore öffnet. Deswegen ist die Bereitschaft ausgeprägt.
Zweitens. Die Hochschulen müssen das auch nicht alle im Geleitzug gleichmäßig machen. Die Fachhochschulen sind naturgemäß jetzt als Erste daran interessiert. Andere Hochschulen wie die Elite
Universität Göttingen müssen das im Moment nicht als Schwerpunkt nehmen. Es ist für sie auch ein Thema. Aber die Hochschulen können unterschiedlich darauf reagieren.
Drittens: Anrechnungspraxis. Ich halte es für grundfalsch, das zu tun, was die Kammern fordern und was auch hier vom Pult aus gesagt wurde. Ich halte es wirklich für grundfalsch, Riesenkataloge zu entwerfen, was wie angerechnet wird. Ich will Ihnen das kurz illustrieren. Wenn jemand z. B. einen Beruf im Bereich Heizung, Lüftung, Sanitär erlernt hat, können ihm die Dinge, die er praktisch gelernt hat, angerechnet werden, wenn er z. B. Elektrotechnik studiert. In seinem Beruf hat er damit sicher auch sehr viel zu tun. Wenn er Physikalische Technik studiert, wird ihm auch etwas angerechnet, aber vielleicht etwas anderes. Und wenn er Elektrotechnik studiert, kommt es darauf an, ob er sich für Nachrichtentechnik oder Automatisierungstechnik entschieden hat.
Wenn Sie jetzt einen Katalog für alle Studienangebote und alle Berufe aufstellen wollen, dann können Sie jahrelang Mitarbeiter beschäftigen, die Regeln erarbeiten. Der Witz dabei ist: Es muss individualisiert geschehen. Das heißt, die vorhandenen beruflichen Qualifikationen müssen mit wenigen Größen bewertet werden. Es muss festgelegt werden, was für Credits ein IHK-Abschluss wert ist etc.
Dann muss geguckt werden, was derjenige studieren will. Die IHK-Forderung nach großen Kompendien werden wir und will ich nicht erfüllen, weil ich sie für grundfalsch halte. Unser Haus hat einen kleinen Katalog erstellt, eine Orientierung für junge Leute. Darin steht z. B., dass man als Tischler oder Landschaftsplaner Design studieren kann. Das wird also sehr locker und praxisnah beschrieben. Das halte ich für außerordentlich wichtig.
Jetzt komme ich zu einem Punkt, der zwar nicht ganz zum Thema gehört, auf den ich aber eingehen will, weil Frau Andretta da ein bisschen bösartig war - bösartig gegenüber der KMK, nicht persönlich. Es geht um den DQR, den Deutschen Qualifikationsrahmen. Zu der Zeit, als Bernd Althusmann Präsident der Kultusministerkonferenz war, haben wir hier in Hannover einen schon vorher diskutierten Beschluss gefasst. Die Kultusministerkonferenz hat einstimmig - auch mit den Stimmen aller SPD-Kollegen, von Frau Ahnen u. a. - beschlossen: Wir wollen, dass eine dreijährige berufliche Ausbildung bei der Einordnung mit dem Abitur gleichgesetzt wird. Diesen Beschluss
haben wir gefasst, bevor die Wirtschaft mit ihren Forderungen kam. Diese Gleichstellung hatte also bei uns schon immer das Primat.
Jahrelang haben wir bei jedem OECD-Vergleich von der Wirtschaft zu hören bekommen - das haben wir auch wirklich verinnerlicht -, dass eine duale Berufsausbildung in Deutschland hohe Qualität hat und dass sie zum Teil mehr wert ist als gewisse Abschlüsse in anderen Ländern; ich will jetzt keine Länder nennen. Wir beide und eigentlich alle Kollegen verstehen nicht, dass es jetzt bei der Einsortierung heißt: Wir wollen das auf Stufe 4 haben, nicht besser als in Frankreich, in Polen oder woanders. - Ich kapiere das überhaupt nicht, wir allesamt kapieren das überhaupt nicht. Das ist der Ärger dabei: nicht das Abitur auf Stufe 5, sondern beides auf gleicher Stufe, beides auf Stufe 5, das wäre die richtige Entscheidung gewesen.
Ich finde es großartig, dass es möglich ist, zu einem solchen Thema wie Offene Hochschule eine gemeinsam getragene Entschließung einzubringen. Sie können gewiss sein, dass ich der festen Meinung bin: Man kann es nicht verordnen.
Wie setzt man das landesweit um? - Da braucht man eine Geschäftsstelle oder eine Koordinierungsstelle.
Baden-Württemberg hat sich das ganz einfach gemacht. In Baden-Württemberg, Frau HeinenKljajić, wurde einfach entschieden: Die Geschäftsstelle wird beim Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft angesiedelt. - So einfach, so schnell kann man entscheiden.
Wir wollen aber eine Lösung im Konsens mit allen Beteiligten. Dafür hat es ziemlich viele Diskussionsrunden gebraucht. Dem jetzt vorliegenden Konzept haben alle Präsidenten zugestimmt. Wir haben es mit dem Vorstand der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung diskutiert, und es wird akzeptiert. Wir haben Gespräche mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden geführt.
Wenn die Offene Hochschule wirklich funktionieren soll, müssen alle mitziehen. Das ist außerordentlich kompliziert. Da kann man nicht sagen, die Erwachsenenbildung ist die Scharnierstelle. Wenn die Wirtschaft nicht mitzieht, wenn es für die Leute keine tariflichen Möglichkeiten gibt, dann sind zwar die Tore der Hochschulen offen, aber Leute werden nicht kommen. Deswegen kann es nur funktionieren, wenn die Hochschulen, die die Angebote machen, die Erwachsenenbildung als Schnittstelle
zur Schulbildung und zur beruflichen Bildung, die Gewerkschaften - in Bezug auf tarifliche und sonstige Regelungen, z. B. zur Freistellung - und die Arbeitgeberseite - nicht nur, aber auch unter finanziellem Aspekt - zusammenwirken. Deswegen haben wir uns Zeit genommen und gesagt: Eine Lösung haben wir erst, wenn alle sie akzeptieren. Denn nur diese hohe Akzeptanz sichert, dass das Konzept tatsächlich umgesetzt wird.
Ich bedanke mich für den Antrag. Ich denke, wir sind da auf einem guten Weg. Bis jetzt funktioniert es nirgendwo in Deutschland. Wir müssen da dicke Bretter bohren. Wir sollten gemeinsam den Ehrgeiz haben, das in Niedersachsen zu schaffen.
Zunächst lasse ich über die Nr. 1 der Beschlussempfehlung abstimmen. Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/3303, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/3527 und den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/3562 in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Die Beschlussempfehlung hat eine Mehrheit gefunden.
Jetzt lasse ich über die Nr. 2 der Beschlussempfehlung abstimmen. Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/3512 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.
Abschließende Beratung: Für eine neue Bleiberechtsregelung - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4129 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und
Wir treten jetzt in die Beratung ein. Dazu erteile ich der Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im November letzten Jahres hat meine Fraktion den heute hier zur Debatte stehenden Antrag „Für eine neue Bleiberechtsregelung“ mit zwei Zielrichtungen eingereicht:
Erstens. Die Landesregierung sollte sich auf Bundesebene für die Schaffung einer neuen Bleiberechtsregelung einsetzen, bei der humanitäre und grundrechtliche Erwägungen den Vorzug vor Nützlichkeitskriterien und Kostenkalkülen erhalten.
Zweitens. Angesichts des drängenden Handlungsbedarfs sollte sich die Landesregierung im Rahmen der Innenministerkonferenz im Dezember letzten Jahres für eine sofortige Übergangsregelung einsetzen, mit der ein zum Jahreswechsel eintretender Rückfall von Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ in die Duldung bzw. deren Abschiebung verhindert wird.
Beide Punkte sind trotz der durchweg zustimmenden Stellungnahmen im Rahmen des schriftlichen Anhörungsverfahrens des Ausschusses zu unserem Antrag - leider hatten CDU und FDP eine mündliche Anhörung verweigert - weiterhin ungeklärt.
- die Frage hat sich gerade erledigt - die Tatsache, dass Herr Schünemann bei dieser wichtigen Debatte nicht anwesend ist?
Frau Flauger, es kann vorkommen, dass auch ein Innenminister zu spät kommt. Wichtiger ist mir, dass er so manche Dinge einmal bemerkt und darüber nachdenkt.