Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

(Zustimmung bei der CDU - Sigrid Leuschner [SPD]: Das stimmt!)

Deswegen haben wir, CDU und FDP, bei den Haushaltsberatungen eine Initiative mit dem Ziel ergriffen, diesen Zugang zu ermöglichen. Diese Initiative wird aus meiner Sicht langfristig ganz hervorragende Früchte für die Integration tragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Abschließend möchte ich noch sagen, dass es - unabhängig davon, ob man eine sehr weitgehende Bleiberechtsregelung auf den Weg bringt, wie dies von der Linksfraktion gefordert wird, oder ob man den Abwägungsprozess vielleicht stärker in den Mittelpunkt stellt, wie es von uns als FDP-Fraktion bevorzugt wird - immer Einzelfälle geben wird, die von einer solchen Bleiberechtsregelung nicht erfasst werden können.

Dafür haben wir in Niedersachsen die Härtefallkommissionsverordnung und die Härtefallkommission. Ich glaube, dass wir über die Frage der Ausgestaltung dieses das Recht ergänzenden Gnadenrechts in Zukunft noch diskutieren müssen und werden. Der Innenminister hat dazu eigene Vorschläge vorgelegt, die ich zum Teil sehr gut finde.

Die Anträge, die heute vorliegen, können wir nicht unterstützen. Dennoch sind auch wir als FDPFraktion der Überzeugung, dass wir im Bereich der Bleiberechtsregelung liberalere Gesetze brauchen.

(Beifall bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dann setzt euch durch! Das Zehn-Punkte-Programm ist gut, aber ihr müsst euch auch durchsetzen!)

Mir liegt jetzt noch die Wortmeldung von Herrn Minister Schünemann vor. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland kann man im Grundsatz auf zwei Wegen erreichen: zum einen als anerkannter Flüchtling. Dann ist völlig klar, dass es überhaupt keine Argumente dafür gibt, sich den Fall aus sozialen, finanziellen oder sonstigen Gründen anzuschauen. Wer staatlich verfolgt ist, muss ein Aufenthaltsrecht auf Dauer bekommen. Das ist so festgesetzt, und darüber muss man überhaupt nicht diskutieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zum anderen gibt es die gesteuerte Zuwanderung. Mit Genehmigung kann man aus gewissen Gründen - zum Studium, Familiennachzug oder auch zur Arbeitsaufnahme - ein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen.

Daneben gibt es diejenigen, die nach Deutschland kommen, aber keine Anerkennung als Flüchtlinge bekommen. Über die reden wir jetzt. Sie sind danach zwingend ausreisepflichtig. Mit Bezug auf den Begriff „Duldung“ wird es immer so dargestellt, als wenn der Staat deren Aufenthalt duldet. Das ist aber nicht der Fall, sondern sie sind zwingend ausreisepflichtig.

Es gibt aber einige Gründe, warum sie nicht ausreisen können - leider ist es oft so, dass diese Gründe auch von ihnen selber herbeigeführt sind -, wenn z. B. die Pässe nicht beigebracht werden und die Identität verschleiert worden ist. Hier in diesem Hause können wir natürlich darüber streiten - der richtige Platz dafür ist allerdings der Bundestag, weil dort die Gesetze beschlossen werden -,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

ob wir diesen Zustand tolerieren wollen und sagen, dass sie, wenn sie es geschafft haben, über einen gewissen Zeitraum hierzubleiben, grundsätzlich hierbleiben können, auch wenn sie die Pässe nicht herbeigeschafft oder getäuscht haben, oder ob wir sagen: Nein, das kann nicht gesteuerte Zuwanderung sein. Das hat auch nichts mit Gerechtigkeit zu tun. - An diesem Punkt haben wir wahrscheinlich unterschiedliche Bewertungen.

Meine Damen und Herren, Sie können sich anschauen, wie der Umgang mit denen, die aus humanitären Gründen schon viele Jahre in Deutschland geblieben sind, in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren weiterentwickelt worden ist. Die letzte der vielen Bleiberechtsregelungen stammt aus dem Jahre 2009 und wurde jetzt verlängert.

Von Frau Zimmermann habe ich gehört, dass ein Bleiberecht an ganz hohe Hürden geknüpft sei und man eigentlich gar keine Chance habe, das Bleiberecht zu erreichen. Tatsächlich sieht die Regelung vor, dass man sich nur bemühen muss, den Lebensunterhalt selbst zu gewährleisten. Man muss sich nur bemühen, man muss noch nicht einmal einen Arbeitsplatz haben, man muss also nur nachweisen, dass man zur Agentur für Arbeit gegangen ist und sich ernsthaft um Arbeit bemüht hat, und schon dann kann man hierbleiben. Dennoch wird hier dargestellt, dass das eine Regelung sei, die man überhaupt nicht erfüllen kann.

Meine Damen und Herren, das will ich deutlich sagen: Wenn man sich noch nicht einmal um einen Arbeitsplatz bemüht, dann - das gebe ich allerdings zu - kann man kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in unserem Land bekommen.

(Beifall bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Das gilt auch für Linke!)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Zimmermann?

Gern.

Danke schön, Herr Schünemann. - Wie soll eine alleinstehende Mutter es Ihrer Meinung nach hinbekommen, ihren Unterhalt zumindest zum Teil herbeizuschaffen?

Meine zweite Frage ist: Wie kann es sein, dass Menschen abgeschoben werden, weil sie ihren Unterhalt nur zu einem bestimmten Teil selber erbringen können und daher dennoch Zugriff auf Sozialkassen nehmen müssen? - So etwas ist doch passiert. Sie stellen es jetzt so dar, als müsste man nur zum Arbeitsamt gehen und sich als Arbeit suchend eintragen, und wenn man dann keine Arbeit bekommt, ist das nicht so schlimm. Aber so ist es ja in Wirklichkeit nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe Ihnen die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Bleiberechtsregelung 2009 dargestellt. Diese Regelung haben wir jetzt verlängert. All diese 20 000 oder 30 000, die zwar unter die Bleiberechtsregelung gefallen sind, aber es noch nicht geschafft haben, müssen seit 2009 nur - da können Sie reden, was Sie wollen - das Bemühen nachweisen. Aber wenn man das nicht schafft, meine Damen und Herren, dann kann ich nur sagen: Dann müssen sie auch tatsächlich ausreisen. Wenn es dann schwierige Situationen gibt, stellen Sie es in der Öffentlichkeit zwar immer so dar, als wenn der Innenminister völlig inhuman wäre. Aber ich sage: Wenn man sich noch nicht einmal darum bemüht, dann stehe ich auch dazu, dass ausgereist werden muss.

(Beifall bei der CDU - Hans-Henning Adler [LINKE]: Der Stichtag ist doch gar nicht verlängert worden!)

- Ich habe Ihnen die Regelung von 2009 dargestellt. - Ich bin mit meiner Rede noch nicht fertig. Bleiben Sie doch ruhig! Immer wenn ich Ihnen die Fakten darstelle, werden Sie plötzlich nervös. Das kann ich gar nicht verstehen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Ich bin überhaupt nicht nervös!)

Bisher war es doch eine ruhige Diskussion.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Gut, machen wir weiter! - Zuruf von Pia- Beate Zimmermann [LINKE])

Es wäre jetzt wirklich sinnvoll, den Herrn Minister ausführen zu lassen. - Bitte schön!

2005 ist im Zuwanderungsrecht - übrigens von Rot-Grün beschlossen - aus humanitären Gründen festgelegt worden, eine weitere Möglichkeit zu schaffen: Wenn all das, was wir rechtlich vorsehen, nicht funktioniert, dann hat man die Möglichkeit einer Petition oder eines Härtefallersuchens. Deshalb hat Niedersachsen seit vielen Jahren eine Härtefallkommission. In der Öffentlichkeit wird zwar darüber diskutiert, ob wir im Vergleich zu anderen Bundesländern strenger sind, aber die Fakten sagen etwas anderes: In Niedersachsen werden mittlerweile mehr als 60 & der Härtefallersuchen anerkannt. In Nordrhein-Westfalen hingegen sind es nur 26 %. Meine Damen und Herren, wenn man sich die Fakten vorlegen lässt, stellt man fest, dass all die Angriffe, die von Ihrer Seite kommen, durch nichts zu belegen sind.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Bei Ihnen kommt man ja gar nicht bis zur Härtefall- kommission!)

Nun mag man sich ja über das unterhalten, was jetzt aus Schleswig-Holstein kommt und was in Teilen von der FDP und der SPD auch diskutiert wird, nämlich ob wir in Zukunft auf eine Stichtagsregelung verzichten, nach dem Motto: Wer sechs oder acht Jahre lang hier in Deutschland geblieben ist, der hat die Möglichkeit, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu bekommen.

Ich bin da allerdings sehr kritisch; denn hat das wirklich noch etwas mit Steuerung zu tun? Hat das wirklich noch etwas mit den Kriterien zu tun, die wir bisher gehabt haben? - Ich bin durchaus offen, darüber nachzudenken. Wenn die Kriterien so bleiben, wie sie sind, wenn man sich also nicht nur bemühen muss, sondern wenn Lebensverhältnisse gegeben sein müssen, dass man auf Dauer hier bleiben kann, wenn man integriert sein muss und anderes, dann können wir über vieles reden. Deshalb habe ich ja auch den § 25 a mit initiiert. Mir kommt es darauf an, die Jugendlichen hier zu haben. Sie dürfen nicht wegen ihrer Eltern in irgendeiner Weise mit in Haftung genommen werden.

Aber in unserem Rechtsstaat, meine Damen und Herren, ist es schon noch so, dass man, wenn man gegen ihn verstößt, diese Verstöße nicht im Nachhinein sanktioniert werden können. Dazu gibt es übrigens höchstrichterliche Beschlüsse. Wenn man den Rechtsstaat ernst nimmt, dann darf man diejenigen, die im Prinzip einen Rechtsverstoß begehen, nicht besser stellen als diejenigen, die sich an Recht und Gesetz halten. Das ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, alles in allem haben wir in Deutschland ein Zuwanderungsrecht, das nicht nur die Zuwanderung steuert, sondern das auch die humanitären Gesichtspunkte mit im Blick hat. Natürlich kann man immer über Veränderungen und Reformen nachdenken. Die Gesellschaft verändert sich.

Aber was ich an dieser Stelle nur sagen möchte, ist, dass wir weder in Niedersachsen noch in Baden-Württemberg oder in Nordrhein-Westfalen erstens das Recht anders auslegen können und zweitens es so darstellen können, als wenn diejenigen, die das Recht umsetzen, inhuman seien. Dieser Vorwurf ist wirklich nur schwer erträglich, und das sollten Sie wirklich sein lassen. Mir als Innenminister mögen Sie das in der politischen Auseinandersetzung vorwerfen. Aber bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesem Bereich tätig sind, sollten Sie es wirklich lassen, weil es schlicht nicht die Wahrheit ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zusatzfrage von Frau Polat?

Von Frau Polat immer gerne.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Ich wollte reden!)

- Sie wollen reden? - Das kann ich nicht entscheiden.

Frau Polat, das müssen Sie dann schon etwas anders signalisieren. Sie müssen sich um zusätzliche Redezeit bemühen - dafür gibt es den § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung -, und zwar mit einer Wortmeldung.

(Jens Nacke [CDU]: Und diesen klei- nen Zettelchen!)

Ich nehme Ihre Wortmeldung jetzt gleichwohl zur Kenntnis, Frau Polat, aber zunächst hat Herr Adler nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung das Wort. Er bekommt eine zusätzliche Redezeit von anderthalb Minuten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, die Wirklichkeit ist manchmal ein bisschen komplizierter, als Sie es gerade dargestellt haben. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel aufzeigen:

Flüchtlinge aus Syrien kurdischer Volkszugehörigkeit, manchmal jesidischer Religionszugehörigkeit sind hierhergekommen und vielleicht im Einzelfall auch einmal nicht als Flüchtlinge anerkannt worden. Trotzdem konnte man sie nicht abschieben.

Dann hat es ein Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit dem Assad-Regime in Syrien gegeben, wonach die Abschiebungen ermöglicht wurden. Aber trotzdem ist es nicht zu Abschiebungen gekommen, weil wegen der bekannten Ereignisse gegenwärtig nicht abgeschoben wird.