„Ändern Sie die Verordnung! Die Kommission braucht Luft zum Atmen …, und ihre Mitglieder brauchen Raum zum Handeln.“
Die geforderte einfache Mehrheit für die Anerkennung eines Härtefalls haben Sie nicht umgesetzt. Elemente der Sippenhaft wurden lediglich verlagert, sind aber absolut inakzeptabel und entsprechend aus anderen Bundesländern nicht bekannt. Ein bereits feststehender Abschiebetermin oder die Anordnung von Abschiebehaft dürfen kein Hindernis für die Befassung der Kommission mit der Eingabe sein. Nach wie vor werden gerade den besonders Hilfebedürftigen wie Alten, Kranken, Alleinerziehenden und Menschen mit Behinderung durch die Anforderung der selbstständigen Sicherung des Lebensunterhalts die Anerkennungsmöglichkeiten verstellt. Gerade an diesem Punkt zeigt sich, dass der humanitäre Zweck der Kommission durch die Verordnung nicht erfüllt wird und die Landesregierung offensichtlich auch kein Interesse daran hat.
Sehr geehrte Damen und Herren, eine weitere Forderung von uns und auch von den Angehörten ist die Aufnahme eines weiteren Kommissionsmitglieds, das aus der Flüchtlingsarbeit kommt. Das bisher einzige entsprechende Mitglied hat lediglich Stellvertretendenstatus. Als beratendes Mitglied sollte darüber hinaus die Integrationsbeauftragte des Landes Niedersachsen aufgenommen werden, weil sie die angemessene Würdigung der von den Antragstellern erbrachten Integrationsleistungen sicherstellen könnte. Häufig handelt es sich bei den Betroffenen aufgrund ihrer langen Aufenthaltszeiten und ihrer Verwurzelung in der niedersächsischen Gesellschaft schon um faktische Inländer. Schließlich muss der Abschiebeschutz bereits dann greifen, wenn eine Eingabe an ein Kommissionsmitglied herangetragen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, diese Forderungen stellen wir an die Landesregierung. Wir stehen aber nicht allein, sondern haben maßgebliche gesellschaftliche Gruppen hinter uns. Ich bitte Sie und fordere Sie auf, den Entwurf zur Änderung der Härtefallkommissionsverordnung umfassend zu überarbeiten.
Noch etwas zum Abschluss: Die bundesgesetzlichen Regelungen zur Härtfallkommission sind auf den 31. Dezember 2009 befristet. Trotz aller Widrigkeiten in Niedersachsen hat sich dieses Instrument bundesweit bewährt. Es muss über 2009 hinaus Bestand haben. Die FDP hat aus Rheinland-Pfalz heraus eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich im Bundesrat für die Aufhebung der Befristung einzusetzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Grundlage des § 23 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes haben die Länder die Möglichkeit erhalten, Härtefallkommissionen einzusetzen; das haben wir eben gehört. Das Land Niedersachsen war Schlusslicht in Bezug auf den Zeitpunkt der Einrichtung einer solchen Kommission, aber nicht nur das: Es ist vor allen Dingen auch die inhaltliche Ausgestaltung. Die Zugangskriterien sind mit enorm hohen Hürden verbunden, die Liste für die Gründe für die Nichtannahme einer Eingabe ist sehr lang. Hoch sind die Hürden, um eine Eingabe positiv zu entscheiden.
Alles das sind aus unserer Sicht Gründe, noch einmal ganz intensiv über den entsprechenden Erlass des Ministeriums zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE unterstützt ausdrücklich den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Grundsätzlich hat sich die Einrichtung einer solchen Kommission in allen Bundesländern als richtig erwiesen. Aus diesem Grund muss die Befristung unbedingt aufgehoben werden, die in dem Bundesgesetz auf den 31. Dezember 2009 datiert ist. Dringend notwendig ist aber auch vor allem die Überarbeitung des Landeserlasses. Dazu gehört nicht nur die Absenkung des Quorums, um positiv über einen Härtefall zu befinden, auf die Hälfte der Mitglieder.
Im bundesdeutschen Recht haben wir keine Sippenhaftung. Aber in diesem Erlass haben wir Sippenhaftung. Wie geht denn so etwas? - Alle diese Dinge, die damit zu tun haben, müssen natürlich unbedingt gestrichen werden.
Im Grunde genommen ist der bisherige Erlass Ausdruck der insgesamt äußerst restriktiven Flüchtlingspolitik des Landes Niedersachsen. Angesichts der Abschiebepraxis im Land muss man sich über die Äußerungen von Herrn Ministerpräsident Christian Wulff auf der Mitgliederversammlung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes in der vergangenen Woche in Quakenbrück wundern. Dort hatte er sinngemäß gesagt, dass im Zusammenhang mit der sinkenden Einwohnerzahl des Landes jeder und jede, egal, aus welchem Teil der Welt er oder sie komme, in Niedersachsen gebraucht werde. Herr Wulff, Sie sollten von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und Herrn Minister Schünemann auffordern, in diesem Sinne zu handeln.
Meine Damen und Herren, zum Schluss bleibt noch festzuhalten: Auch eine reformierte Härtefallkommission wird die ungerechte Ausländergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland nicht grundsätzlich aus den Angeln heben und somit viele menschliche Schicksale nicht positiv gestalten können. Dazu bedarf es einer grundsätzlichen Reform.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der vorigen Wahlperiode nicht nur mehrfach Initiativen ergriffen, um mit einer Härtefallkommission den § 23 a des Aufenthaltsgesetzes auszufüllen - die Kollegin Polat hat das eben beschrieben -, sondern wir haben damals ausdrücklich auch die Inhalte gefordert, die Frau Polat eben im Detail erläutert hat. Insofern
Warum befassen wir uns heute aktuell mit dem Thema? Vor der Landtagswahl kreißte der Berg. Es wurde angekündigt: Wir werden die Härtefallkommissionsverordnung überarbeiten und liberalisieren. Wir werden Konsequenzen aus den Kritikpunkten ziehen. - Herausgekommen ist dabei aber nur ein Mäuschen. Das, was Sie jetzt vorlegen, ist keine Verbesserung. Sie haben nur Theaterdonner veranstaltet und gesagt: Wir senken das Abstimmungsquorum von drei Viertel auf zwei Drittel ab. - Herr Schünemann, ich hoffe Sie können meiner Grundrechnung folgen: Bisher waren in der Härtefallkommissionsmitgliedern acht Mitglieder vertreten. Eine Härtefallentscheidung musste von drei Vierteln der Mitglieder dieser Kommission, also von sechs Mitgliedern, getroffen werden. Jetzt müssen es zwei Drittel sein: Das sind immer noch sechs. Da ändert sich nichts. Sie veräppeln doch die Mitglieder der Härtefallkommission!
Ich habe in dieser Woche mit einem Mitglied der Kommission gesprochen, nämlich mit Herrn Oberbürgermeister a. D. Schmalstieg. Wenn ich hier wiederholen würde, was er gesagt hat, wie er sich fühlt - er hat nicht das Wort „veräppeln“, sondern ein anderes Wort benutzt -, dann würde ich jetzt zu Recht einen Ordnungsruf bekommen. So geht es allen, die in dieser Kommission arbeiten. Der § 23 a des Aufenthaltsgesetzes erlaubt es allen Landesregierungen ausdrücklich, von den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweichen, also ausländischen Staatsangehörigen, die nach sonstigen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes kein Aufenthaltsrecht erhalten können, aus dringenden humanitären - hören Sie sich das genau an; ich kann das Wort auch buchstabieren, damit Sie es irgendwann einmal verstehen -
In Niedersachsen haben wir - das war und bleibt nach dem bekannten Entwurf so - eine Alibiveranstaltung, um eine bestimmte Diskussion zu beenden, in der Sache aber nichts zu verändern. Das ist unisono die Stellungnahme der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die in ihren Detailforde
rungen von der Kollegin Polat vorgetragen wurde. Das ist weitestgehend auch die Stellungnahme der bisherigen Mitglieder der Kommission. Vor Kurzem hat diese Situation ja auch zu Rücktritten geführt. Kommissionsmitglieder haben erklärt, sie persönlich könnten unter diesen Bedingungen nicht mehr in der Kommission arbeiten, weil sie sich verkohlt vorkommen.
Über die Nichtannahme einer Eingabe im Vorfeld durch die Geschäftsstelle entscheiden zu lassen, ist auch nicht gerade ein demokratischer Vorgang. Es gibt so viele Ausschlussgründe, dass den Mitgliedern der Kommission gar nicht mehr die Chance gegeben wird, sich wirklich unter humanitären und persönlichen Gesichtspunkten mit Eingaben zu befassen. Die Kommission muss die Möglichkeit haben, zu sagen, sie wolle sich mit diesem Fall befassen und ihn beraten, und damit Ausschlusskriterien zu umgehen.
Sie wischen die Forderungen vom Tisch, alle Elemente von Sippenhaft aus der Verordnung zu tilgen, Abschiebungsschutz während des Verfahrens herzustellen und ein neuntes Mitglied in die Kommission aufzunehmen - wenn dem gefolgt würde, könnte man nach Ihrer Rechnung wirklich zu einer Verbesserung kommen. Wenn ein Mitglied aus dem Flüchtlingsrat Niedersachsen oder der Arbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge in Niedersachsen in die Kommission aufgenommen würde - das würde auch die Akzeptanz der Kommission hinsichtlich ihrer Zusammensetzung erhöhen -, würde den Betroffenen - fast ausschließlich Flüchtlinge - ein Sprachrohr gegeben. Von diesen Forderungen greifen Sie nichts auf. Deswegen ist das keine Reform, sondern das Fortsetzen Ihrer Hardlinerlinie.
Wir sind auch der Auffassung, dass es Anhörungsmöglichkeiten für die Kommission geben muss. Denn sie wird nie so groß sein, dass dort Sachverständige aus allen wichtigen Bereichen - z. B. auch aus dem medizinischen Bereich - vertreten sind. Das sagen auch die Mitglieder der Kommission und die Verbände. Die Kommission muss ein Anhörungsrecht haben, damit sie im Einzelfall für eine verantwortliche, humanitäre und persönliche Entscheidung externen Sachverstand heranziehen kann.
Auch die Verfahren an sich müssen beschleunigt werden. Selbst bei positiver Entscheidung durch die Härtefallkommission unter den jetzigen einge
schränkten Bedingungen - sechs von acht Mitglieder müssen einem Härtefallbegehren zustimmen - kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Innenminister auf Dauer oder zumindest längerfristig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Infolgedessen besteht damit keine Bleibesicherheit für die Flüchtlinge.
Wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass der Entscheidung der Kommission nach intensiver Beratung gefolgt werden sollte. Ja, es wäre noch besser, Herr Schünemann, Sie würden die Härtefallverfahren minimieren und sich - ergänzend zum neuen Aufenthaltsgesetz - bundesweit für die von uns immer geforderte abschließende Altfallregelung einsetzen, damit es in Einzelfällen gar nicht erst zu Härtefallverfahren kommen muss.
Wir erwarten noch etwas von Ihnen. Sie haben zu Ihrem Vorhaben von den Angehörten weitestgehend keine Zustimmung erhalten. Nun gibt es parallel zur Entscheidung der Landesregierung eine parlamentarische Beratung. Wenn Sie die Härtefallkommissionsverordnung durch Kabinettsbeschluss in Kraft setzen, bevor das Parlament seine Beratung über diese Initiative abgeschlossen hat, dann erheben wir auch noch den Vorwurf der Missachtung des Parlaments.
Deswegen sage ich ausdrücklich: Geben Sie wenigstens dem Landtag die Chance, die Beratung abzuschließen, bevor Sie wieder Fakten schaffen.
Herr Innenminister, aus Zeitgründen verzichte ich darauf, noch mehr in die Details zu gehen. Das hat die Kollegin Polat schon getan. Ein glaubwürdiger Integrationsminister werden Sie nie. Das hängt in besonderer Weise mit Ihrem Umgang mit den eben geschilderten Punkten zusammen. Herr Schünemann, Sie werden wohl immer selbst der Härtefall bleiben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir hier bisher im Rahmen der Debatte über dieses sicherlich sehr ernsthafte Thema erlebt haben, unterscheidet sich leider in nichts von dem, was wir in der letzten Legislaturperiode zu diesem Thema gehört haben. Frau Polat hat zugegeben, dass dieser Antrag die Wiederholung dessen ist, was am Ende an der sogenannten Diskontinuität gescheitert ist. Der Antrag, den Sie schon in der letzten Legislaturperiode gestellt haben, konnte damals nicht zu Ende beraten und auch nicht abgestimmt werden.
In dieser Debatte ist deutlich geworden - wenn auch mit unterschiedlichen Nuancen -, dass es eigentlich nicht um die Frage geht, wie man das Thema Härtefallkommission praktikabel handhaben kann, sondern es geht zunächst einmal darum, in beleidigendem Ton Vorwürfe gegen die Landesregierung, gegen den Innenminister zu erheben. Wenn Sie glauben, dass das die richtige Taktik ist, um irgendetwas zu erreichen, dann sage ich Ihnen: Da beißen Sie bei uns auf härtesten Granit. Da wird nichts draus.